Die Hamburger Grünen, GAL, haben heute (28. November 2010) auf einer Pressekonferenz angekündigt, dass sie die Koalition mit der CDU beenden werden.
In den Begründungen überwogen eher weiche Faktoren. Jens Kerstan, Vorsitzender der GAL-Bürgerschaftsfraktion, sah „auch durch die zahlreichen personellen Wechsel im Senat” keine innere Stabilität mehr gewährleistet. Für die Landesvorsitzende der GAL, Katharina Fegebank, war „der gemeinsame Geist und die große Verlässlichkeit, die diese Koalition bis zum Sommer getragen haben” verflogen. Die Bildungssenatorin und 2. Bürgermeisterin Christa Goetsch (GAL) sprach von „Missmanagement” in der Hamburger Regierung. Der Hamburger Bürgermeister Ahlhaus (CDU), der erst vor wenigen Monaten die Nachfolge von Ole von Beust angetreten hatte, zeigte sich „überrascht und enttäuscht”.
Der Sparkurs, den Ahlhaus eingeleitet hatte, spielte in den offiziellen Verlautbarungen ebensowenig eine Rolle wie die insbesondere bei der GAL umstrittenen Projekte des Neubau des Kohlekraftwerks Moorburg oder der Elbvertiefung. Auch der im Sommer gescheiterte Volksentscheid für die in Hamburg geplante Schulreform wurde nicht erwähnt.
Die Parteibasis der GAL soll am 13. Dezember entscheiden. Stimmt sie — woran niemand zweifelt — zu, stehen vorgezogene Neuwahlen der Bürgerschaft an. Regulär wäre in Hamburg im Januar oder Februar 2012 gewählt worden. Die nächste Sitzung der Hamburger Bürgerschaft ist am 15. Dezember 2010. Sollte sich auf dieser Sitzung eine absolute Mehrheit für Neuwahlen finden, würden spätestens am 20. Februar 2011 Neuwahlen in der Elbmetropole stattfinden.
Das Jahr 2011 wird damit langsam zu einen Superwahljahr: In Sachsen-Anhalt (20. März), Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz (beide am 27. März), Bremen (22. Mai), Mecklenburg-Vorpommern (4. September) und Berlin (18. September) stehen Landtagswahlen an. Darüber hinaus werden in Hessen (27. März) und Niedersachsen (11. September) neue kommunale Parlamente gewählt.
Die von Oppositionspolitikern in der Kieler Landespolitik immer wieder erwogene Option eines gemeinsamen Wahltermins in Schleswig-Holstein und Hamburg in den ersten Monaten des Jahres 2012 ist damit obsolet. Andererseits liegt es nahe zu vermuten, dass das Ergebnis der vorgezogenen Wahlen viele Wähler im Hamburger Rand beeinflussen wird. Das macht die Wahl in Hamburg für Schleswig-Holsteins Politiker spannend.
Schon kurz nach der mittäglichen Pressekonferenz der Hamburger GAL begrüßte der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, Ralf Stegner, den aus seiner Sicht ebenso richtigen wie „sehr späten” Schritt der GAL. Gewohnt selbstbewusst sieht er die Neuwahlen in einer Linie mit den Neuwahlen in Schleswig-Holstein: „Gemeinsam werden wir für einen politischen Neuanfang im Norden kämpfen — erst in Hamburg und dann in Schleswig-Holstein.” Er sieht nicht nur das „schwarz-grüne Vorzeigeprojekt” in Hamburg als gescheitert an: auch schwarz-gelbe Bündnisse hätten „nirgendwo in Deutschland eine Mehrheit”.
Christian von Boetticher, designierter Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, sah in Hamburg „fadenscheiniges” taktisches Kalkül der Grünen am Werke: Die Art und Weise der Aufkündigung sei „in Form und Stil unanständig”. Seiner Meinung nach sind die aktuellen bundesweiten Umfragewerte der Grünen der „einzig nachvollziehbarer Grund”. Die Grünen hätten „offenbar die Bodenhaftung” verloren. Der Christdemokrat zeigte sich überzeugt, dass die Menschen in Hamburg die „verlässliche Bildungs- und Infrastrukturpolitik unter Führung der CDU” bevorzugen werden.
Die Linke im Kieler Landtag sieht „das Ende des grünen Höhenfluges der letzten Wochen” nahen. Heinz-Werner Jezewski, Fraktionsvorsitzender der Linken im Landtag, vermutet ebenfalls taktischen Kalkül der Grünen: Deren Parteispitze ziehe „die Notbremse, um noch ein bisschen im Umfragehimmel bleiben zu können”. Wegen der von ihm gesehenen „Übernahme neoliberaler Kürzungskonzepte und die Aufgabe ökologischer Positionen” würden die Grünen nun aber die „Folgen ihrer Umfaller-Politik” zu spüren bekommen.
Eka von Kalben, Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, scheint erleichtert. Für sie ist das Ende der Koalition „konsequent und zeigt, dass Grüne nicht an der Macht kleben”. Die Grünen in Schleswig-Holstein setzen auf „einen Kurs der Eigenständigkeit”, gehen aber deutlich auf Distanz zur CDU, deren Beschlüsse über „unsinnige Laufzeitenverlängerungen” für grüne Politiker nicht gerade „der Traum unser schlaflosen Nächte” seien. Beim Wahltermin in Schleswig-Holstein drückt sie weiterhin aufs Tempo. Sie wünscht sich einen „Neustart im Norden im Jahr 2011 für Hamburg und Schleswig-Holstein”.
Die Hamburger FDP, in der Hamburger Bürgerschaft nicht vertreten und so außerparlamentarische Kritikerin des Senats, hat CDU und Grünen regelmäßig Konzeptionslosigkeit und Versagen vorgeworfen, zuletzt dem jüngst zurückgetretenen CDU-Senator Frigge. Die Bundes-FDP sprach wie die CDU von Machttaktik und sieht gleichwohl ihre Stunde in einem „Senat der Mitte” gekommen. Die Kieler Liberalen waren, ganz ungewohnt, bis heute 18.00 Uhr sprachlos.