Die Aufgabe einere Datenschutzbehörde ist es nicht, eine politische Kampagne zu fahren. Auch wenn es um mehr Datenschutz geht. Das hier ist aber eine rein politische Kampagne — nicht mehr und nicht weniger. Und keine Angst: Mehr wird das auch nicht.
Thilo Weichert wollte Facebook zwingen, sich endlich mal zu melden. Facebook sollte sich dazu zu bekennen, dass es wahrnimmt, dass es Datenschutz-Gesetze in Europa gibt und dass es da unter Umständen Probleme geben könnte. Man könne ja mal darüber reden. Das hat er erreicht.
Und ich glaube, niemand anderes hätte das so erreichen können. Ministerin Aigner hat es mit Worten probiert und mit Symbolik und das hat nicht geklappt. Ich weiß nicht, ob ein Justizministerium in der Lage ist, wie die ULD, einfach die Facebook Nutzer als Geisel zu nehmen, um politisch etwas zu bewirken. Für eine Wiederwahl eignet sich das nicht — auch wenn es das Richtige wäre.
Weichert wollte auch, dass sich die Politik dann damit auseinandersetzt. Das scheint auch langsam loszu gehen. Und Weichert wollte die Öffentlichkeit sensibilisieren. Und ich finde, dass die Diskussionen nach der Aktion wesentlich differenzierter sind, als die Polemik, die vorher gegenüber Widget-Skeptikern herrschte.
Manche werfen Weichert einen Hang zu Publicity-Stunts vor. Das ULD finanziert sich zum Teil über das kostenpflichtige Angebot von Datenschutzsiegeln und will diesen Anteil laut aktuellem Konzept noch ausbauen. Wer kann es Weichert verübeln, wenn er Reklame für die eigenen Angebote macht. Wo sich der Staat zurückzieht, greifen die Regeln des Marktes. Eine ist: Klappern gehört zum Handwerk.
Lieber Steffen,
seit wann ist das ULD ein Marktteilnehmer oder politischer Diskutant? Das ULD ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes Schleswig-Holstein. Ungeachtet einer Wertung der aktuellen Debatte hat der Gesetzgeber(!) dieser Anstalt einen Auftrag gegeben.
Auch die jetzige Debatte um Facebook findet seitens des ULD auf Grundlage der vom Gesetzgeber formulierten Regelungen statt. Man darf jetzt nicht so tun, als ob Thilo Weichert mal einfach was aus Werbegründen in der eigenen Sache macht.
Politisch ist höchstens die Entscheidung, eine Verantwortlichkeit auch auf die Nutzer von Facebook auszudehnen. Dies ist im Kern eigentlich nicht zu beanstanden, dies gilt selbstverständlich auch in vielen anderen Lebensbereichen. Wir fragen uns doch nur, ob dies hier in Ordnung ist, weil wir a) uns selbst alle in der Vernetzung wohlfühlen und b) ein ungutes Gefühl besteht, Personen zur Verantwortung zu ziehen, die keinen direkten Einfluß auf die Rechtsgutverletzung haben. Dazu kommt ein diffuses Gefühl, dass die Rechtsordnung nicht genau die Wirklichkeit der vernetzten Menschen widerspiegelt.
Vielleicht ist die Auslegung des TMG seitens des ULD rechtlich zu eng durchgeführt worden, dies muss ggf. gerichtlich geklärt werden. Aber ich kann auch nicht sagen, dass diese herbeiargumentiert wurde. Menschen, Firmen usw. nutzen Facebook als Webseitenersatz, warum sollten dann nicht auch dieselben Regeln gelten?
Ansonsten freue ich mich mal wieder auf ein Bier :)
Grüße
Thomas
Dein Kommentar geht an meinem Punkt vorbei: Ob die Auslegung des TMG seitens des ULD rechtlich zu eng durchgeführt wurde ist total egal. Denn:
1. Facebook hat sich bewegt
2. Die Debatte läuft
Und die Entscheidung, eine Verantwortlichkeit auch auf die Nutzer von Facebook auszudehnen, war nur Mittel zum Zweck.
Formell ist die ULD Anstalt öffentlichen-rechts. Praktisch — das steht im eigenen Konzept — sieht sie sich schrumpfenden Mitteln gegenüber. Die Grundfunktion jedes Systems ist der Selbsterhalt. Also sucht die ULD nach alternativen Geldquellen. Das passiert doch überall. Wirtschaft kann halt alles besser. Wirtschaft funktioniert aber nach anderen Regeln. Und die wirken dann auch anders.
Aber letztlich ist es so, dass der Datenschützer den Auftrag bekommen hat, Daten zu schützen. Und ganz ehrlich: Die diese Aktion hat er das besser gemacht als durch 1000 Audits.
ich habe Deinen Text zuerst anders verstanden. Daher ziehe ich meinen Einwurf in der Konfrontation gerne zurück! :)
Hallo Steffen Voß,
nein, Facebook hat sich überhaupt gar nicht bewegt.
Ich habe das was bislang passiert ist analysiert und diese Analyse hier notiert:
http://marokiblog.wordpress.com/2011/09/10/die-facebook-bewegung/
Diese Behauptung ist, wie im Grunde die gesamte obige Einschätzung bzgl. der Beweggründe von Thilo Weichert und des ULD, komplett an der Sache vorbei. Es besteht ein gesetzlicher Auftrag, der schlicht Ernst genommen wird. Mit großer politischer Wirkung, natürlich. Und dass sämtliche Parteien sich am bestehenden Gesetz desinteressiert zeigen, ist ein gigantisch beunruhiges Alarmzeichen. Nicht für das Gesetz, nicht für das Anliegen des Datenschutzes, sondern für eine massenhafte Verführung von Lemmingen, die sich gegenseitig in ihrem Tun bestätigen. Es kann später mal keiner sagen, er hätte es ja nicht gewusst.
Besten Gruß
Martin