Eine Sternschnuppenstunde des Parlaments

Von | 25. Februar 2011

Der Landtag debat­tiert über „poli­ti­sche Führung“

Sternschnuppen sind Meteore, die beim Eintritt in die Erdatmosphäre zu hei­ßem Dampf ver­glü­hen. Viel hei­ßer Dampf wur­de in der Landtagssitzung am Donnerstag pro­du­ziert, als über einen SPD-Antrag zum Thema „poli­ti­sche Führung und die Wahrnehmung schles­wig-hol­stei­ni­scher Interessen“ debat­tiert wur­de. Es soll­te eine „Generaldebatte“ wer­den, und es hät­te eine Glanzstunde des Parlaments wer­den kön­nen. Hätte. Wurde es aber nicht.

Stattdessen das zu erwar­ten­de mit-dem-Finger-auf-die-ande­ren-zei­gen: „Klamauk“, „Sprechblasen“; „Agonie“; „Armutszeugnis“; „Lachnummer“; „Witzfigur“; „Regierungsmurks“; „Totalausfall“; „gro­tesk“; „über­heb­lich“; „igno­rant“; „pein­lich“; „jäm­mer­lich“; „popu­lis­tisch“; „kon­fus“; „chao­tisch“; „will­kür­lich“; „erbärm­lich“. Ja, unse­re Abgeordneten haben ihren Sartre gründ­lich gele­sen: Die Hölle, das sind die ande­ren.

Zum Auftakt hol­te Ralf Stegner zum ver­ba­len Rundumschlag gegen Politik und Personal der Regierung aus, kam dabei vom Hölzchen aufs Stöckchen und blieb den Nachweis schul­dig, war­um es hier und heu­te die­se Debatte brauch­te. Ihm ant­wor­te­te Christian von Boetticher, der wenig mehr anzu­bie­ten hat­te als Schwarz-Weiß-Malerei (frü­her = SPD = alles schlecht; heu­te = CDU/​FDP = alles pri­ma). Wolfgang Kubicki (wie stets mit einer Extraportion Häme für Ralf Stegner) und die Linke-Fraktion per­p­etu­ier­ten ledig­lich die vor­ge­stanz­ten Deutungsmuster.

Die Regierung – hier wäre der Ministerpräsident gefragt gewe­sen – ver­zich­te­te gleich ganz auf die ihr zuste­hen­de Redezeit; man woll­te wohl signa­li­sie­ren, für wie über­flüs­sig man die gan­ze Debatte hielt, mach­te es damit der Opposition aber all­zu leicht, den Vorwurf der poli­ti­schen Führungslosigkeit ad hoc bestä­tigt zu fin­den; zumal die­ses Verhalten wie­der ein­mal den Eindruck nähr­te, der Ministerpräsident befin­de sich seit Verabschiedung des Haushaltes im poli­ti­schen Vorruhestand.

Lediglich der grü­ne Fraktionschef Robert Habeck und sein SSW-Pendant Anke Spoorendonk ver­such­ten, sich dem Thema „poli­ti­sche Führung” nicht allein aus der Frosch-, son­dern auch aus der Vogelperspektive zu nähern. Habeck kon­sta­tier­te einen all­ge­mei­nen Vertrauensverlust gegen­über Politik und Parteien und such­te nach Gründen dafür (feh­len­de Idee von einer Gesellschaft, in der wir leben wol­len; Vorgaukeln von poli­ti­schen Entscheidungen als alter­na­tiv­los; Angst, alte Zöpfe abzu­schnei­den; feh­len­de poli­ti­sche Kultur, in der Fehler gemacht und ein­ge­stan­den wen­den kön­nen). Spoorendonk kri­ti­sier­te die Personenbezogenheit der Debatte und die Verengung der Regierungspolitik auf Haushaltskonsolidierung, ver­wei­ger­te sich im Übrigen aber weit­ge­hend dem Oppositionsbeißreflex und nahm lie­ber die offen­kun­di­ge Folgenlosigkeit des SPD-Antrags aufs Korn.

Kubicki schob dann statt der Schriftfassung sei­ner Rede lie­ber noch eine Presseerklärung mit der Story von den jun­gen FDP-MdLs nach, die nach dem Prinzip „jede SPD-Phrase ein Treffer“ im Landtagsplenum „Stegner-Bingo“ spie­len. Nun ist es zwar eine lus­ti­ge Sache, wenn Volksvertreter Bingo spie­len. Es zeigt aber auch den Unernst, der hier am Werke ist, und der reprä­sen­ta­tiv für die gan­ze Debatte steht: Wenn sich die Parlamentarier nicht mehr gegen­sei­tig ernst neh­men, war­um soll­ten es dann die Bürgerinnen und Bürger tun?

P.S.: Wenn Sternschnuppen ver­glü­hen, darf man sich bekannt­lich etwas wün­schen. Ist es wirk­lich ver­mes­sen, sich einen Landtag zu wün­schen, in dem ab und an zwar hart in der Sache, aber respekt­voll im Ton, offen, neu­gie­rig und über­ra­schend dar­über gespro­chen wird, wie man gemein­sam die­ses schrul­lig-lie­bens­wer­te Schleswig-Holstein in eine gute Zukunft trägt?

Ulf Kämpfer
Von:

Dr. Ulf Kämpfer, 39, ist Jurist, arbeitet und lebt in Kiel

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