Die alten Bohrlöcher verraten: der Ressortzuschnitt wurde schon häufiger verändert.
In der schleswig-holsteinischen Landesregierung hat sich im September der Ressortzuschnitt geändert (der Landesblog berichtete). Wissenschaft ist jetzt im Sozialministerium angesiedelt und nicht mehr in einem Ministerium für Bildung und Wissenschaft. Was war passiert? Und was heißt eigentlich „Ressortzuschnitt”? Eine Zusammenfassung.
Was ist passiert?
Nach dem Rücktritt der Ministerin für Bildung und Wissenschaft, Wara Wende (parteilos), im September war die Aufregung groß: Weil die neue Ministerin Britta Ernst (SPD) mit dem Vorstand des Universitätsklinikums (UKSH) verschwägert ist, änderte Ministerpräsident Torsten Albig eigenmächtig den Ressortzuschnitt. Die Zuständigkeit für das Thema Wissenschaft, dem auch das UKSH zugehört, wanderte ins Sozialministerium, aus dem alten Ministerium für Bildung und Wissenschaft wurde das Ministerium für Schule und Berufsbildung.
„Was bitte hat die Wissenschaft im Sozialministerium zu suchen?” fragte der damalige Oppositionsfüher Daniel Günther (CDU). Wolfgang Kubicki (FDP) ging noch einen Schritt weiter: „Wir fürchten um die Reputation des Wissenschaftsstandortes Schleswig-Holstein, wenn das Sozialministerium jetzt für den Wissenschafts- und Hochschulbereich im Lande zuständig sein soll.” Oder: „Der Ministerpräsident hat das gewichtige Bildungsministerium komplett entkernt; Kultur wurde Justizsache; Wissenschaft wird zum Projekt der Sozialpolitik. Das Schulministerium mutiert zum Rudiment” (Torge Schmidt, Piraten).
Viel Lärm um nichts? Eigentlich geht es um zwei Fragen: Einerseits die Kritik an der Amtsführung des Ministerpräsidenten und den offensichtlichen Koalitionskrach um den Ressortzuschnitt; andererseits um die Frage, mit welchen anderen Themen Wissenschaft sinnvollerweise in einem Ministerium zusammengefasst werden sollte.
Was heißt Ressortzuschnitt?
In Schleswig-Holstein hat der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin die alleinige Entscheidungsgewalt über den Ressortzuschnitt. Die Entscheidung von Ministerpräsident Albig (SPD) zeugt vielleicht von schlechtem Stil, aus Sicht der Opposition vielleicht sogar von dessen Unvermögen. Sie liegt jedoch in der Kompetenz seines Amtes begründet. Das hat auch niemand in der Diskussion bestritten — lediglich der Inhalt seiner Entscheidung wurde kritisiert.
Die meisten Ministerien sind genau genommen Sammelministerien, in denen verschiedene Ressorts zusammengefasst werden. Ein Ressort oder Portefeuille ist die Umschreibung für eine Staatsaufgabe. Neben klassischen Ressorts wie Finanzen, Justiz oder Wirtschaft gibt es in Bund und Ländern eine große Zahl von Ressorts, die in verschiedenen Kombinationen zu Ministerien zusammengefasst werden. Der Ressortzuschnitt (oder: das Kompetenzportefeuille der einzelnen Ministerien) wechselt häufig bei der Bildung neuer Regierungen. Für den Zuschnitt der Ressorts spielen parteipolitische Präferenzen oder — wie in Schleswig-Holstein gerade geschehen — die Person der Ministerin bzw. des Ministers eine wichtige Rolle.
Wissenschaft und …
In Schleswig-Holstein war Wissenschaft in den letzten Jahren kombiniert in den Sammelministerien für
- Wissenschaft, Forschung und Kultur
- Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur
- Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr
- Bildung und Wissenschaft
und seit September im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung unter der Ministerin Kirstin Alheit (SPD).
In Bund und Ländern sind die Themen Wissenschaft und Forschung in unterschiedlichen Kombinationen und manchmal innerhalb eines Bundeslandes sogar in mehreren Ministerien angesiedelt:
Land | Ressortzuschnitt | Regierung |
Bund | Bildung und Forschung | CDU/SPD |
Baden-Württemberg | Wissenschaft, Forschung und Kunst | Grüne/SPD |
Bayern | Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst | CSU |
Wirtschaft und Medien, Enregie und Technologie | ||
Berlin | Bildung, Jugend und Wissenschaft | SPD/CDU |
Wirtschaft, Technologie und Forschung | ||
Brandenburg | Wissenschaft, Forschung, Kultur | SPD/Linke |
Bremen | Bildung und Wissenschaft | SPD/Grüne |
Hamburg | Wissenschaft und Forschung | SPD |
Hessen | Wissenschaft und Kunst | CDU/Grüne |
Mecklenburg-Vorpommern | Bildung, Wissenschaft und Kultur | SPD/CDU |
Niedersachsen | Wissenschaft und Kultur | SPD/Grüne |
Nordrhein-Westfalen | Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur | SPD |
Saarland | (Staatskanzlei) | CDU/SPD |
Sachsen | Wissenschaft und Kunst | CDU/FDP |
Sachsen-Anhalt | Wissenschaft und Wirtschaft | CDU/SPD |
Schleswig-Holstein | Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung | SPD/Grüne/SSW |
Thüringen | Bildung, Wissenschaft und Kultur | CDU/SPD |
Datengrundlage: Auflistung der Mitglieder der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, Regierungsparteien in den Bundesländern (Stand 18.10.14) |
Im Fall von Schleswig-Holstein wurde übrigens die gesamte Wissenschafts-Abteilung mit Staatssekretär Rolf Fischer (SPD) an der Spitze ins Sozialministerium verschoben. Die BeamtInnen, die sich um die Hochschulen und die Forschung im Land kümmern, bleiben also dieselben. Die Auseinandersetzung um den veränderten Ressortzuschnitt dürfte in diesem Fall vor allem symbolischen Wert haben.
Schöner Einstandsartikel!
Nur ein Hinweis fehlt: Die Ressorts werden in den Koalitionsverhandlungen festgelegt und im Koalitionsvertrag festgegeschrieben: http://www.spd-schleswig-holstein.de/de/koalitionsvertrag (Im letzten Teil)
Deswegen wollen die Koalitionspartner in der Regel gefragt werden, wenn sich da etwas ändert.