Die zweithäufigste Unfallursache auf Autobahnen ist laut dem Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011 „Sonstiges“. Solche Statistiken braucht kein Mensch.
Polizisten tragen eine Waffe, fahren mit Blaulicht schnell durch die Stadt und nehmen am Ende einer wilden Verfolgungsjagd handschellenklickend den Verbrecher fest. Oder so ähnlich.
Dass das nicht stimmt, wissen wir, seitdem wir nicht mehr an den Weihnachtsmann und die Realitätsnähe auch nur irgendeiner Tatort-Folge glauben. Die Polizeiliche Kriminalstatistik belegt es: Es gibt ungefähr 6.500 Polizisten in Schleswig-Holstein – von denen natürlich längst nicht alle „auf der Straße“ unterwegs sind. 2010 gab es hier im Lande 78.954 Tatverdächtige – von denen natürlich nur die wenigsten festgenommen werden und eigentlich so gut wie überhaupt niemand nach wilden Verfolgungsfahrten. Aber selbst wenn es so wäre, dann kämen auf jeden Polizisten mal gerade alle drei, vier Wochen eine Festnahme.
Polizisten machen also andere Dinge. Zum Beispiel: Formulare für Statistiken ausfüllen. Auch für die Verkehrsunfallstatistik, die Minister Klaus Schlie heute (27. Februar) vorstellte. Damit das Ausfüllen der Vordrucke möglichst reibungslos klappt und die vielen Statistiken ordentlich gefüllt werden, gibt es die Richtlinie für die Aufnahme und Bearbeitung von Straßenverkehrsunfällen, die zum Beispiel erklärt, welche Unfalltypen es gibt.
Und gleich ahnt man, warum der Polizistenberuf heute so schwierig ist: Zurück am Schreibtisch wird gegrübelt: „Handelte es sich um den Typ 4 Überschreiten-Unfall US: von links kommender Fußgänger auf rechts abknickender Vorfahrt, muss also die Ziffer 483 in den Vordruck eingetragen werden? Ach ne, da ist ja eine Lichtzeichenregelung, dann ist es doch der Unfalltyp 2 Abbiege-Unfall AB, also die 284 ankreuzen“.
Ich kann mir gut vorstellen, dass selbst der Geduldigste irgendwann einfach nur noch „Sonstiges“ angekreuzt. Und so kommt es dann wohl, dass im Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011 auf Seite 30 als zweithäufigste Unfallursache auf Bundesautobahnen, gleich nach der Geschwindigkeit (36 Prozent) „Sonstige“ (24 Prozent) steht:
Ich glaube, so etwas muss niemand wissen, das macht keinen schlauer. Abe vielleicht baute es ein paar der Überstunden der Polizei ab, wenn die Ankreuzeritis abnähme.
Wenn sich hinter „Sonstiges” solche komischen Sonderfälle verbergen, dann ist es doch okay, dass das nicht genauer aufgeschlüsselt wird. Gegen Geschwindigkeit kann jeder selbst oder die Polizei oder das Land etwas machen. Genau wie gegen Alkohol, gegen Übermüdung usw. Nicht aber gegen das allgemeine Risiko der Teilnahme am Straßenverkehr. IIRC wird diese allgemeine Mitschuld doch auch immer mit 1/4 angesetzt.
Komische Sonderfälle, die offensichtlich stets unter 5 Prozent liegen und sich in der Summe auf 24 Prozent summieren, legen nahe, dass die Abfrage, die der Statistik zugrunde liegt, nicht stimmt.
Dass die Polizei was gegen Übermüdung machen kann, stimmt mich hoffnungsvoll. Aber bitte keine Kontrollen in Zügen ooder Büros.
@Steffen: Deine „Viertelmitschuld” ist imho ein klarer Fall für hoaxbusters :D
Ich glaube, Du hast mir das mal erzählt. ;-)
Bei Unfällen gibt Meßwerte, die sich leicht objektiv feststellen lassen — Alter, Geschlecht, Fahrzeugart etc. Die Unfallursache gehört nicht dazu. Daher kann sie grundsätzlich nicht Bestandteil eines derartigen Berichtes sein.
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