Im November 2010 stürzte eine Offiziersanwärterin vom Mast der Gorch Fock. Bereits zwei Jahre zuvor war eine Kadettin beim Sturz in die aufgewühlte Nordsee ums Leben gekommen. Das Segelschulschiff der Marine bereitet Offiziere und Offiziersanwärter auf ihre Arbeit vor. Dazu gehört auch das klassische Segelhandwerk. Unter bisher unbekannten Umständen ist es zu den Unglücken gekommen. Seither schießen die Gerüchte rund um die Zustände auf dem Schiff ins Kraut. Der Kapitän wurde suspendiert.
“Ein Kommandant, eine Besatzung, ein Schiff.” Dieses Statement ziert ein Banner, welches von Mannschafts-Mitgliedern der Gorch Fock vor wenigen Tagen im Hafen von Ushuaia in die Kamera gehalten wurde. Das Foto ist “eine Solidaritätserklärung der gesamten Besatzung für den abgesetzten Kapitän Norbert Schatz.” So steht es unter dem Foto, auf der Webseite www.gorchfock.de. Der Kommandant Schatz wurde vom Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg abberufen, nur wenige Tage nachdem Guttenberg selbst zur Ruhe mahnte und zunächst die Umstände der Vorfälle auf dem Marineschulschiff prüfen lassen wollte. Für dieses Vorgehen erntet der Minister von vielen Seiten herbe Kritik. So hat auch Altbundeskanzler und ehemaliger Verteidigungsminister Helmut Schmidt das Vorgehen zu Guttenbergs mit den Worten [..] “Zu den Regeln gehört beispielsweise auch, dass über niemandem der Stab gebrochen wird, ehe er angehört wurde” (Zitat aus Interview der Zeit).
Der abberufene Kommandant Norbert Schatz ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt, während die Gorch Fock sich noch auf der Rückreise nach Kiel befindet. Schatz, der mit militärischen Ehren kurz vor dem Ablegen der Bark verabschiedet wurde, soll nach Medienberichten erwägen nun juristische Schritte gegen seine Suspendierung einzuleiten. Dies jedoch stimme nicht, so der Marineinspekteur Axel Schimpf, Schatz “prüft keine Klage”.
Nach dem Bekanntwerden der Vorfälle (Tod einer Offiziersanwärterin, Tod einer Kadettin, Meuterei, besondere Rituale) an Bord ist auch das Schulschiff selbst in die Kritik geraten. Eine Untersuchungskommision soll nun an Bord klären, was wirklich geschehen ist. Welche Folgen sich daraus ergeben werden, ist derzeit unklar. Wird das Segelschulschiff außer Betrieb gesetzt? Wird Kommandant Schatz rehabilitiert? Was wird aus der Stammbesatzung?
Ungewöhnlich war das Vorgehen zu Guttenbergs, der sich zunächst vor die Besatzung und ihren Kommandanten stellte, dann jedoch nur zwei Tage später die Suspendierung des Kapitäns bekannt gab. Man munkelt, dies sei geschehen, da sich der Verteidigungsminister durch die Schlagzeilen einer großen deutschen Boulevardzeitung unter Zugzwang gesetzt sah. An sich hätte auch hier der Grundsatz “in dubio pro reo” (Im Zweifel für den Angeklagten) gelten müssen, zumal der Kapitän bisher noch gar nicht angeklagt wurde. Ungewöhnlich waren auch die Reaktionen einige Politiker und Parteien. Die Linke stechen hier mit ihrer Forderung, “das Schiff solle als Segelschulschiff der Marine ausgemustert werden, es soll dann einer breiten Öffentlichkeit als Schulschiff bereit gestellt werden” aus der Masse heraus.
Letztlich haben sich kurz nach der Absetzung des Kommandanten die Mitglieder der Stammbesatzung in einem offenen Brief zu Wort gemeldet, in welchem sie dem Kommandanten Schatz weiterhin den Rücken stärken und sich zu den genannten Vorfällen erklären.
Die Gorch Fock lief 1958 vom Stapel und wurde seitdem als Segelschulschiff im Heimathafen Kiel der Marineschule Mürwik (in Flensburg) unterstellt. Das Schiff dient nicht nur zur Ausbildung junger Kadetten, sondern ist auch sei jeher Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland. Doch die Bark ist noch weit mehr. So halten viele Schleswig-Holsteiner große Stücke auf “ihr” Schiff und für Kiel ist es zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Keine Kieler Woche ohne die Gorch Fock.
Verweise:
- Hamburger Abendblatt: Offiziersanwärterin stirbt nach Unfall auf der Gorch Fock
- Guttenberg setzt „Gorch Fock”-Kapitän ab
- private Wbseite der Gorch Fock
- Wikipedia zur Gorch Fock in der Wikipedia
- Marineschule Mürwik
- Kieler Woche
Als ich diesen Spruch las “Ein Kommandant, eine Besatzung, ein Schiff” wurde mir ganz übel. Weil es erst mal nur nach Unterdrückung von Fakten roch — spriuch wir halten zusammen — egal was passiert ist.
Danach dämmerte es mir, das ich einen ähnlich Dreiklang schon mal irgendwo gehört habe: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/20011300/index.html
„Ein Volk — ein Reich — ein Führer!” Die Ähnlichkeit besteht primär darin, dass drei Teile genannt und zusammengebunden werden: 1. Ein Ort (Schiff, Reich) , 2. Eine Gruppe (Volk, Besatzung) und 3. Die Führungsfigur (Führer, Kommandant)
Vielleicht neige ich ja auch dazu, manche Dinge kritisch zu sehen, aber entweder ist das ein direkter Bezug oder ein sehr sehr weitgehender unglücklicher und zufälliger Bezug. Zufällig kann aber nicht wirklich sein, da das selbe linguistische Werkzeug angewandt wird.
Im besten Falle ist das geschichtslos und deutet auf eine bedenkliche Verinnerlichung des Führerprinzips in der Bundeswehr hin. Für mich ist das Transparent allene Grund, die Gorch Fock sofort audzulesen als demokratiefeinliche Institution. Hier tauchen weder die Opfer noch demokratische Institutionen auf. Offenbar spielt das für die Kerls gar keine Rolle.
Wenn Du den Spruch so umsortierst, gibt es die Ähnlichkeit schon. Nun stand da aber nicht „Ein Schiff, eine Besatzung, ein Kommandant” sondern „Ein Kommandant, eine Besatzung, ein Schiff”. Vielleicht war den Leuten bewusst, dass es sonst nach dem Spruch klingen könnte, den Du zitiert hast.
Trikola sind eine einfache rhetorische Figur, die Du überall findest von „Veni, vidi, vici” bis „quadratisch, praktisch, gut”.
Nur das hier eben genau die Einheit der Besatzung beschworen wird. Auch inhaltlich gibt es eine Deckungsgleichheit. Ein „Bundeswehr ist Neuzeit und kann nicht sein” lehne ich als Argument ab. Die inhaltliche Aussage ist doch übersetzt: Von euch Demokraten, lassen wir uns nichts erzählen, auf unserem Schiff sind Besatzung, Schiff und Kommandant eine Einheit. Man achte insbesondere darauf dass bewusst ein allgemeingültiger Spruch gewählt wurde und bewusst darauf verzichtet wurde sich konkret auf DIESEN Kommandaten zu beziehen. D.h. dieser Spruch gilt, egal was passiert! Und eben das ist fundamental undemokratisch und eben der Bezug zu vergangenen Zeiten.
Im ersten Kommentar gleich Godwins Law erwischt. Respekt!
Auf den Punkt, Oli! Schade, daß man Kommentare nicht liken kann :)
Du hast Godwins Law nicht verstanden. Der besagt nämlich nicht, dass es grundsätzlich keine Parallelitäten zur deutschen Vergangenheit geben kann. Das wäre der umgekehrte Godwins Law. So ungefähr: „Jeder Bezug von der Gegenwart zur deutschen Geschichte ist aus Prinzip falsch.” Ich wette Du nwarst bei der Bundeswehr?
Du hast verloren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Klimax_(Sprache)
Man muss nur schauen, von wem der Kommentar kommt und man weiß Bescheid…
Sein Artikel dazu gibt einem den Rest.
Im Gegensatz zu Dir, der Du Dich anonymisierst. Warum sollte man einen anonymen Kommentar ernst nehmen, insbesondere bei einem argumentum ad hominem?
Zum letzten Satz: Das hätten die Kieler gern. Ich meine mich aber zu erinnern, dass es bereits mehrere Kieler Wochen ohne die Anwesenheit der Gorch Fock gegeben hat. Gefühlt hast Du natürlich Recht, Mathias. :-)
Schon spannend! Ich hatte nicht erwartet, dass ein simples Statement gleich in Verbindung mit Gedankengut der ein oder anderen politischen Gesinnung gebracht wird, fürchte aber, dass man damit wohl leben muss.
Man könnte jetzt noch einmal anregen, den offenen Brief der Besatzung zu lesen, der meiner Meinung nach eben nicht auf ein solche Gesinnung schließen lässt, aber das könnte wiederum zu weiteren Verwirrungen führen.
Was genau auf dem Schiff vorgefallen ist und welche Rituale es an Bord gibt, darüber können wir nur spekulieren. Ganz offensichtlich passiert dies auch in Presse und Öffentlichkeit, denn sonst gäbe es nicht so viele Gerüchte.
Zu hoffen bleibt, dass die einzelnen Vorfälle offen und rückhaltlos aufgeklärt werden und dass dann am Ende objektiv entschieden wird, wie mit der Bark und der Ausbildung der Marinesoldaten weiter verfahren wird.
Hier im Landesblog wünsche ich mir eine ressentiment-freie Diskussion zum Thema.
Naja schauen wir uns doch mal an, was eine Armee ist: Eine Organisation, die auf Hierarchie und absoluten Gehorsam setzt. Es gab bereits unzählige Zwischenfälle. Ich erinnere da an das „Motherfucker”-Video: http://www.youtube.com/watch?v=hcoGjK7cx6k . Wir können jetzt natürlich sagen, dass es sich immer nur um Einzelfälle handelt. Aber ich würde behaupten, dass sich diese Fälle sowohl aus der Tradition als auch aus der Struktur ableiten. Wenn jede 20. Frau in der Bundeswehr vergewaltigt wird, dann ist das kein Zufall. In der Bundeswehr wird halt vieles hingenommen, weil es dort als normal gilt. In dem Offenen Brief schreibt die Sammbesatzung „Zu keiner Zeit wurde hier an Bord ein Soldat von einem anderen angefasst oder gar sexuell belästigt!” Dies festzustellen ist aber ihnen gar nicht möglich. Wenn so etwas geäußert wurde, dann gibt es eben Soldaten oder Sodatinnen, die das gehört oder erlebt haben. Hier spricht der gleiche Geist: Wir halten zusammen, es ist nichts passiert,… . So kann es aber nicht laufen. Das ist Korpsgeist http://de.wikipedia.org/wiki/Korpsgeist , der mit Demokratie unvereinbar ist.
Also obwohl meine Geschichte-Abi-Prüfung sich exakt um die wohl schlimmste deutsche Ära drehte, fiel mir als Assoziation zunächst einmal der Spruch Ein Auto. Ein Computer. Ein Mann. ein… ;-)
Nicht jeder ist halt paranoid…
Na dann leg mal los: Was bedeutet denn der Spruch? Wenn andere Interpretationen möglich sind, würden die mich ja interessieren. Es geht also nicht darum die Einheit aus Kommandatn, Schiff und Besatzung in den Vordergrund zu stellen. Sondern?
Natürlich soll der Spruch sagen, dass die Crew zu ihrem Kapitän steht. So wie jedes gute Team zu seinem Chef steht. Das heißt ja nicht, dass der Chef unfehlbar ist. Und es heißt schon gar nicht, dass die Crew einer Ideologie folgt, die die Unterwerfung der freien Welt und die Ausrottung der Juden zum Ziel hat.
Und soweit ich weiß gibt es bei der Bundeswehr auch Probleme, grundsätzlich setzt sie aber nicht auf „absoluten Gehorsam”, sondern folgt dem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform”.
http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsb%C3%BCrger_in_Uniform
Sorry, aber ich habe nix von dem unterstellt, was Du behauptest. Ich habe vorgeworfen, dass dieser Spruch die Einheit aus Schiff, Kommandanten und Besatzung beschwert — und damit das einzelne Besatzungsmitglied nur als Dreiklang zuläßt. Da schreibt dann wie oben schon von mir zitiert die Stammbesatzung im offenen Brief, dass keine sexuelle Belästigung stattgefunden habe. Damit wird die Erfahrung einzelner Soldatinnen abgewertet, ganz im Sinne der Einheit des Dreiklangs. So wird dann Missbrauch im Rahmen des Korpsgeistes gedeckelt, statt aufgedeckt. Gerade dieser Geist öffnet dann aber Tür und Tor für weitere Missbräuche. Damit ist die Gorch Fock sicher nicht singulär, gerade beim Militär ist sowas oft der Fall, siehe auch die von mir zitierte Untersuchung.
Ich muss und will nicht loslegen. Warum auch? Streng Dich doch selbst ein bisschen an. Vielleicht kommst sogar Du ganz allein von selbst drauf. Und wenn nicht, werd einfach glücklich mit Deiner Weltsicht…