Der Deutsche Bundestag hat am 4. März 2010 die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ beschlossen. In dem fraktionsübergreifend formulierten Text heißt es:
„Die digitale Gesellschaft bietet neue Entfaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen ebenso wie neue Chancen für die demokratische Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens, für die wirtschaftliche Betätigung und für die Wissensgesellschaft.“
Die beispielhaft aufgezählten Felder betreffen unser Gemeinwesen in vielerlei Ausprägungen: Staat und Gesellschaft, Bürger und Wirtschaft, Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer, Bund und Länder, Verbände und Kommunen, Lernende und Lehrende … Ich vermisse allein den kulturellen Aspekt.
Das Internet hat sich in erstaunlicher Geschwindigkeit mit unserem Gemeinwesen verwoben, ist keine teilende Mode sondern bindender gesellschaftlicher Kitt. In dem Einsetzungsbeschluss heißt es deshalb zu Recht:
„Das Internet ist nicht länger nur eine technische Plattform, sondern entwickelt sich zu einem integralen Bestandteil des Lebens vieler Menschen, denn gesellschaftliche Veränderungen finden maßgeblich im und mit dem Internet statt.“
Die Kommission beschloss 12 Projektgruppen, von denen die ersten vier unverzüglich die Arbeit aufnahmen:
- Netzneutralität
- Datenschutz, Persönlichkeitsrechte
- Urheberrecht
- Medienkompetenz
- Demokratie und Staat
- Internationales und Internet Governance
- Zugang, Struktur und Sicherheit im Netz
- Wirtschaft, Arbeit und Green IT
- Interoperabilität, Standards, Open Source
- Kultur, Medien, Öffentlichkeit
- Bildung und Forschung
- Verbraucherschutz
Die Enquete-Kommission hat nun einen ersten Zwischenbericht vorgelegt, der allerdings nichts Inhaltliches bietet sondern eine Art Tätigkeitsbericht ist. Das überrascht nicht, da die Positionen der einzelnen Mitglieder, sieht man vielleicht von Bereich Medienkompetenz ab, unterschiedlich sind. Zudem ist es zeitlich nicht nötig, jetzt über das Knie brechend Formelkompromisse oder abweichende Voten zu formulieren, da die Kommission ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen erst im Sommer 2012 veröffentlichen will. Zudem hat die Kommission die Aufgabe, wie die Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau bei der Konstituierung formulierte, „Wissen zu bündeln und möglichst parteiübergreifende Positionen zu erarbeiten“, ist also aus gutem Grund nicht zur Eile getrieben.
Deshalb ist es auch keine vergebliche Mühe, wenn der Schleswig-Holsteinische Landtag sich vorgenommen hat, „nach dem im Frühjahr 2011 zu erwartenden Zwischenbericht dieser Enquete-Kommission einen Beschlussvorschlag zur Positionierung des Landes Schleswig-Holstein zu geben“.
Im Gegenteil eröffnet das Chancen, eine fundierte Position Schleswig-Holstein in die Meinungsbildung aktiv mit einfließen zu lassen. Denn Internet und Digitale Gesellschaft lässt sich weder auf Deutschland begrenzen (wie wir es zum Beispiel hier im Lande in der Diskussion um den Glücksspielstaatsvertrag gerade bemerken), noch sind die Landesverwaltung oder die Kommunen frei von Lern- und Veränderungsbedarf. Das gilt nicht nur für das Agieren von Parlament und Verwaltung im und mit dem Internet, das betrifft auch den Gesetzgeber Landesparlament oder Zuwendungsgeber Landesverwaltung bzw. deren Pendants auf kommunaler Ebene. Die staatlichen Institutionen in ihrer Vorbildfunktion sind eh gefordert.
Ich halte es deshalb nicht nur symbolisch für ein gutes Zeichen, wenn Landesparlamente die Debatte im Bundestag kommentiern, begleiten, erweitern.
Wir dürfen uns also auf spannende Diskussionen in den Ausschüssen des Schleswig-Holsteinischen Landtages freuen. Im Europaausschuss und besonders im Innen- und Rechtsausschuss stehen am Mittwoch erste Befassungen an.
Wir haben in der Redaktion ein wenig auf „Schleswig-Holstein und Internet“ geschaut und Kopfsalat zubereitet. Es fanden sich schnell eine Reihe von Punkten, die eine Positionierung Schleswig-Holstein (bzw. der Länder) sinnvoll erscheinen lassen. Es geht aber nicht nur ums Reden, sondern ums Handeln. Schon die nur einzelne Themen anreißende, sicher unvollständige Liste zeigt reichlich Handlungsfelder, auf denen der Staat, die Politik hier in Schleswig-Holstein handeln kann und muss. Es ist ja nicht der Bund, dessen Verwaltung mit den Bürgern kommuniziert. Nein, es sind in erster Linie die Kommunen, in kulturellen, bildungspolitischen, schulischen Fragen auch die Länder. Gesetze oder von Worthülsen überbordende Strategiepapiere muss man leben und umsetzen.
- Demokratie und Staat
- E-Government
(Wie, solange Netz nicht überall ausreichend vorhanden ist?) - E-Demokratie
- E-Administration
- E-Partizipation
- E-Information
- E-Voting
- E-Petition
- …
- E-Government
- nPA
- De-Mail
- Open Government
setzt eine Open Data Strategie voraus, hält dort aber nicht an, sondern geht viel weiter: Transparenz, Partizipation und Kollaboration - Open Data
- Strukturell
- Geodaten
- Statistiken
- Wissenschaftliche Publikationen
(Kosten)freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, die aus staatlich (mit)geförderter Forschung hervorgehen - Hörfunk- und Fernsehsendungen
Zeitlich unbegrenzt freier Zugang zu Hörfunk- und Fernsehsendungen, die von öffentlich-rechtlich Medien ausgestrahlt worden sind
- Formell/Inhaltlich
- Anonymisierung
Ab einer gewissen Tiefe ist Anonymisierung wegen kleinstrukturiertheit nicht mehr möglich? - Offene Dateiformate
Statistiken nicht als pdf, sondern xml-basiert - Rechtliche Bestimmungen
Notwendige Rahmenbedingungen, um Veröffentlichung zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern
- Anonymisierung
- Strukturell
- Zugang zum und Struktur des Netzes
- Soziale Zugänglichkeit (Sozialhilfe)
- Politische Teilhabe ohne Internet?
- Definition Breitband
1Mbit/s ist noch lange kein Breitband und wird heutigen Anforderungen des Netzes nicht gerecht - Breitband über Alternativen zum DSL
wünschenswert, aber nur in Gebieten, wo eine Verkabelung wirtschaftlich absolut keinen Sinn macht - Breitband sollte überwiegend über Leitungen erfolgen, um langfristig allen Bürgern einen vollwertigen Zugang zu neuen Medien geben zu können
- Wohnungen lassen sich ohne Breitbandanschluss irgendwann nicht mehr vermieten, Baugrundstücke nicht verkaufen
- keine Wirtschaft, Start-Ups ohne Breitband
neue Geschäftsmodelle setzen Breitbandanschlüsse voraus (Stichworte Cloud Computing, Video on Demand, TV over IP)
- Kultur
- Digitalisierung von Archiv- und Bibliotheksgut
(Brahms-Institut vs. DigiCULT) - Digitalisierter Zugang zu Exponaten / Archivgut
- Virtuelle Museen
- Virtuelle Ausstellungen
- Virtuelle Bibliotheken
- Zugang zu Archiven
- Digitalisierung von Archiv- und Bibliotheksgut
- Bildung und Forschung
- Medienkompetenz
- Inhalte der Lehrer(aus)bildung
- PC-Arbeits-/Lehrplätze an Schulen
- Internetanschlüssen an (Hoch)Schulen
Es wäre in meinen Augen verfehlt, die Diskussion bis zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission oder „nach der Wahl“ zu verschieben. Sicher, man kann auch warten, bis andere was getan haben und dann darauf achten, im Ranking nicht hintan zu stehen, also „seinen“ vermeintlich angestammten Platz einzunehmen. Das ist Gegenwart. Zukunft geht anders.