
Wahlplakate im Kreis Nordfriesland. Foto: Jörn Schaar
Portraitbilder wie aus dem Passbildautomat, Plakate ohne jeden Inhalt und ohne gestalterisches Highlight: So lässt sich die aktuelle Plakatlandschaft in Kiel im Wesentlichen zusammenfassen. Der Wahlkampf für die Landtagswahl 2017 in Schleswig-Holstein ist in vollem Gange und an den Laternen stapeln sich immer höher die Wahlplakate. Höchste Zeit, sich einmal genauer mit den aktuellen Motiven der Parteien auseinanderzusetzen.
Im Folgenden also ein detaillierter Blick auf ausgewählte Wahlplakate der Kieler Laternenlandschaft, der sowohl die Gestaltung (Farben, Design, Bilder) als auch die Inhalte (Text, Botschaften) berücksichtigt.
FDP
Allmählich hat man sich an das Pink gewöhnt. Als die FDP sich 2015 eine neue Farbe zum Corporate Design spendierte, war die Skepsis groß. Aber optisch tut es der FDP gut. Sie wirkt deutlich jünger, dynamischer und vor allem kann sie sich mit dieser Farbgebung deutlich vom Wettbewerb abheben.
Soweit zu den positiven Aspekten des Plakats, denn der Slogan erscheint wie ein schlechter Scherz: Die FDP, die seit 2013 vor dem Abgrund der Bedeutungslosigkeit steht, haut einen Satz raus, den man ihr wie einen Spiegel vorhalten möchte: „…man muss auch können“. Klar muss man das. Und als Oppositionspartei ist es natürlich besonders einfach, die Kompetenz der politischen Gegner anzuzweifeln. Aber warum sollte man ausgerechnet einer Partei diese Kompetenz zutrauen, die seit Jahren kaum Regierungsverantwortung übernimmt? Diese Antwort bleibt das Plakat leider schuldig.
SPD
Die Wahlplakate der SPD sind optisch markant gestaltet. Die grau-blaue Färbung der Fotos sorgt für Wiedererkennbarkeit und einen einzigartigen Farbstil. Möglicherweise ist der Farbton eine Anlehnung an die Sekundärfarbe der SPD-Fraktion Schleswig-Holstein. Allerdings wirkt die Farbgebung auch kühl und lässt die KandidatInnen in einer gewissen Distanz erscheinen. „Sozial“ wäre nicht unbedingt die erste Assoziation bei dieser Farbe.
Ungewohnt ist das Bild von Albig: Statt in Krawatte und Anzug posiert er ganz in Casual. Das gestreifte Shirt erinnert an einen Matrosenlook. Soll das besonders menschennah wirken? In jedem Fall ist hier ein deutlicher Kontrast zum sonst elegant gekleideten Ministerpräsidenten zu erkennen.
Mit dem Thema „Gerechtigkeit” hat sich die SPD einem Mammut-Thema gewidmet. Es ist sicherlich ein zentrales Thema, das die Widersprüche unserer Zeit aufgreift. Aber für den Landtagswahlkampf ist es wenig geschickt gewählt. „Mehr Gerechtigkeit für alle“ ist ein löbliches Ziel. „Wir machen das.“ ist aber ein großes Versprechen. Hier lehnt sich die SPD weit aus dem Fenster und das Thema bleibt so allgemein, dass sie in punkto Glaubwürdigkeit möglicherweise den Bogen überspannt.
Im Kontrast zu diesem schwergewichtigen Thema bewirbt die SPD prominent ihre Bürgergespräche mit Politikern. Das ist eine clevere Geste, denn wer mit Politikern reden kann, kann auf der anderen Seite schlecht auf „die da oben“ schimpfen. Bleibt die SPD farblich und inhaltlich distanziert, so erzeugt sie auf diese Weise Nähe und macht Politiker wieder greifbar.
CDU
Weder gestalterisch noch inhaltlich kann die CDU mit diesem Kandidaten-Plakat einen Blumentopf gewinnen. Das Foto wirkt wie aus dem Passbildautomat und vermittelt einen unglaublich biederen Eindruck. Das Gesicht scheint dadurch austauschbar. Soll das eine vertrauensbildende Maßnahmen sein?
Auch inhaltlich bleibt das Plakat blass. Außer dem groß gedruckten Namen und einem klein gedruckten „Anpacken für Kiel.“ vermisst man jegliche Inhalte. Da hilft auch der Hashtag #anpacken nicht weiter.
In geringer Dosis finden sich ergänzend thematische Wahlplakate, die die wichtigen Positionen der CDU für den Wahlkampf markieren. Wer also ganz genau hinschaut, findet zumindest hin und wieder auch eine inhaltliche Position der CDU.
Primär auf Menschen zu setzen und Gesichter zu zeigen ist sicher keine schlechte Option im Wahlkampf. Der Erinnerungswert dürfte hier einigermaßen hoch sein. Aber dafür die Inhalte ganz hinten anzustellen, ist überaus mutig.
Die Linke
Endlich mal eine Partei mit konkreten Themen auf dem Plakat. Neben den ganzen image- und personenorientierten Plakaten ist das eine echte Wohltat. Man muss nicht erst seitenweise das Wahlprogramm lesen, um die zentralen Punkte zu erfahren, für die Die Linke in den Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein zieht. Damit punktet sie deutlich gegenüber der SPD oder der CDU, deren Botschaften oder Themen eher abstrakt gestaltet sind. Angenehm ist in diesem Zusammenhang auch der Verzicht auf Wahlversprechen wie „Wir machen/können/wollen/würden…“
Sprachlich fällt der lässige Tonfall auf, z.B. „Feste Zeiten, gute Kohle, Sicherheit“. Es folgt eine kurze Erklärung, was das politische Anliegen ist. Salopp, aber auf den Punkt gebracht, stehen die wesentlichen Positionen auf den Plakaten. Der als Claim getarnte Seitenhieb „So geht links“ komplettiert die politische Stellungnahme.
Bei der Bildsprache setzt Die Linke nicht auf Gesichter sondern auf Motive, die die jeweilige Botschaft unterstreichen. Das Motiv „Küchenhilfe“ signalisiert: Auch einfache Arbeit muss geregelt sein und anständig bezahlt werden. Mit dieser Zuspitzung legt sich Die Linke auf eine klare Zielgruppe fest. Ein Schritt, den bei weitem nicht alle Parteien in diesem Wahlkampf wagen.
SSW
Die meisten SSW-Plakate zeigen keine Person, sondern ein reines Textplakat mit einem Leuchtturm-Motiv. Ergänzend dazu finden sich Plakate mit dem Foto des Spitzenkandidaten. Beide Plakate bleiben weit hinter ihren Möglichkeiten. Eine politische Aussage hat der SSW anscheinend nicht nötig. Wie sonst erklärt sich, dass auf dem Plakat so gut wie nichts Inhaltliches zu lesen ist?
Ein Wahlplakat sollte in irgendeiner Form dazu beitragen, dass Menschen eine Wahlentscheidung treffen, bzw. sich über diese Gedanken zu machen. Bei diesen Plakaten regt – ähnlich den CDU Plakaten — kaum etwas zum Nachdenken an. Wie bitteschön lautet die Antwort auf die Frage, warum man den SSW wählen soll? Weil er „Unabhängig. Sozial. Näher dran.“ ist? Oder weil man sich auf ihn „verlassen“ kann? Das würden fast alle Parteien eins zu eins unterschreiben. Eine Differenzierung vom politischen Wettbewerb sieht anders aus.
Auch gestalterisch bleiben die Plakate glanzlos. Positiv wirkt zwar das Foto des entspannt und überzeugend lächelnden Kandidaten. Aber das alleine ist zu wenig. Da hilft auch keine nordfriesische Leuchtturm-Romantik weiter.
Die Grünen
Die Grünen fahren eine zweigleisige Plakatstrategie. Einerseits setzen sie auf ihre Spitzenkandidatin, andererseits auf konkrete Themen. Auffällig sind dabei die Illustrationen, mit denen die verschiedenen Themen visualisiert werden. Schwergewichtige Themen bekommen auf diese Weise eine spielerische Note. Die Illustrationen sind handwerklich gut gemacht und verleihen der Kampagne ein einzigartiges Erscheinungsbild, das im Wahlplakat-Dschungel eine erfrischende Abwechslung bietet.
Der farbliche Grundton der Plakate ist – kaum überraschend – grün. Als Farbe der Hoffnung verleiht sie den Plakaten so einen frischen Look und strahlt Energie und Aufbruchsstimmung aus. Passend fügen sich auch die Textbotschaften „Mit Biss“, „Mit Mut“, „Mit klarem Kurs“ usw. dazu ein. Neben dem jeweiligen Thema betonen die Grünen ihr Engagement, mit dem sie die Themen umsetzen wollen.
Die Spitzenkandidatin erscheint auf den Plakaten mal fröhlich lächelnd, mal ernst und entschlossen. Fraglich ist dabei nur, ob eine so ernste Pose mit verschränkten Armen und leicht grimmigem Gesichtsausdruck gut geeignet ist, um für eine „weltoffene Gesellschaft“ zu werben.
Trotzdem: Soviel Mühe und Liebe zum Detail wie bei den Grünen ist bei der Plakatgestaltung im Landtagswahlkampf 2017 eher die Ausnahme. Allein deswegen stechen die Plakate aus der Masse deutlich hervor.
Piraten
Die KandidatInnen der Piraten präsentieren sich allesamt in einem orangefarbenen Kreis, der die Assoziation von einem Bullauge weckt. Sind die Personen schon alle im gleichen Layout dargestellt, hat die Partei an Sekundärfarben nicht gespart: Jedes Plakat hat einen anderen ergänzenden Farbton. Leider wirken die Farbkombinationen etwas willkürlich gewählt. In punkto Ästhetik sammeln die Piraten hier keine Pluspunkte.
Ein Fragezeichen hinterlässt auch die schwarz-weiß Darstellung der KandidatInnen. Durch die knallige Farbwahl der Gestaltung geraten die Personen in den Hintergrund und wirken vergleichsweise belanglos im grafischen Konzept.
Inhaltlich sind die Plakate abwechslungsreich gestaltet. So finden sich viele verschiedene Botschaften, die meist eine klare Positionierung durch Themen erkennen lassen. Aus der Reihe fällt lediglich ein Plakat, das statt einer Person einen Totenschädel mit der Botschaft „Totgesagte leben länger“ zeigt. Das Motiv mag an ein Guns´n´Roses CD-Cover erinnern, der wahlpolitische Mehrwert bleibt jedoch unklar.
LKR
LKR – ein Name, der noch nicht sehr geläufig sein dürfte. Als „ALFA“ gestartet, zieht die Partei erstmals in den Landtagswahlkampf. Die Farbgestaltung der Plakate (orange/schwarz) scheint von den Piraten übernommen worden zu sein. Gab es wirklich keine andere Farbkombination mehr? Inhaltlich sind die Aussagen in gewohnt populistischer Lucke-Manier formuliert. „Alternative für Anständige“ mag auf den unglücklichen Abgang Luckes aus der AfD anspielen, bietet für den Wahlkampf jedoch keinen politischen Mehrwert. Wer definiert denn, wer „anständig“ ist?
Darüber hinaus fällt die deutliche Abgrenzung zur aktuellen Regierung auf. Dabei wird kein gutes Haar an der aktuellen Regierung bzw. Rot-Grün gelassen. Mit drastischen Aussagen wie „Stegner Land ist abgebrannt” oder „Rot-Grün regiert, das Land verkommt. Stegner stoppen” wird attestiert, dass das Land Schleswig-Holstein unter der aktuellen Koalition kurz vor dem Abgrund steht. Oder vielleicht sogar schon einen Schritt weiter ist. Dass eine neue Partei mit provozierenden Aussagen Aufmerksamkeit wecken will, ist nicht überraschend. Schuldig bleibt sie in diesem Zusammenhang jedoch ihre eigenen Positionen und Ideen für eine bessere Politik. Die politische Konkurrenz schlecht zu reden, ist im Zweifelsfall einfacher als eigene Positionen zu entwickeln und für diese eine Mehrheit zu gewinnen.
AfD
Die AfD wirbt sowohl mit rein thematischen Plakaten, als auch mit Portraits von den ernst blickenden KandidatInnen. Gestalterisch sind diese kein Highlight, aber durch die Farben Blau und Rot ergibt sich eine hohe Wiedererkennbarkeit im Wettbewerb. Der zentrale Slogan lautet „Mut zwischen den Meeren“. Er ist zwar speziell auf Schleswig-Holstein zugeschnitten, in der Parteienlandschaft aber austauschbar (vgl. Grüne „Mit Mut…“).
Etwas konkreter wird es dann bei den Themen-Plakaten, hier heißt es etwa „Familie statt Genderwahn“ oder „Heimat statt Multikulti“. Die Themen ihrer Agenda lassen sich hier klar ablesen, allerdings bleibt es bei dieser Polarisierung. Warum z.B. „Heimat“ und „Multikulti“ sich ausschließen, wird dem Leser nicht erklärt. Vielleicht hofft die AfD auf neugierige Menschen, die anschließend einen vertiefenden Blick in ihr Wahlprogramm werfen.
Erwähnt sei noch der Zusatz „AfD das Original“, der jedes der Plakate ziert. Auch die AfD hat es sich also nicht nehmen lassen, einen Seitenhieb auf die Partei ihres ehemaligen Mitbegründers Lucke in den Wahlkampf einfließen zu lassen.
Fazit
Bereits 2013 habe ich im Landesblog eine Analyse zu den Wahlplakaten für die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein geschrieben. Das damalige Fazit: „Hier geht noch was!“. Für einen Augenblick war ich geneigt, noch einmal die gleiche Überschrift für den hier vorliegenden Artikel zu verwenden.
Dabei könnte man denken, dass man mit einem kleinen Wahlplakat nicht so viel falsch machen kann. Pustekuchen. Auch wenn sich diese Überzeugung bei vielen Parteien scheinbar festgesetzt hat, wäre etwas mehr Einsatz nicht nur in den Augen eines Werbetreibenden lohnenswert. In vielen Fällen wird aber einfach das gemacht, was man so oder so ähnlich schon immer gemacht hat. Oder mal bei anderen Parteien gesehen hat.
Das Medium Plakat hat gestalterischen Grenzen: Größe, Form und Ort der Platzierung sind kaum zu beeinflussen. Es wird meist aus der Ferne und im Vorbeifahren/-gehen gesehen und darf daher nicht überladen sein. Trotzdem ist es nur schwer nachzuvollziehen, dass auch mit fünf Jahren Vorlauf so wenig gestalterische Klasse zu sehen ist. Die ganze Stadt ist zugepflastert mit Wahlplakaten. An den Laternen stapeln sich bis zu sechs Plakate übereinander. Die meisten Plakate sind weder schön noch überraschend. Eine angenehme Ausnahme stellen die Plakate der Grünen dar, die für ihre Themen individuelle Illustrationen entwickelt haben. Bei der CDU hingegen fragt man sich, ob das Budget für die Großwandplakate nicht besser in ein professionelles Design und eine fundierte Beratung investiert wäre. Eine dermaßen inhaltsleere Kampagne ist schon bemerkenswert.
Womit wir beim zweiten entscheidendem Punkt sind: die Inhalte. Insbesondere bei den beiden großen Parteien SPD und CDU finden sich erschreckend wenige Inhalte auf den Plakaten. Statt konkreter Aussagen setzt die SPD auf den Allgemeinplatz „Gerechtigkeit“ und die CDU inszeniert Portraitfotos ihrer Kandidaten lediglich mit dem Slogan „Anpacken für…“. Unverständlich sind in diesem Kontext auch die Plakate des SSW mit ihren belanglosen Aussagen. Wo bleiben hier erkennbare Positionen der Parteien? Reichen imagebildende Plakatmotive und austauschbare Parolen tatsächlich aus, um einen Wahlkampf zu gewinnen? Angesichts der Plakatlandschaft wird jedenfalls verständlich, warum Menschen meinen, es mache keinen Unterschied, welche der vorhandenen Parteien man wählt. Wie erschreckend beliebig und austauschbar viele Aussagen der Plakate sind, lässt sich übrigens auch in einer Befragung sehen, die KN_Online zu den aktuellen Wahlslogans durchgeführt hat.
Fast schon wohltuend sind in diesem Zusammenhang dagegen konkrete Aussagen, die sich allerdings eher bei den kleineren Parteien wie den Linken, Grünen oder auch Piraten finden. Das ist einerseits nicht verwunderlich, da diese Parteien die Tendenz zur monothematischen Politik haben bzw. hatten. Andererseits zeigt es das Dilemma der großen Parteien: diesen fällt es zunehmend schwerer mit ihrem Engagement in unterschiedlichsten Themenbereichen und realpolitischen Entscheidungszwängen, sprich Kompromissen, ein klares Profil nach außen zu behalten.
Es bleibt also dabei: Die wenigsten der Wahlplakate für die Landtagswahl 2017 machen Lust auf Politik. Nicht einmal auf das Wählen gehen. Wenn schon die ganze Stadt wochenlang mit Plakaten übersät wird, warum geben sich die meisten Parteien offensichtlich so wenig Mühe bei der inhaltlichen und grafischen Gestaltung? Wenn schon der Grafiker zu teuer ist, wäre es eine gute Investition, sich wenigstens Gedanken über das eigene Profil zu machen. Und dieses dann so zu formulieren, dass es auch auf einem Plakat verständlich rüberkommt. Einigen Parteien, wie z.B. der Linken, den Grünen oder auch den Piraten ist das im Jahr 2017 gelungen. Aber leider deutlich zu wenigen. 2022 wird alles besser. Hoffentlich.
Sehr lesenswert, gut und sachlich begründet, sauber kommentiert!
Guter Artikel. Ich würde mich über eine Initiative freuen, die die Parteien davon überzeugt bei zukünftigen Wählen auf Wahlplakatwerbung auf wilden Stell- und Laternenschilder grundsätzlich zu verzichten. Begründung fällt leicht: z. B. wegen der Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten der Wähler und Wirkungslosigkeit von Portaitgalerien . Hierzu kommt der ästhetische Aspekt der Stadtbildverunstaltung.