Die aktuelle kulturpolitische Debatte verläuft ruhig, zu ruhig, fand ich, und bat den Vorsitzenden vom Vorstand des Landeskulturverbandes Schleswig-Holstein, Herrn Rolf Teucher, schriftlich um Antworten auf meine Fragen. Der Landeskulturverband ist ein Jahr älter als unsere Bundesrepublik. Eine Vielzahl von Kulturinstitutionen sowie kulturell aktive Vereine und Persönlichkeiten Schleswig-Holsteins sind darin Mitglied. Er sieht sich als unabhängig, überparteilich und spartenübergreifend. Der neunköpfige Vorstand und sein Beirat arbeiten ehrenamtlich. Einige ihrer Vertreter berief die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, in ihr Leitungsteam bzw. in eine ihrer vier Arbeitsgruppen. Gemeinsam mit ihnen und anderen Vertretern der Kulturszene Schleswig-Holsteins will sie bis Ende des Jahres Leitlinien für die künftige Kulturpolitik erarbeiten. Die sollen 2014 im „Jahr der kulturellen Bildung” im Parlament verabschiedet und anschließend sofort umgesetzt werden.
Landesblog: Gratulation, Herr Teucher! Der Landeskulturverband kämpft seit Jahren für ein kulturpolitisches Konzept. Nun rückt eines in Sichtweite. Im Mai diesen Jahres gab Ministerin Anke Spoorendonk den Startschuss zu einem Kulturdialog in Schleswig-Holstein. Sie bildete eine Leitungsgruppe und wählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Arbeit in vier Arbeitsgruppen aus. Mitte August fanden deren erste Sitzungen statt. Bis Jahreswechsel soll die Arbeit abgeschlossen sein. Am 28. Februar können die Ergebnisse öffentlich im sogenannten Kulturparlament diskutiert werden. Danach formuliert die Landesregierung ihr Kulturkonzept und gibt es im Frühjahr 2014 zur Abstimmung in den Landtag. Sind Sie als Vorstandsvorsitzender des Landeskulturverbandes Schleswig-Holstein zufrieden mit diesem Verlauf?
Rolf Teucher: Ich persönlich und der gesamte Vorstand des Landeskulturverbandes sind sehr zufrieden. Nachdem vor Jahren bereits ein Kulturwirtschaftsbericht erarbeitet wurde, dessen baldige Aktualisierung im Übrigen aus meiner Sicht anstehen würde, ist der Einstieg in die Erarbeitung von Kulturperspektiven durchaus gelungen. Die Erarbeitung der Grundlagen war notwendig, die Bildung von Arbeitsgruppen ist der richtige Weg, die Federführung durch das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa war unumgänglich und der Zeitplan macht auf alle Beteiligten genügend Druck, um das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen.
Landesblog: Bei ihren öffentlichen Auftritten, z.B. bei der letzten Jahresversammlung des Landeskulturverbandes, formulierte die Ministerin die aus ihrer Sicht wichtigsten kulturpolitischen Themen für das Land. Sie will das Denkmalschutzgesetz novellieren, ein Bibliotheksgesetz schaffen und ein Theaterkonzept erstellen. Sie wünscht mehr Flexibilität bei der staatlichen Kulturförderung und will Kräfte bündeln, um für Kulturprojekte im Förderzeitraum 2014 bis 2020 EU-Mittel einwerben zu können sowie Bundesmittel für die kulturelle Bildung nach Schleswig-Holstein schleusen. Wären damit die Kernprobleme der schleswig-holsteinischen Kultur behoben?
Rolf Teucher: Ich glaube nicht, dass damit alle Probleme behoben sein werden, aber eine ganze Reihe wichtiger Probleme werden angegangen: es wird ergebnisoffen diskutiert und der Wille zur Lösung von Problemen ist erkennbar. Niemand, auch die derzeitige Regierung, kann es allen Recht machen. Wichtig ist die permanente Kommunikation zwischen der Regierung/dem Parlament und den Kulturinstituten und besonders wichtig ist der Wille zur Einigung und die Eignung zum Kompromiss. Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes, das Theaterkonzept, ein „echtes” Bibliotheksgesetz, das insbesondere die Verantwortlichkeiten zwischen den Trägern, dem Land und den Landkreisen klärt, die Heraushebung der Bedeutung der Schleswig-Holsteinischen Gedenkstätten und die Kulturperspektiven sind wichtige Kulturprozesse, die jetzt alle eingeleitet sind.
Wir dürfen uns aber nichts vormachen: das alles sind laufende Prozesse und das alles müssen auch laufende Prozesse bleiben, die auf Neues, auf Veränderungen und auf gesellschaftliche Realitäten reagieren. Einen Stillstand im Sinne von „Jetzt haben wir alles prima geregelt” darf es nicht geben.
Landesblog: Adäquat zu ihren Themen wählte die Ministerin insgesamt knapp 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den Kulturdialog aus. Darunter sind in der Mehrzahl Kulturmanagerinnen und –manager wichtiger Kulturinstitutionen im Land. Ich vermisse Berufsverbände, die Interessen unserer Künstlerinnen und Künstler vertreten. Müssen wir uns nicht mehr darum kümmern, die kreative Szene im Land am Leben zu erhalten bzw. auszubauen?
Rolf Teucher: Es kann hier nicht um persönliche Eitelkeiten gehen. Ich persönlich fühle mich auch nicht beiseite geschoben, nur weil ich kein bestelltes Mitglied einer der Arbeitsgruppen bin. Jeder kann sich an der Diskussion beteiligen. Jeder ist nach Ideen gefragt und kann Vorschläge einbringen, die dann in den Arbeitsgruppen behandelt werden. Ich kann nur hoffen, dass das auch viele tun werden. Es wäre schade, wenn einige meinen, sich zurücklehnen und alles den Arbeitsgruppen überlassen zu können.
Landesblog: Vorrangig unterstützt die Landesregierung Projekte, „die eine Bündelung an Ressourcen erkennen lassen“. Mir scheint, der Kulturdialog dient vor allem als Partnervermittlung. Die mit bis zu 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besetzten AGs werden intern Referatsgruppen bilden, die Themen ausarbeiten und der Gruppe vorstellen – wie im Seminar an einer Universität. Anders lassen sich innerhalb von fünf Monaten keine brauchbaren Ergebnisse erzielen. Nach Mittelkürzungen, Stellenabbau, Nullrunden, Umstellung auf das Ehrenamt kommt nun die Fusionswelle: Ist das der Weg, um Schleswig-Holsteins Kultur fit zu machen für die Zukunft?
Rolf Teucher: Ich bin nicht der Meinung, dass es — wie Sie es nennen — eine „Fusionswelle” geben wird, bzw. dass eine „Fusionswelle” überhaupt angestrebt wird. Notwendig aber werden sein: Mehr Kooperation, mehr Synergie und mehr Gemeinsamkeit. Die Zeit der Abgrenzung kultureller Initiativen und kultureller Arbeit muss infrage gestellt werden.
Landesblog: Zum Kulturpolitischen Abend im Landeshaus am 4. Juni luden die Kulturpolitische Gesellschaft, das Kulturforum und der Landeskulturverband zwei Referenten von außerhalb ein. Dr. Hans-Jörg Siewert stellte Erfahrungen mit der Erstellung des Kulturkonzeptes für Niedersachsen vor. Dr. Lutz Vogel berichtete über den Weg zu einem Kulturentwicklungsplan der Stadt Dresden. Beide Prozesse waren über einen Zeitraum von mehreren Jahren angelegt. Zwar warnten sie davor, den Prozess ausufern zu lassen, z.B. durch akribische Bestandsaufnahme im Vorfeld, waren aber zugleich auch skeptisch, ob es Schleswig-Holstein gelingen könne, in weniger als einem Jahr ein Kulturkonzept auf die Beine zu stellen.
Die Regierung will damit die Weichen für die Kulturpolitik bis 2020 legen, so die Ministerin in einer Fernsehrunde von SAT.1 beim „Talk am Turm“ im Oktober 2012. Mir macht das Angst. Wie steht der Landeskulturverband zum Schnellverfahren, in dem hier Kulturpolitik entwickelt wird? Beheben wir so die Legitimationskrise des demokratischen Systems?
Rolf Teucher: Warum sollen wir Angst haben, wenn jetzt endlich Lösungen für die dringenden kulturpolitischen Probleme in Angriff genommen werden? Und ein enger Zeitplan stört mich gar nicht. Er ist eher positiv zu sehen. Ich wiederhole mich: Ein Kulturkonzept bzw. ein Kulturplan ist doch nichts unumstößliches, nichts apodiktisch fest gezurrtes, sondern eben — im wahrsten Sinne des Wortes — ein Konzept bzw. ein Plan, der nur so lange gelten kann, wie es die sich verändernde Kulturszene und die sich verändernde Gesellschaft erlauben.
Es geht hier nicht um Kulturpolitik im Sinne einer — Reichskulturkammer — sondern um eine lebendige, sich fort entwickelnde, individuelle Kulturszene, die staatliche Förderung erwarten kann oder auch nicht. Es geht um eine mittelfristige Verlässlichkeit der Förderung und um Planbarkeit für die Kulturinstitute.
Landesblog: Dankeschön, Herr Teucher! Gutes Gelingen für den jährlichen KulturKongress des LKV Anfang November im Rendsburger Nordkolleg.
Links
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