Zwei Tage im Dezember

Von | 25. August 2011

Die Abwesenheit von Herrn von Boetticher in die­ser Landtagsitzung und die vom selbst in die Welt gesetz­ten Irritationen, ob er nun sein Mandat aktiv wahr­neh­men wol­le oder nicht, haben für gewis­se Irritationen gesorgt. Das Landesblog berich­te­te dar­über. Augenblicklich scheint es, dass er an den ver­blei­ben­den Sitzungen des Landtages teil­neh­men wird. Das könn­te die Ein-Stimmen-Mehrheit der CDU-FDP-Regierung sichern; wenn da nicht die Ankündigung der Grünen wäre – wegen des schon im Zusammenhang mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Wahlgesetz auf­ge­kün­dig­ten Pairing-Abkommens – die Situation nach dem Motto „Fair, aber nicht blöd“ immer wie­der aufs Neue zu bewer­ten.

Außer Krankheit, so ver­ste­he ich das, gibt es also für die Grünen (und die SPD) kaum ent­schuld­ba­re Gründe für Abgeordnete, dem Landtag fern­zu­blei­ben.

Das umfasst sicher­lich auch Termine von Landtagsabgeordneten, die zugleich Ministern sind. Sie könn­ten als „haus­ge­mach­te“ Probleme nicht unter das Schicksalhafte einer Krankheit fal­len.

Die Schleswig-Holsteinische Verfassung lässt es zu, dass ein Abgeordneter, Teil der Legislative, zugleich Minister und damit Teil einer ande­ren Staatgewalt, näm­lich der Exekutive, ist. Das ist ver­fas­sungs­recht­lich durch­aus mög­lich – es gibt in Deutschland kei­ne strik­te Gewaltenteilung son­dern eine Gewaltenverschränkung. Es bleibt jedoch immer ein gewis­ses Gschmäckle: In einer Einstimmen-Mehrheit-Regierung zum Beispiel kann ein Wahlkreisabgeordneter schnell in einen inne­ren Disput über sei­ne Unabhängigkeit kom­men, wenn die loka­len Interessen sei­nes Wahlkreises nicht mit denen sei­ner „glo­ba­ler“ den­ken­den Fraktion über­ein­stim­men. Er löst die­ses Problem öffent­lich, da er in bei­den Sphären mehr oder weni­ger öffent­lich ange­spro­chen wird. Wenn der Abgeordnete, der zugleich Minister ist, bei einem Gesetzesentwurf der Landesregierung solch einen Disput in sei­ner Rolle als Minister am Kabinettstisch mit sich aus­ma­chen muss, dann bleibt die­ser Prozess und damit sei­ne Motive im Verborgenen. Es erscheint pure Theorie, dass jemand die ver­schie­de­nen Sphären in sol­chen Fällen sau­ber aus­ein­an­der­de­kli­nie­ren kann. Die Kontrollfunktion und Rollenteilung wird auf­ge­ho­ben, weder Regierung noch Parlament wer­den ihrer Rolle gerecht. Die Freiheit des Mandats gerät schnell unter die Räder ver­meint­li­cher „Sachzwänge“. Und dies ohne Not: Es besteht weder Mangel an Persönlichkeiten für Ministerämter noch muss der zum Minister ernann­te Abgeordneter Parlamentarier blei­ben, da er (im Normalfall) beim Ausscheiden aus dem Parlament durch einen nach­rü­cken­den Listenkandidaten ersetzt wird. Bedenkt man zudem Doppelbelastung und den Ausfall des Ministers für die wich­ti­ge und zeit­rau­ben­de Arbeit in den Ausschüssen gibt es kein posi­tiv for­mu­lier­tes Argument, war­um eine sol­che abseh­bar Konflikte pro­du­zie­ren­de Verzahnung der Staatsgewalten über­haupt erlaubt sein muss.

Ministerinnen und Minister haben neben den Regierungstätigkeiten im Lande auch Aufgaben auf föde­ra­ler oder Bundesebene wahr­zu­neh­men, etwas im Bundesrat, des­sen Ausschüssen oder Fachministerkonferenzen. Peter Harry Carstensen, Dr. Heiner Garg, Dr. Ekkehard Klug, Klaus Schlie und Rainer Wiegard schul­tern die schier unmensch­lich erschei­nen­de Doppelbelastung, neben dem Vollzeitaufgabe Abgeordneter auch noch rund um die Uhr als Minister die Geschicke unse­res Landes zu len­ken. Da kann es im Einzelfall schon mal zu Terminüberschneidungen kom­men.

Grund genug, sich mal den Sitzungskalender des ver­blei­ben­den Jahres anzu­schau­en.

Die Sitzungen des Landtages in Schleswig-Holstein fin­den in etwa monat­lich statt. Die Oster- und die Sommerpause sowie ande­re Schulferien kön­nen Sitzungen ver­schie­ben oder aus­fal­len las­sen. 2011 ste­hen noch vier Sitzungen an:

  • 20. Tagung am 14., 15. und 16. September
  • 21. Tagung am 05., 06. und 07. Oktober
  • 22. Tagung 15., 17. und 18. November
  • 23. Tagung 14., 15. und 16. Dezember

Der Bundesrat tagt in der Regel in einem drei­wö­chi­gen, von den Berliner Parlamentsferien unter­bro­che­nen Rhythmus. Die ers­te Sitzung nach der Sommerpause fin­det am 23. September statt. Weitere fol­gen am 14. Oktober, 4. November, 25. November und 16. Dezember. Für das Land Schleswig-Holstein sind Peter Harry Carstensen, Dr. Heiner Garg, Dr. Ekkehard Klug und Rainer Wiegard, alle­samt auch MdL, Mitglieder im Bundesrat. Eine Vertretung ist mög­lich, wenn auch nicht immer poli­tisch oppor­tun. Der Landtag nimmt nach mei­ner Erfahrung bei sei­ner Terminfindung kei­ne Rücksicht auf Termine des Bundesrates. So ver­wun­dert es nicht, dass es in die­sem Jahr am 16. Dezember zu einer Überschneidung mit einer Landtagssitzung kommt.

Üblicherweise fin­den die Sitzungen der Ausschüsse im Bundesrat auf Arbeitsebene statt. Eine Ausnahme ist der Bundesratsfinanzausschuss, der wegen der regel­mä­ßig poli­tisch moti­vier­ten Stimmabgabe auf Ministerebene tagt. Unmittelbar im Anschluss kommt die Finanzministerkonferenz zusam­men. Termin ist immer der Donnerstag zwei Wochen vor einer BR-Sitzung. In die­sem Jahr also am 8. September, 29. September, 20. Oktober, 10. November, und 1. Dezember. Keiner der Termine über­schnei­det sich mit Landtagssitzungen.

Schleswig-Holstein über­nimmt im Herbst 2011 tur­nus­mä­ßig den Vorsitz in der Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK) von Sachsen-Anhalt.

Deshalb wer­den sich die Regierungschef der 16 Länder am 27. und 28. Oktober 2011 in der Hansestadt Lübeck tref­fen.

Am 15. Dezember, an die­sem Tag tagt der Landtag in Kiel, tref­fen sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zu einem Gespräch mit der Bundeskanzlerin in Berlin. An die­sem Treffen wird Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen, MdL teil­neh­men müs­sen. Als Vorsitzender ist er dort im Prinzip unver­zicht­bar, als Schleswig-Holsteiner wird er zudem viel­leicht erst auf die­ser Sitzung das Problem Glückspielstaatsvertrag vom Tisch bekom­men.

Die Länder koor­di­nie­ren ihre durch den Föderalismus ten­den­zi­ell aus­ein­an­der­drif­ten­den Probleme in Fachministerkonferenzen, um ent­we­der ein­ver­nehm­li­che, gemein­sa­me Lösungen zu fin­den oder um sich gemein­sam gegen­über dem Bund zu posi­tio­nie­ren. Da es kei­ne demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Gremien sind, ist zumeist Einstimmigkeit erfor­der­lich. Dies erfor­dert wegen der zu glät­ten­den Standpunkte die Anwesenheit der Hausspitzen. Es gibt einen bun­ten Strauß an Konferenzen. In unse­rem Zusammenhang sind nur die Konferenzen inter­es­sant, die von Ministern mit Abgeordnetenmandat besucht wer­den. In der Praxis sind Vertretungen durch die Amtschefs (also die Staatssekretäre) mög­lich, jedoch auch hier nicht immer poli­tisch ange­zeigt.
(In der all­täg­li­chen Praxis kommt es dane­ben immer wie­der mal vor, dass ein Landtags-Ausschuss die Anwesenheit eines Ministers ver­langt, der sich gera­de auf eine Fachministerkonferenz irgend­wo in der Republik befin­det)

Ich habe die fol­gen­den Termine für 2011 gefun­den. Es mag noch mehr Termine geben. Es ist auch nicht aus­ge­schlos­sen, dass es aus aktu­el­lem Anlass kurz­fris­tig zu wei­te­ren Sitzungen kommt. Ist die Ministerin oder der Minister nicht MdL, ist der Termin kur­siv gesetzt. Überschneidungen sehe ich nicht.

  • Agrarministerkonferenz: 26. — 28. Oktober 2011 in Suhl
  • Konferenz der für Arbeit und Soziales zustän­di­gen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder am 23. und 24. November 2011 in Leipzig
  • 120. Sitzung der Bauministerkonferenz am 29. und 30. September 2011 in Koblenz
  • Europaministerkonferenz in Berlin am 2. und 3. November 2011
  • 193. Sitzung der Innenministerkonferenz, 09.12.2011
  • Justizministerkonferenz. Sonderkonferenz „Sicherungsverwahrung“ am 22. September 2011 in Berlin.
  • Herbstkonferenz der Justizminister am 9. November 2011 in Berlin
  • 335. Kultusministerkonferenz am 20./21. Oktober 2011 in Berlin
  • 336. Kultusministerkonferenz am 8. Dezember 2011 in Bonn
  • 35. Sportministerkonferenz am 03. und 04.11.2011 in Weimar
  • 77. Umweltministerkonferenz vom 2. bis 4. November 2011 in Dessau-Roßlau
  • 7. Verbraucherschutzministerkonferenz am 15. und 16. September 2011, Bremerhaven
  • Verkehrsministerkonferenz am 05.10.2011
  • Wirtschaftsministerkonferenz am 05.12.2011

Wir kön­nen fest­hal­ten, dass für den 15. und 16. Dezember Kollisionen erkenn­bar sind. Der 16. Dezember ist ein Freitag, an dem es die Abgeordneten in die Weihnachtspause drängt. An sol­chen Tagen wer­den sel­ten noch wirk­lich bedeu­ten­de Tagesordnungspunkte auf­ge­ru­fen.

In den Sitzungen des Landtages im September, Oktober und November hin­ge­gen sind Abstimmungsniederlagen für die Parlamentsmehrheit nicht vor­pro­gram­miert.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “Zwei Tage im Dezember”:

  1. Sanníe

    Vielen Dank für die unauf­ge­reg­te Berichterstattung in die­sem Blog.
    (Und für Formulierung der „schier unmensch­lich erschei­nen­de Doppelbelastung”. Das erkennt ja sonst nie­mand an.)

    Reply

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert