DEBATTE - Grüne: Zeit für einen besseren Datenschutz bei Facebook

Von | 5. Oktober 2011

Der Konflikt zwi­schen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kon­tro­ver­sen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/in­nen von Facebook geführt. Thomas Lange von den Grünen ist an mich her­an­ge­tre­ten und hat gefragt, ob er den Entschluss der Grünen, ihre Facebook Fanseite für einem Monat nicht mehr zu nut­zen, im Landesblog erläu­tern kön­ne.

Das Landesblog will nicht nur berich­ten, son­dern auch Platz für Debatten sein. Ich habe sei­nem Wunsch des­halb gern zuge­stimmt und alle Parteien sowie eini­ge Verbände aus Schleswig-Holstein gebe­ten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/​Datenschutz im Landesblog dar­zu­stel­len. Hier der Beitrag der Grünen.

Weitere Artikel in der Debatte um Facebook fin­den sie hier

Thomas Lange, 36 Jahre aus Kiel, ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Medien & Netzpolitik und Mitglied des Parteirates von Bündnis 90/​Die Grünen Schleswig-Holstein. Er twit­tert unter @tomkuenstler.

 

Unter dem Motto „Facebook will aus­sit­zen. Wir set­zen aus!“ hat sich der Landesverband von Bündnis 90/​Die Grünen ent­schie­den, sei­ne eige­ne Facebook Fanpage für den Zeitraum von einem Monat nicht mehr zu nut­zen und Facebook öffent­lich auf­zu­for­dern, deut­sches und euro­päi­sches Datenschutzrecht umzu­set­zen.

Die Reaktionen auf unse­re Aktion rei­chen von Zustimmung und Teilnahme an der Aktion bis zum Vorwurf des Populismus. Umso mehr freue ich mich, hier auf dem Landesblog unse­ren inter­nen Diskussionsprozess bis zur Entscheidung und unse­re Abwägungen dar­zu­stel­len.

Die Ausgangslage war für uns nach inter­nen Diskussionen und einem Gespräch mit einem Vertreter des ULD klar. Facebook ver­letzt mit der Verarbeitung von Nutzerdaten im Rahmen der Reichweitenanalyse „Facebook Insights“ deut­sches und euro­päi­sches Datenschutzrecht. Dabei haben wir die Wirksamkeit der daten­schutz­recht­li­chen Bestimmungen von Facebook nicht abschlie­ßend bewer­tet. Das Fehlen einer Möglichkeit jedoch, der Datenverarbeitung wider­spre­chen zu kön­nen, war für uns mehr als aus­rei­chend.

Die gene­rel­le Diskussion um Datenschutz und Facebook ist natür­lich nicht neu für uns. Die Datensammelwut von Facebook (und vie­len ande­ren Firmen) wird in unse­ren Reihen schon lan­ge kri­tisch debat­tiert. Beim Arbeitnehmerdatenschutz bei­spiels­wei­se hat die grü­ne Bundestagsfraktion unter Verwendung von Beteiligungsmöglichkeiten aktu­ell einen her­vor­ra­gen­den Gesetzesentwurf in den Bundestag ein­ge­bracht. Die jet­zi­ge Debatte selbst hat jedoch für Schleswig-Holstein durch das direk­te Vorgehen von Thilo Weichert eine neue Qualität erhal­ten und (auch) uns dazu ange­hal­ten, uns erneut mit unse­rem Handeln und unse­rer Programmatik aus­ein­an­der­zu­set­zen.

In unse­rer Diskussion haben wir uns zwi­schen zwei in Teilen ent­ge­gen­ste­hen­den Positionen bewegt. Auf der einen Seite bewer­ten wir das unbe­grenz­te Sammeln von Daten über NutzerInnen von Facebook aber auch in ande­ren Lebensbereichen als sehr kri­tisch. Der Umfang des von Firmen über uns ange­sam­mel­ten Wissens, wer wir sind, was wir uns wün­schen und wel­che Vorstellungen wir haben, sind ein­fach beängs­ti­gend. Unserem Staat wür­den wir ein der­ar­ti­ges Datensammeln nie­mals ohne Konfrontation durch­ge­hen las­sen. Nicht umsonst scheint die Abfrage von Daten aus sozia­len Netzwerken in Großbritannien und USA für dor­ti­ge staat­li­che Ordnungsbehörden mitt­ler­wei­le zum Selbstverständnis zu gehö­ren. An die­ser Stelle for­dern wir im Bundestag seit Jahren, dass der Gesetzgeber der Wirtschaft kla­re Grenzen auf­zei­gen muss. Dagegen steht die Erkenntnis, dass sich der Umgang der Menschen mit den eige­nen Daten fort­ent­wi­ckelt und Menschen ganz bewusst per­so­nen­be­zo­ge­ne Inhalte ins Internet ein­stel­len, im Wissen um und ob der Risiken. Auch wir nut­zen Facebook als Einzelpersonen und poli­ti­sche Organisation, um unse­re Meinungen, Termine, Aktionen usw. zu tei­len. Ganz klar dient dies in der Hauptsache der Mobilisierung der eige­nen Mitglieder und unse­rer Anhängerschaft, trotz­dem bil­den wir uns ein, dass sozia­le Medien eine nicht uner­heb­li­che Rolle bei der poli­ti­schen Meinungsbildung uns nahe­ste­hen­der gesell­schaft­li­cher Milieus spie­len. Unsere Erfahrungen mit die­ser neu­en Kommunikationsform sind über­wie­gend posi­tiv.

Zum Ende unse­rer Debatte kris­tal­li­sier­ten sich drei Vorschläge her­aus: ers­tens die Löschung unse­rer Fanpage auf Facebook und Beendigung der Nutzung die­ser Plattform, zwei­tens (ohne dass dies auch nur eine Person vor­ge­tra­gen hat) das Weitermachen wie bis­her und drit­tens einen Mittelweg über eine öffent­li­che Bestreikung der Plattform zu fin­den.

Ein Weitermachen wie bis­her ver­bot sich von vor­ne her­ein, da ein unkri­ti­sches Weiter-So dia­me­tral zu unse­ren poli­ti­schen Werten steht, gleich­zei­tig bestand bei allen Beteiligten die Überzeugung, dass wir Thilo Weichert in sei­ner Auseinandersetzung mit Facebook unter­stüt­zen und nicht des­avou­ie­ren wol­len.

Das Löschen unse­rer Fanpage fand auch kei­ne Mehrheit. Neben der grund­sätz­li­chen Befürwortung die­ser Form von Vernetzung wür­de das Löschen unse­rer Fanpage auch bedeu­ten, sich selbst aus einer dif­fe­ren­zier­ten poli­ti­schen Debatte um Facebook zu ent­fer­nen und den Dialog mit Facebook zu been­den. Die Entscheidung der schles­wig-hol­stei­ni­schen Piraten, ihre Fanpage zu löschen, ist zwar kon­se­quent, sie ist aber auch unter­kom­plex. Dieser Schritt ist auch falsch, da Facebook wei­ter­hin da ist, Facebook ist inno­va­tiv und wird wei­ter­hin von vie­len Menschen genutzt wer­den. Eine Lösung muss daher mit und inner­halb von Facebook erfol­gen. Für unse­re eige­nen Zwecke wäre ein Ausweichen auf eine ande­re Plattform kei­ne sofor­ti­ge Lösung. Ein gro­ßer Teil unse­rer Mitglieder und AnhängerInnen sind ein­fach nicht der­art inter­netaf­fin, um sich bei­spiels­wei­se bei Diaspora auf­ge­ho­ben zu füh­len. Was aber nicht bedeu­ten soll, dass wir einen Exodus nicht par­al­lel dis­ku­tie­ren und vor­an­brin­gen wol­len wür­den.

Die Schwächen des von uns gewähl­ten Kompromisses sind uns bewusst, unse­re Entscheidung ist gegen­über Facebook und dem kon­kre­ten Datenschutzproblem weder Fisch noch Fleisch.

Das ist aber kein Problem unse­rer Haltung, son­dern spie­gelt neben der Größe der Nutzung von Facebook durch die Menschen auch die kom­pli­zier­te und inter­na­tio­na­le Rechtssituation wie­der. Mittlerweile ist klar, was Thilo Weichert mit sei­nem Vorstoß bezweck­te. Er will Facebook zum Einlenken bewe­gen, indem er auf einem der wich­tigs­ten euro­päi­schen Werbemärkte das Geschäftsmodell von Facebook, Werbung ziel­ge­rich­tet sei­nen NutzerInnen zuzu­stel­len, angreift. Dies kann er auf Grund der Rechtslage nicht direkt, was sei­nen Umweg über die NutzerInnen von Facebook-Funktionen erklärt. Die Frage einer Mitverantwortlichkeit die­ser haben wir über­wie­gend als nach­voll­zieh­bar bewer­tet. Rechtlich war uns das natür­lich nicht abschlie­ßend mög­lich. Wer jedoch Facebook als Webseitenersatz und dar­über hin­aus geschäft­lich oder poli­tisch nutzt, soll­te auch wie eine WebseitenbetreiberIn behan­delt wer­den.

Die ange­droh­ten Bußgelder wur­den kon­tro­vers dis­ku­tiert. Dabei ging es, ich habe das schon mehr­fach gesagt, nie um die Frage, ob wir als Grüne ein Bußgeld fürch­ten müss­ten. Letztendlich wür­den wir einer Konfrontation mit dem ULD wahr­schein­lich aus dem Weg gehen und abwar­ten, bis die Rechtsauffassung gericht­lich geklärt wird oder Facebook ein­ge­lenkt hat. Die Argumente gegen Bußgelder waren einer­seits der Hinweis, dass nur schles­wig-hol­stei­ni­sche BetreiberInnen betrof­fen wären und zwei­tens die Einschätzung, dass ein Bußgeld in jedem Fall unver­hält­nis­mä­ßig wäre, da Facebook die allei­ni­ge Hoheit über die Datenverarbeitung besitzt. Letztendlich haben wir die­se Frage nicht abschlie­ßend beant­wor­tet, da wir unse­re Entscheidung nicht auf Grundlage eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, son­dern auf Grundlage unse­rer poli­ti­schen Überzeugungen fäl­len woll­ten.

Die Achillesferse eines Unternehmens wie Facebook ist einer­seits das Geschäftsmodell und ande­rer­seits das Vertrauen der NutzerInnen der Plattform. Beide Aspekte wer­den von der Kampagne des ULD direkt ange­grif­fen. Die bis­he­ri­gen Erfahrungen mit Facebook zei­gen, dass das Unternehmen schlicht kein Interesse an gesell­schafts­po­li­ti­schen Diskussionen hat­te. Europäer ticken jedoch anders. Facebook hat mitt­ler­wei­le begrif­fen, dass es in Europa und gera­de auch in Deutschland stän­dig um Vertrauen wer­ben muss. Solange trans­at­lan­ti­sche daten­schutz­recht­li­che Grundlagen über das Safe-Harbour-Abkommen hin­aus nicht bestehen, müs­sen wir als Zivilgesellschaft ande­re Wege gehen, um unse­re Selbstbestimmung zu schüt­zen. Thilo Weichert und auch die Hamburger Datenschützer gegen­über Google haben hier ers­te Erfolge erzielt.

Unsere Aktion will an die­ser Stelle ein­ha­ken und die geschaf­fe­ne Öffentlichkeit ver­stär­ken, um Facebook zu zei­gen, dass die Datenschutzdebatte kei­ne abge­ho­be­ne Diskussion einer Behörde ist, son­dern dass wir uns auch als VerbraucherInnen kri­tisch mit dem man­gel­haf­ten Datenschutz aus­ein­an­der­set­zen. Diese Aktion ist nächs­ten Monat natür­lich nicht zu Ende, nach einer Bewertung des Erfolgs unse­rer Aktion wer­den wir über­le­gen, wie wir den Durck auf Facebook auf­recht erhal­ten kön­nen. Das funk­tio­niert letzt­end­lich nur, wenn auch wei­te­re VerbraucherInnen mit­ma­chen.

Dazu laden wir Euch herz­lich ein.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “DEBATTE - Grüne: Zeit für einen besseren Datenschutz bei Facebook”:

  1. Arnold Wallisch

    Ich bin kein Facebook-Kunde oder Nutzer. Nach einem kur­zem Selbstversuch habe ich die­sen geschlos­se­nen — wenn auch grö­ße­ren — Bereich des Internet wie­der ver­las­sen.

    Die Position der GRÜNEN ist nicht ver­ständ­lich, auch wenn sich für die­se Haltung eine grif­fi­ge Parole mit „aus­set­zen statt aus­sit­zen” hat fin­den lies.

    Sollte die Auffassung von ULD Bestand haben, han­delt es sich bei der Fanpage der GRÜNEN um einen Rechtsverstoß — und fer­tig.
    Es kam nie­mals dar­auf an, was auf der Fanpage inhalt­lich steht.
    Das Vorgehen der GRÜNEN — jetzt einem Monat mal nix bei face­book schrei­ben und (als für die­sen Zeitraum) letz­ten Eintrag face­book zu kri­ti­sie­ren — ist tat­säch­lich weder Fisch noch Fleisch wie der Autor rich­tig schreibt. Man könn­te auch durch­aus dras­ti­sche­re Worte dafür fin­den.
    Anhand wel­cher Dinge der Erfolg die­ser „Bewegung” nach einem Monat gemes­sen wer­den soll ist offen. Schaun wir mal.
    Mit die­ser Maßnahme wird die Rechtsauffassung des ULD nicht gestärkt, son­dern eher als fol­gen­los bewer­tet.
    Weiterhin wird face­book die Möglichkeit geschaf­fen, Nutzerdaten auszuwerten/​zu ver­wer­ten.

    Die kon­se­quen­te Löschung der Fanpage der Piraten als „unter­kom­plex” und falsch zu bezeich­nen ist nicht belegt oder nach­voll­zieh­bar. Ich den­ke die Piraten ver­hal­ten sich hier in ers­ter Linie ord­nungs­ge­mäß, recht­streu und als wirk­li­che Datenschützer — die GRÜNEN aber nicht.
    Die Diskussion muss/​darf gera­de NICHT inner­halb des geschlos­se­nen face­book-Bereichs geführt wer­den. Die Haltung scheint mir eher dadurch gekenn­zeich­net zu sein, dass man als GRÜNE Angst hat irgend­wo nicht ver­tre­ten zu sein. Selbst wenn dies einen Rechtsverstoß beinhal­ten könn­te.

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