Thomas Wiegold, Journalist und selbst Mitglied der Bundespressekonferenz, hat heute in seinem Blog auf einen peinlichen, entlarvenden, traurigen ach, was soll’s: lustigen Wortwechsel in der Bundespressekonferenz hingewiesen.
Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung und Chef des Bundespresseamtes, twittert seit kurzem. Nicht sonderlich ausgefallen oder innovativ, sondern in unaufgeregter Sachlichkeit. Die Art von Kommunikation, die bei jüngeren, erlebnisorientieren Lesern schon mal Langeweile aufkommen lässt. Am 22. März twitterte er:
Auch wenn es wahrscheinlich kaum einer gemerkt hat: Das ist irgendwie ein revolutionärer Tweet, er erschütterte Grundfesten der Republik.
Die Lektüre der von Thomas Wiegold zusammengefassten Regierungspressekonferenz vom 25. März sollte nicht dazu führen, sich über offenkundig vorhandene technische Defizite hinsichtlich des Mediums Twitter lustig zu machen („Der Nachrichtendienst Twitter ist nicht sicher. Ich habe vorhin im Internet nachgeschaut.”).
Auch die Verständnisprobleme bei der Einordnung einer kurzen Konversation zwischen dem Grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck und Steffen Seibert, der in der Tagesschau zu einem „Virtueller Schlagabtausch über Atompolitik — Twitter-Duell Seibert versus Beck” gepimpt wurde und auch in der Bundespressekonferenz zum kleinen Schlagabtausch verklärt wurde, trifft nicht den Kern:
Beck: @RegSprecher Was sagen Sie eigentlich zu Brüderles atompolitischer Beichte? Alles nur Wahlkampf! http://tinyurl.com/6434jh7 #BDI #FB
Seibert: @Volker_Beck Falsch. Bundesregierung nimmt unvorhersehbare Katastrophe in #Japan ernst, AKW-Überprüfung hat nichts mit Wahlkampf zu tun
Beck: @RegSprecher lügt Brüderle oder hat er beim BDI gar nicht gesagt, dass die vorübergehende AKW-Stilllegung nur Wahlkampf ist?
Selbst über das leicht mimosenhafte Getue („ … muss ich mir in Zukunft einen Twitter-Account zulegen, um über relevante Termine der Bundeskanzlerin informiert zu werden?) sollte man locker hinwegsehen.
Denn das ist alles nicht der springende Punkt. Mir erscheinen nämlich solche Sätze entlarvender:
ZUSATZFRAGE: Die Frage ist: Kann es sein, dass außer über Twitter über diese USA-Reise im Juni nirgendwo berichtet wurde? Das ist ja eine andere Qualität. Wenn Herr Seibert twittern will, weil er Zeit hat, ist das alles gut und schön. Aber das geht ja bis hin zu der Frage, wozu man dann noch Chefs vom Dienst braucht, wenn Herr Seibert die Termine twittert.
DR. CHRISTOPH STEEGMANS (Stellvertretender Sprecher der Bundesregierung): Sie wollen doch in Wahrheit wissen, ob es eine Benachteiligung ist, dass eine Information möglichweise statt über den CvD-Verteiler über Twitter herausgegangen ist. Nein, diese Auffassung teilen wir nicht.
(…)FRAGE: (…) Denn wenn man diese Kommunikationswege geht ‑ da schließe ich mich sicherlich den anderen Agenturkollegen an ‑, dann greift das tief in unsere Arbeitsabläufe ein(…)
Dahinter blitz die Erkenntnis auf, dass es um das Eingemachte geht. Denn das World Wide Web machte aus jeden von uns nicht nur einen Verbreiter von Nachrichten („Everyone’s a publisher”) sondern auch einen Empfänger („Everyone’s an audience”). Damit ändert sich auch Geschäftsmodelle, wenigstens für die Printmedien:
Man stelle sich einfach mal vor, es gäbe noch keine Zeitungen und jemand käme heute in eine Bank und bäte um Risikokapital für diese Idee: „Ich will die Nachrichten von heute aufschreiben, nachts auf Papier drucken und morgen an die Menschen verkaufen, damit sie wissen, was gestern passiert ist.”
Zum Mitschreiben:
1. Dieses Modell ist ein für alle Mal tot. Das will niemand mehr haben. Dafür gibt keiner Geld aus. Das hören wir heute in erster Linie im Radio oder sehen wir im Fernsehen oder lesen wir im Internet. Wenn überhaupt.
2. Damit müssen Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender nicht sterben. Es gibt genug Ideen, wie man darüber hinaus Kunden locken und binden kann. Denn: Die unmittelbare Beziehung zwischen zwischen Sender (hier: Regierungssprecher) und Empfänger (hier: Twittervolk) ist nicht immer das Gelbe von Ei, birgt selbst Gefahren in sich. Wir, das Landesblog, haben jüngst in unserer Stellungnahme zur Anhörung im Bildungsausschuss des Landtages zur Medienkompetenz kurz darauf verwiesen.
3. Aber wenn man sich wider besseren Wissens auf solche Modelle konzentrieren will, dann gilt: Niemand wird hier gegen seinen Willen glücklich gemacht. Jeder hat das Recht darauf, vor der Zukunft zu versagen. Es ist nicht Aufgabe des Staates und des Rechtswesen (Stichwort Schutzgeld Leistungsschutzrecht) Dinosaurier am Aussterben zu hindern.
Wat heb wi lolt! :-)
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