
By: Raquel Abe - CC BY 2.0
Schleswig-Holsteins Krankenhäuser und an sie angeschlossene Einrichtungen erhalten für die Ausbildung von Therapeuten Geld aus einem von den Krankenversicherungen finanzierten Topf. Dieses Budget scheint jedoch nicht auszureichen. Deshalb verlangen sie von den künftigen Therapeuten zusätzlich Schulgeld.
In Deutschland gibt es aktuell rund 100 Logopädie-Schulen, 170 Schulen für Ergotherapeuten und 260 Schulen für Physiotherapie. Unter letzteren befanden sich im Jahr 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 80 an Krankenhäusern. Das wäre aktuell etwa ein Drittel.
Damit Kliniken, die ausbilden, nicht gegenüber denen benachteiligt sind, die keine Ausbildungsangebote machen, bekommen sie ihre Schulkosten aus einem sogenannten Ausbildungsfonds erstattet. Verwaltet wird der von den Krankenhausgesellschaften. Seine Budgethöhe variiert von Jahr zu Jahr. Er speist sich aus den Pflegesatzpauschalen privater und gesetzlicher Krankenkassen. Diese enthalten einen Zuschlag für Ausbildung.
Wie viel Geld ein Schulträger aus dem Fonds bekommt, hängt davon ab, in welchem Umfang er Pflegekräfte, Hebammen, Heilmittelerbringer und so weiter ausbildet. Das Budget soll die Kosten der Ausbildungsstätten bei wirtschaftlicher Betriebsgröße und Betriebsführung decken. Es wird stetig angepasst.
Dazu meldet jedes Krankenhaus ein Mal jährlich an die Krankenhausgesellschaft seines Bundeslandes die Ist- und Planzahlen seiner voll- und teilstationären Fälle. Und es gibt die tatsächlichen wie die künftigen Personal-, Sach- und Gemeinkosten seiner Ausbildungsstätte an. Das gleiche geschieht für Art und Anzahl seiner Auszubildenden im auslaufenden wie für den kommenden Abrechnungszeitraum. Am Ende werden die voraussichtlichen Gesamtkosten aller Schulen durch die Zahl der prognostizierten Fallpauschalen geteilt. Daraus ergibt sich die Höhe des Ausbildungszuschlages. In Schleswig-Holstein beträgt er aktuell 96,22 Euro pro Fall.
Zuschlag für angegliederte Schulen
Geld aus dem Ausbildungsfonds gibt es auch dann, wenn die Krankenhäuser nicht direkt selbst ausbilden, sondern staatlich anerkannte Schulen mit ihnen verbunden sind. Das bestätigte die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH) uns bei der Recherche.
Im Jahr 2017 belief sich deren Gesamtbudget auf knapp 59 Mio. Euro für 3.000 Auszubildende. Davon flossen fast 90 Prozent in die Ausbildung von Krankenpflegekräften – rein rechnerischen entfielen auf jeden Platz im Schnitt 1.472 Euro monatlich. Dieser Betrag soll die Schulkosten decken und enthält die sogenannte Ausbildungsmehrvergütung. Damit werden Aufwendungen ausgeglichen, die Betriebe haben, die ihre Azubis bezahlen. In einem bundeseinheitlich vorgegebenen Verfahren wird deren Arbeitsleistung ermittelt und gegen den Verdienst gerechnet. Die Differenz erhält der Ausbilder erstattet.
Die restlichen 6 Mio. Euro aus dem schleswig-holsteinischen Ausbildungsfonds verteilten sich auf 600 Ausbildungsplätze in den Gesundheitsfachberufen. Im Schnitt wurde jeder Platz mit monatlich 833 Euro finanziert. Da außer den künftigen Hebammen keiner aus dieser Gruppe eine Vergütung erhält, fällt die Mehrvergütung weg und der Betrag geringer aus als bei den Pflegekräften. Von der Förderung profitieren Schleswig-Holsteins einzige Ausbildungsstätte für Logopädie sowie vier der sieben Physiotherapieschulen im Land. Im Einzelnen sind das: Die Schule für Logopädie in Kiel, zu deren Trägern das Universitätsklinikum (UKSH) gehört; die AGS Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe GmbH in Itzehoe; die Therapieschule Nord am Klinikum Nordfriesland in Husum; die Johann Hermann Lubinus Schule am Lubinus Klinikum in Kiel und die Physiotherapieschule an der Helios Ostseeklinik Damp.
Ohne Schulgeld kein Auskommen
Alle fünf erheben zusätzlich von ihren Auszubildenden Schulgelder — zwischen 320 und 400 Euro monatlich im ersten Ausbildungsjahr. Dazu addieren sich Gebühren, z.B. für die Aufnahme an der Schule, die Anmeldung zur Prüfung oder die Ausgabe der Urkunde sowie Pflichtaufwendungen für Berufskleidung etc.. Schulen wie die Johann Hermann Lubinus Schule rechtfertigen das damit, dass die Pauschale aus dem Fonds nicht ausreiche, um die tatsächlichen Kosten zu decken.
Dem schließt sich Bernhard Ziegler, Krankenhausdirektor des Klinikums Itzehoe, an:
„Als Schulträger der Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe (AGS) können wir die Krankenkassen an unseren Ausbildungskosten beteiligen. Wir haben versucht, eine hundertprozentige Übernahme zu erreichen, was uns aber nicht gelungen ist. Wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen, halte ich diese Regelung nicht für angemessen.“
Die Physiotherapieschule in Damp bestätigt ebenfalls, Zuwendungen aus dem Ausbildungsfonds erhalten zu haben:
„Um die über viele Jahre anerkannte, hohe Ausbildungsqualität und die damit verbundenen Kosten für Organisation, Personal und Logistik sicherzustellen und künftig den hohen Ansprüchen gerecht zu werden, ist ein zusätzlich zu erhebendes Schulgeld notwendig“,
lautet deren offizielle Stellungnahme.
Auch die Ausbildung der Logopäden in Kiel kann nicht allein aus Mitteln der Krankenkassen bestritten werden, erfahren wir aus der Pressestelle des UKSH. Ein Drittel der anfallenden Kosten müsse das Institut für berufliche Fort- und Ausbildung (IBAF) übernehmen:
„Die angesprochenen Kosten, die über die Krankenkassenfinanzierung hinausgehen, entstehen in erster Linie aus: Hohen Vorgaben zu den Qualitätsstandards, die nicht komplett ausfinanziert sind. Die praktische Ausbildung findet zum Teil im Rahmen von Lehrtherapien in den Räumen der Schulen und unter Beteiligung durch Lehrpädagogen statt. Diese Lehrtherapien werden sehr eng begleitet und supervidiert und stellen einen qualitativ sehr starken Aspekt der Ausbildung dar.“
Kaum Spielraum für Veränderungen
Ob die Ausbildungsstätten für Therapeuten mit ihrem Budget aus dem Fonds kostendeckend arbeiten könnten, ist der KGSH nicht bekannt: „Die Kalkulation stellt eine Durchschnittsgröße dar“, gibt Patrick Reimund zu bedenken, „Die tatsächlichen Kosten der Kliniken können davon abweichen“. Welche sie anrechnen konnten und welche nicht, war Verhandlungssache. Jeder Schulträger machte das anfangs individuell mit den Krankenkassen aus. Angedacht war, über die Jahre bundesweit verbindliche Richtwerte für die Ausbildungskosten pro Beruf zu ermitteln. Doch dafür waren die Strukturen in den Ländern zu verschieden. Schleswig-Holstein beispielsweise besitzt keine staatliche Berufsfachschule für Therapeuten, Thüringen traditionell dagegen recht viele. Also schrieben die Vertragspartner ihre ursprünglich miteinander ausgehandelten Konditionen über die Jahre fort. Angepasst wurde sie nur an Lohn- und Preissteigerungen.
Erhebt ein ausbildendes Krankenhaus trotz öffentlicher Förderung Schulgeld, dann hat es Kosten, die über das Ausbildungsbudget nicht refinanziert werden. Welche könnten das sein? Personalkosten enthält das Kalkulationsschema, auch Kosten für die Praxisanleitung, für Lehr- und Arbeitsmaterialien sowie Lern- und Fachbücher. Ebenso soll der Fonds Gebühren für die Beratung der Schüler decken, deren Prüfungen und Abschluss.
Gesetzlich ausgenommen sind dagegen z.B. Kosten für Unterbringung, Kosten aus dem Erwerb von Grundstücken und Schulgebäuden, Kosten für wissenschaftliche Forschung und Lehre sowie allgemein alle Kosten für Leistungen, die nicht der stationären oder teilstationären Krankenhausversorgung dienen. Darunter fallen auch Maßnahmen zur Instandhaltung und Modernisierung von Gebäuden. Für sie muss jede der fünf geförderten Therapieschulen selbst aufkommen. Alle befinden sich in privater oder in kommunaler Trägerschaft. Bei der Logopädieschule z.B. sitzt über das IBAF die Diakonie mit drin. Notwendige Investitionen in die Schulen dürfen nicht über den Ausbildungsfonds finanziert werden. Dafür vergibt das Land Zuschüsse. Für 2017 stellt Schleswig-Holstein die Gesamtsumme von 244.000 Euro zur Verfügung.
Duales Ausbildungssystem
Der Ausbildungsfonds wurde 2005 erstmals eingerichtet. Aus ihm wird seither die Ausbildung für verschiedene Berufsgruppen an Krankenhäusern finanziert, zum Beispiel für angehende Gesundheits- oder Krankenpfleger. Keiner von denen zahlt Schulgeld. Vielmehr erhalten alle eine Ausbildungsvergütung, die mit Mitteln aus dem Ausbildungsfond refinanziert ist.
Nur angehende Therapeuten werden zur Kasse gebeten, und zwar gleich doppelt: 1.600 Pflichtstunden oder gut ein Drittel ihrer Ausbildungszeit sind Physiotherapeuten im Praxiseinsatz. Geld gibt es dafür nicht, im Gegenteil, in Schleswig-Holsteins Schulen zahlen sie drauf. Eine Ausbildungsvergütung für Physiotherapeuten sei auf Grund der geltenden Gesetzeslage nicht möglich, erfahren wir auf unsere Anfrage vom Pressesprecher des Gesundheitsministeriums in Kiel:
„Die Ausbildung in der Physiotherapie zählt — wie auch andere Ausbildungen (MTA, Ergotherapie etc.) — zu den Fachschulausbildungen und damit nicht in das duale Ausbildungssystem. Wenn — wie in der Krankenpflege — eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden soll, bedarf es dafür einer gesonderten rechtlichen Grundlage oder einer Umwandlung der Ausbildung in eine Ausbildung im dualen System. In beiden Fällen wären bundesgesetzliche Regelungen notwendig.“
Diese Ungleichbehandlung der Berufsgruppen in der Gesundheitsbranche hat der Gesetzgeber mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht vorgegeben. Sie ist aber Praxis, und zwar eine, die es dringend zu verändern gilt.
Nachbemerkung
Eine gekürzte Fassung dieses Beitrages erschien Anfang Dezember 2017 im Wirtschaftsmagazin up — unternehmen praxis. Er stützt sich auf Umfragen unter den Schulträgern durch up-Redakteurin Katrin Schwabe-Fleitmann aus dem Jahr 2016. Dazu kamen im Sommer 2017 eingehende Gespräche von up-Autorin Daniela Mett mit Ausbildern, Vertretern von Therapeuten-Verbänden sowie den Krankenhausgesellschaften Schleswig-Holsteins und Baden-Württembergs. Letzter Stand der Recherche ist der 15. Juli 2017. Wir veröffentlichen den Beitrag aus Anlaß eines durch die SPD-Fraktion eingereichten Antrages und haben dafür zuvor das Einverständnis des up-Herausgebers Ralf Buchner eingeholt.
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Ausbildungswunsch Therapeut? Fehlanzeige!
Die Zahl der Therapieschüler nimmt rasant ab. Als Grund werden die immensen Kosten für die Ausbildung genannt, die von angehenden Therapeuten selbst zu tragen sind. Doch das allein ist nicht der Grund. Die Branche steht vor einer neuen Entwicklungstufe: der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe. Stand: 17. Juli 2017.
Quellen
1) Finanzierung der Ausbildungsstätten (§ 17 a KHG) — Inklusive Kalkulationschema
2) Krankenhausfinanzierungsgesetz
3) Ausbildungsfonds der KGSH 2017 — Pressemitteilung vom 19.1.2017
4) Übersicht Physiotherapieschulen Schleswig-Holstein