Der sogenannte Bund der Steuerzahler hat heute in einer Presseerklärung seine Forderung erneuert, den Landtag auf 51 Abgeordnete zu verringern. Er bittet die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins, sich diesem Anliegen per E-Mail oder Unterschrift anzuschließen.
Er begründet seiner Forderung mit dem schon bekannten Vergleich der Anzahl der Bürger, die ein Abgeordneter der Parlamente in Bayern, Baden-Württemberg oder Niedersachsen vertritt, mit der entsprechenden Zahl in Schleswig-Holstein. In Bayern repräsentiert ein Abgeordneter 67.000 Bürger, in Baden-Württemberg 77.000, in Nordrhein-Westfalen gar nur 99.000. Säßen im Schleswig-Holsteinischen Landtag lediglich 51 Volksvertreter, repräsentierte ein Abgeordneter immerhin nur 55.000 Bürgerinnen und Bürger.
Darüber hinaus errechnet der selbsternannte Schutzverein der Steuerzahler die Kosten, die das Schleswig-Holsteinische Parlament je Bürger ausmacht und beklagt den etwa im Vergleich zu Baden-Württemberg fast doppelt so hohen Betrag.
Die Forderung des Vereins ist sicherlich populär. Gäbe es eine Blöd-Zeitung für Schleswig-Holstein, wäre die morgige Schlagzeile gesetzt.
Die Argumentation des Vereins überzeugt mich nicht. Sachlich macht er den Fehler, deutlich größere Parlamente mit dem Schleswig-Holsteinischen zu vergleichen. Wer an vollständigen Vergleichszahlen interessiert ist, den empfehle ich die Lektüre meines Artikels Welche Kleidergröße hat der Landtag, in dem ich zunächst die Länder untereinander verglichen habe und dann Maßstäbe für oder gegen eine bestimmte Größe gesucht habe. Der Vergleich hätte mit in etwa gleichgroßen Ländern erfolgen müssen. Das hätte aber sicher nicht in das Konzept gepasst, eine Verringerung des Landtages herbeireden zu wollen.
Gleichwohl sollte die Abgeordneten auch solche unpolitisch daherkommenden Initiativen sehr ernst nehmen. Sie sollten die Parlamentarier in Kiel nachhaltig ermahnen, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der überzeugend belegt, dass die derzeitige gesetzliche Anzahl von 69 Abgeordneten auch der wahrscheinlichen tatsächlichen Zahl (also nach etwaigen Überhangs- und Ausgleichsmandaten) entspricht. Alles andere könnte der breiten Mehrheiten der Bevölkerung nicht erklärt werden. Und das ist wichtig. Denn in einem Punkt ist die Forderung richtig: Nur wer selbst mit gutem Beispiel vorangeht kann erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst bereit sind, Einschnitte zu akzeptieren.
Ich finde es sehr ärgerlich, dass sich die Debatte über die Größe des Landtages in erster Linie um die Kosten dreht. Das kommt davon, wenn man den Erbsenzählern wie dem Steuerzahlerbund und den kleinen Parteien, die ihr eigenes Süppchen kochen, das Feld überlässt. Wann treten denn Vertreter der großen Parteien auf die Rampe und machen sich stark für überschaubar große Wahlkreise? Blutarm, ohne Feuer wird die Debatte geführt — schade. Wenn schon die Volksparteien und ihre gewählten Abgeordneten keine Lust haben dafür zu werben, hätte man vielleicht eine Enquete-Kommission einrichten sollen. Die könnte dann wenigstens eine vermittelbare Begründung für ihre Vorschläge liefern und könnte nicht von vornherein verunglimpft werden, nur eigene Interessen zu vertreten …
Soll eine fixe Zahl von Abgeordneten das Ziel sein? Dann sollten wir vielleicht aus Verhältnisausgleich oder Direktmandate verzichten und entsprechend Mehrheitswahlrecht oder reine Landeslistenwahl einführen.
Meines Erachtes ist das jetzige System der Mischung beider Prinzipien gut und richtig. Es hat in der Tat den Nachteil, daß dadurch die Zahl der Parlamentarier schwankt und — insb. seitdem es mehr Parteien mit nivellierteren (Wahlkreis)ergebnissen gibt — potentiell mehr Überhang- und Ausgleichsbedarf entsteht.
Ich glaube auch nicht, daß sich so etwas „nicht vermitteln“ ließe. Eher glaube ich, daß Denk- und Argumentationsfaulheit die Überhand gewonnen haben.
Ansonsten möchte ich noch anmerken, warum vom „sogenannten“ Bund der Steuerzahler gesprochen wird. Dann sollten wir bitte dazu übergehen, auch nur noch von sogenannter SPD oder sogenannter Friedensinitiative zu sprechen…
Wessen Interessen vertritt der Bund der Steuerzahler
http://www.nachdenkseiten.de/?p=8073
Vielleicht wäre der Name „Bund priviligierter Steuerzahler” ehrlicher ;-)
@Jörg Hamer: Einer Enquetekommission kann ich auch viel abgewinnen. Allerdings sollte diese einem neuen Landtag vorbehalten bleiben. Der jetzige Landtag wird kaum in der Lage sein, einen parteienübergreifenden Konsens zu finden, der einen breiten gesellschaftlichen Konsens widerspiegelt. Der jetzige Landtag sollte sich darauf beschränken ein, das Wahlrecht an die Verfassung anzupassen.
@Malte Das jetzige Wahlrecht mit seinen 40 Wahlkreisen (das ergibt einen fast 60 prozentigen Anteil der Direktmandaten an der (theoretischen) Gesamtzahl 69) ist — neben der breiter aufgestellten Parteienlandschaft in Deutschland — der Grund für die überproportionale Abweichung. Ein bessere Verhältnis (wenigstens 50:50, besser: 40:60) minimierte die zu erwartende Abweichung. Ein fixe Parlamentsgröße halte ich hingegen für überreguliert.
Zu dem sogenannten BdSt. Der Verein hat kein Mandat, Steuerzahler zu vertreten. Und wenn er das hätte, dann ergebe sich daraus nicht zwingende eine Kompetenz, die Verwendung von Steuermitteln beurteilen zu können. Seine Stellungnahmen sind regelmäßig allenfalls populistisch und eigentlich nie mit guten, stichhaltigen Argumenten versehen.