Der Konflikt zwischen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kontroversen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/innen von Facebook geführt. Thomas Lange von den Grünen ist an mich herangetreten und hat gefragt, ob er den Entschluss der Grünen, ihre Facebook Fanseite für einem Monat nicht mehr zu nutzen, im Landesblog erläutern könne.
Das Landesblog will nicht nur berichten, sondern auch Platz für Debatten sein. Ich habe seinem Wunsch deshalb gern zugestimmt und alle Parteien sowie einige Verbände aus Schleswig-Holstein gebeten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/Datenschutz im Landesblog darzustellen. Hier der Beitrag der Grünen.
Weitere Artikel in der Debatte um Facebook finden sie hier.
Thomas Lange, 36 Jahre aus Kiel, ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Medien & Netzpolitik und Mitglied des Parteirates von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein. Er twittert unter @tomkuenstler.
Unter dem Motto „Facebook will aussitzen. Wir setzen aus!“ hat sich der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen entschieden, seine eigene Facebook Fanpage für den Zeitraum von einem Monat nicht mehr zu nutzen und Facebook öffentlich aufzufordern, deutsches und europäisches Datenschutzrecht umzusetzen.
Die Reaktionen auf unsere Aktion reichen von Zustimmung und Teilnahme an der Aktion bis zum Vorwurf des Populismus. Umso mehr freue ich mich, hier auf dem Landesblog unseren internen Diskussionsprozess bis zur Entscheidung und unsere Abwägungen darzustellen.
Die Ausgangslage war für uns nach internen Diskussionen und einem Gespräch mit einem Vertreter des ULD klar. Facebook verletzt mit der Verarbeitung von Nutzerdaten im Rahmen der Reichweitenanalyse „Facebook Insights“ deutsches und europäisches Datenschutzrecht. Dabei haben wir die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Bestimmungen von Facebook nicht abschließend bewertet. Das Fehlen einer Möglichkeit jedoch, der Datenverarbeitung widersprechen zu können, war für uns mehr als ausreichend.
Die generelle Diskussion um Datenschutz und Facebook ist natürlich nicht neu für uns. Die Datensammelwut von Facebook (und vielen anderen Firmen) wird in unseren Reihen schon lange kritisch debattiert. Beim Arbeitnehmerdatenschutz beispielsweise hat die grüne Bundestagsfraktion unter Verwendung von Beteiligungsmöglichkeiten aktuell einen hervorragenden Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. Die jetzige Debatte selbst hat jedoch für Schleswig-Holstein durch das direkte Vorgehen von Thilo Weichert eine neue Qualität erhalten und (auch) uns dazu angehalten, uns erneut mit unserem Handeln und unserer Programmatik auseinanderzusetzen.
In unserer Diskussion haben wir uns zwischen zwei in Teilen entgegenstehenden Positionen bewegt. Auf der einen Seite bewerten wir das unbegrenzte Sammeln von Daten über NutzerInnen von Facebook aber auch in anderen Lebensbereichen als sehr kritisch. Der Umfang des von Firmen über uns angesammelten Wissens, wer wir sind, was wir uns wünschen und welche Vorstellungen wir haben, sind einfach beängstigend. Unserem Staat würden wir ein derartiges Datensammeln niemals ohne Konfrontation durchgehen lassen. Nicht umsonst scheint die Abfrage von Daten aus sozialen Netzwerken in Großbritannien und USA für dortige staatliche Ordnungsbehörden mittlerweile zum Selbstverständnis zu gehören. An dieser Stelle fordern wir im Bundestag seit Jahren, dass der Gesetzgeber der Wirtschaft klare Grenzen aufzeigen muss. Dagegen steht die Erkenntnis, dass sich der Umgang der Menschen mit den eigenen Daten fortentwickelt und Menschen ganz bewusst personenbezogene Inhalte ins Internet einstellen, im Wissen um und ob der Risiken. Auch wir nutzen Facebook als Einzelpersonen und politische Organisation, um unsere Meinungen, Termine, Aktionen usw. zu teilen. Ganz klar dient dies in der Hauptsache der Mobilisierung der eigenen Mitglieder und unserer Anhängerschaft, trotzdem bilden wir uns ein, dass soziale Medien eine nicht unerhebliche Rolle bei der politischen Meinungsbildung uns nahestehender gesellschaftlicher Milieus spielen. Unsere Erfahrungen mit dieser neuen Kommunikationsform sind überwiegend positiv.
Zum Ende unserer Debatte kristallisierten sich drei Vorschläge heraus: erstens die Löschung unserer Fanpage auf Facebook und Beendigung der Nutzung dieser Plattform, zweitens (ohne dass dies auch nur eine Person vorgetragen hat) das Weitermachen wie bisher und drittens einen Mittelweg über eine öffentliche Bestreikung der Plattform zu finden.
Ein Weitermachen wie bisher verbot sich von vorne herein, da ein unkritisches Weiter-So diametral zu unseren politischen Werten steht, gleichzeitig bestand bei allen Beteiligten die Überzeugung, dass wir Thilo Weichert in seiner Auseinandersetzung mit Facebook unterstützen und nicht desavouieren wollen.
Das Löschen unserer Fanpage fand auch keine Mehrheit. Neben der grundsätzlichen Befürwortung dieser Form von Vernetzung würde das Löschen unserer Fanpage auch bedeuten, sich selbst aus einer differenzierten politischen Debatte um Facebook zu entfernen und den Dialog mit Facebook zu beenden. Die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Piraten, ihre Fanpage zu löschen, ist zwar konsequent, sie ist aber auch unterkomplex. Dieser Schritt ist auch falsch, da Facebook weiterhin da ist, Facebook ist innovativ und wird weiterhin von vielen Menschen genutzt werden. Eine Lösung muss daher mit und innerhalb von Facebook erfolgen. Für unsere eigenen Zwecke wäre ein Ausweichen auf eine andere Plattform keine sofortige Lösung. Ein großer Teil unserer Mitglieder und AnhängerInnen sind einfach nicht derart internetaffin, um sich beispielsweise bei Diaspora aufgehoben zu fühlen. Was aber nicht bedeuten soll, dass wir einen Exodus nicht parallel diskutieren und voranbringen wollen würden.
Die Schwächen des von uns gewählten Kompromisses sind uns bewusst, unsere Entscheidung ist gegenüber Facebook und dem konkreten Datenschutzproblem weder Fisch noch Fleisch.
Das ist aber kein Problem unserer Haltung, sondern spiegelt neben der Größe der Nutzung von Facebook durch die Menschen auch die komplizierte und internationale Rechtssituation wieder. Mittlerweile ist klar, was Thilo Weichert mit seinem Vorstoß bezweckte. Er will Facebook zum Einlenken bewegen, indem er auf einem der wichtigsten europäischen Werbemärkte das Geschäftsmodell von Facebook, Werbung zielgerichtet seinen NutzerInnen zuzustellen, angreift. Dies kann er auf Grund der Rechtslage nicht direkt, was seinen Umweg über die NutzerInnen von Facebook-Funktionen erklärt. Die Frage einer Mitverantwortlichkeit dieser haben wir überwiegend als nachvollziehbar bewertet. Rechtlich war uns das natürlich nicht abschließend möglich. Wer jedoch Facebook als Webseitenersatz und darüber hinaus geschäftlich oder politisch nutzt, sollte auch wie eine WebseitenbetreiberIn behandelt werden.
Die angedrohten Bußgelder wurden kontrovers diskutiert. Dabei ging es, ich habe das schon mehrfach gesagt, nie um die Frage, ob wir als Grüne ein Bußgeld fürchten müssten. Letztendlich würden wir einer Konfrontation mit dem ULD wahrscheinlich aus dem Weg gehen und abwarten, bis die Rechtsauffassung gerichtlich geklärt wird oder Facebook eingelenkt hat. Die Argumente gegen Bußgelder waren einerseits der Hinweis, dass nur schleswig-holsteinische BetreiberInnen betroffen wären und zweitens die Einschätzung, dass ein Bußgeld in jedem Fall unverhältnismäßig wäre, da Facebook die alleinige Hoheit über die Datenverarbeitung besitzt. Letztendlich haben wir diese Frage nicht abschließend beantwortet, da wir unsere Entscheidung nicht auf Grundlage eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sondern auf Grundlage unserer politischen Überzeugungen fällen wollten.
Die Achillesferse eines Unternehmens wie Facebook ist einerseits das Geschäftsmodell und andererseits das Vertrauen der NutzerInnen der Plattform. Beide Aspekte werden von der Kampagne des ULD direkt angegriffen. Die bisherigen Erfahrungen mit Facebook zeigen, dass das Unternehmen schlicht kein Interesse an gesellschaftspolitischen Diskussionen hatte. Europäer ticken jedoch anders. Facebook hat mittlerweile begriffen, dass es in Europa und gerade auch in Deutschland ständig um Vertrauen werben muss. Solange transatlantische datenschutzrechtliche Grundlagen über das Safe-Harbour-Abkommen hinaus nicht bestehen, müssen wir als Zivilgesellschaft andere Wege gehen, um unsere Selbstbestimmung zu schützen. Thilo Weichert und auch die Hamburger Datenschützer gegenüber Google haben hier erste Erfolge erzielt.
Unsere Aktion will an dieser Stelle einhaken und die geschaffene Öffentlichkeit verstärken, um Facebook zu zeigen, dass die Datenschutzdebatte keine abgehobene Diskussion einer Behörde ist, sondern dass wir uns auch als VerbraucherInnen kritisch mit dem mangelhaften Datenschutz auseinandersetzen. Diese Aktion ist nächsten Monat natürlich nicht zu Ende, nach einer Bewertung des Erfolgs unserer Aktion werden wir überlegen, wie wir den Durck auf Facebook aufrecht erhalten können. Das funktioniert letztendlich nur, wenn auch weitere VerbraucherInnen mitmachen.
Dazu laden wir Euch herzlich ein.
Ich bin kein Facebook-Kunde oder Nutzer. Nach einem kurzem Selbstversuch habe ich diesen geschlossenen — wenn auch größeren — Bereich des Internet wieder verlassen.
Die Position der GRÜNEN ist nicht verständlich, auch wenn sich für diese Haltung eine griffige Parole mit „aussetzen statt aussitzen” hat finden lies.
Sollte die Auffassung von ULD Bestand haben, handelt es sich bei der Fanpage der GRÜNEN um einen Rechtsverstoß — und fertig.
Es kam niemals darauf an, was auf der Fanpage inhaltlich steht.
Das Vorgehen der GRÜNEN — jetzt einem Monat mal nix bei facebook schreiben und (als für diesen Zeitraum) letzten Eintrag facebook zu kritisieren — ist tatsächlich weder Fisch noch Fleisch wie der Autor richtig schreibt. Man könnte auch durchaus drastischere Worte dafür finden.
Anhand welcher Dinge der Erfolg dieser „Bewegung” nach einem Monat gemessen werden soll ist offen. Schaun wir mal.
Mit dieser Maßnahme wird die Rechtsauffassung des ULD nicht gestärkt, sondern eher als folgenlos bewertet.
Weiterhin wird facebook die Möglichkeit geschaffen, Nutzerdaten auszuwerten/zu verwerten.
Die konsequente Löschung der Fanpage der Piraten als „unterkomplex” und falsch zu bezeichnen ist nicht belegt oder nachvollziehbar. Ich denke die Piraten verhalten sich hier in erster Linie ordnungsgemäß, rechtstreu und als wirkliche Datenschützer — die GRÜNEN aber nicht.
Die Diskussion muss/darf gerade NICHT innerhalb des geschlossenen facebook-Bereichs geführt werden. Die Haltung scheint mir eher dadurch gekennzeichnet zu sein, dass man als GRÜNE Angst hat irgendwo nicht vertreten zu sein. Selbst wenn dies einen Rechtsverstoß beinhalten könnte.