Das ULD hat sich heute an den Landtag gewandt und sein Leid geklagt: Gegenüber der Privatwirtschaft kann das ULD Verstöße mit einem Bußgeld ahnden. Gegenüber öffentlichen Stellen kann es nur Beanstandungen aussprechen. Das reicht Thilo Weichert nicht: „Damit stellen wir Rechtsverstöße fest, können aber nicht deren Beendigung durchsetzen. Hier ist das Parlament als Kontrolleur der Verwaltung gefordert.“
Hintergrund ist das Verhalten der Landesregierung gegen dem ULD in Sachen Facebook. Die Kieler Datenschützer hatten u.a. die Staatskanzlei aufgefordert, deren Fanpage bei Facebook zu löschen. Nach der Rechtsauffassung des ULD verstößt die Landesregierung damit nämlich gegen geltendes Recht. Die Landesregierung akzeptiert die Meinung des ULD und betreibt die Fanpage seitdem mit einem deutlichen Warnhinweis. In der Sache zweifelt sie „erheblich“ an der Rechtsauffassung des Datenschutzbeauftragten. Da auch andere Bundesländer Facebook-Fanpages nutzen und daher ein abgestimmtes Vorgehen der Länder sinnvoll sei, hat das Land die Innenminister der Länder um deren datenschutzrechtliche Bewertung gebeten. Danach will die Landesregierung entscheiden, wie sie mit den Bedenken des ULD umgehen will.
Datenschützer Weichert sieht das anders: „Wie soll das ULD glaubwürdig gegen Datenschutzverstöße in der Privatwirtschaft vorgehen können, wenn die zuständigen Ministerien des Landes ebensolche Verstöße begehen oder im Rahmen der Rechtsaufsicht tolerieren?“
Thorsten Fürter, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kieler Landtag, steht auch Weicherts Seite. Die Landesregierung könne nicht auf Durchzug schalten, wenn der unabhängige Datenschützer ein konkretes Beanstandungsverfahren einleite. Aus seiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bringe das Land die Beanstandung vor das Verwaltungsgericht, indem es aktiv gegen die Beanstandung vorgeht – oder sie leistet der Beanstandung Folge. Das ULD einfach zu ignorieren, sei aber keine Lösung.
Ich bringe eine dritte Lösung ins Gespräch, die Herrn Weichert im vorliegenden Fall wohl nicht gefallen wird, aber in der Praxis gut funktioniert.
Der Landesrechnungshof (LRH) prüft die Verwaltung. Er prangert nicht nur Missstände im Verwaltungsablauf oder verfehlte Investitionen an, sondern auch Verstöße gegen das Haushaltsrecht. Prinzipiell sind die Prüfungen mit den Prüfungen des ULD vergleichbar. Beide stellen Verstöße fest, deren Beseitigung der knappen Kassen wegen lieber heute als morgen erfolgen sollte. Anderseits sind selten höchste Rechtsgüter in Gefahr.
Stark vereinfacht läuft das so ab. Der LRH prüft, schreibt auf, was er festgestellt hat und bittet die Behörde um Stellungnahmen. Er gibt die Stellungnahme wieder und erwidert etwas darauf.
So sieht das in der Praxis aus:
Der LRH hält diese großzügigen Übergangsregelungen nicht für geboten (…)
Das Finanzministerium verweist auf die Vielzahl unterschiedlicher Regelungen in Bund und Ländern. In der Gesamtschau sei die Übergangsregelung zur Altersgrenze nicht zu großzügig (…)
Der LRH hält fest: Das Finanzministerium räumt ein, dass die Übergangsregelungen großzügig sind. (…)
Der LRH weist zudem auf Folgendes hin: Die Ausgleichszahlung sollte bereits mit dem Haushalt 2009/2010 gestrichen werden. (…)
Der Bericht des Landesrechnungshofes wird dem Landtag übergeben und der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Finanzausschuss des Landtages (die Arbeitsgruppe Haushaltsprüfung) nimmt sich des Berichtes und bildet sich seinerseits eine Meinung.
Das kann man bei vom ULD beklagten Verstößen der Landesregierung gegen Datenschutzrecht auch so machen. Es gibt die jährlichen Tätigkeitsberichte des ULD. Da können solche Fälle mit rein.
Der Landesregierung hingegen kann man nicht pauschal Ignoranz vorwerfen. Dass sie bei Themen, die offensichtlich nicht Schleswig-Holstein-spezifisch sind, nicht wirklich nach Gefahr im Vollzug aussehen und rechtlich strittig diskutiert werden zunächst die Abstimmung mit den Ländern sucht, ist einleuchtend. Die vorgeschaltete Warnseite zeigt, dass die Landesregierung die Bedenken des ULD nicht ignoriert. Schließlich ist durch die zu erwartenden Klage seitens die privaten Betreiber von Fanpages auch eine rechtliche Auseinandersetzung gewährleistet. ULD, Landesregierung und Landtag sollten nicht den Rechtsweg sondern die politische Debatte suchen.
Lieber Swen Wacker,
als Unternehmer erwarte ich vom Gesetzgeber und seiner Exekutive schon, dass er aktiv Rechtssicherheit schafft und nicht auf Stellvertreterkriege setzt. Oder zumindest klar Position bezieht. Die ex-post-Beschwerden des Landesrechnungshofes taugen da als Beispiel nicht, glaube ich. Im worst case steht das Unternehmen mit einer verlorenen Klage und dem entsprechenden Bußgeld da, und alle anderen, die Aufwand in ihre Facebook-Kommunikation gesteckt habe, können das Ding dann abschalten (oder werden sogar abgemahnt).
Lieber Ulrich Bähr,
an der Situation des privaten Anwenders oder Unternehmers auf Facebook würde sich durch die Möglichkeit des ULD, ein Bußgeld (auch) gegen Behörden verhängen zu können, nichts ändern. Falls ich mich da missverständlich ausgedrückt haben sollte: Mein Vorschlag bezog sich allein auf den Vorstoß des ULD, auch(!) gegen Behörden mit Bußgeldern vorgehen zu können.
Ich bin mir jetzt nicht sicher, wie sich die IHK verhält bzw. verhalten wird. Sie hatte ja vor Wochen deutlich gemacht, dass sie – quasi stellvertretend für die Unternehmen – eine zügige rechtliche Klärung anstrebe.
Das ULD hatte letzte Woche aufgrund einer Nachfrage von CDU und FDP-Abgeordneten klargestellt, dass es über die bislang verhängten Bußgelder hinaus „kurzfristig nicht gegen kleinere schleswig-holsteinische Unternehmen wegen Facebook-Fanpages oder „Gefällt mir“-Buttons vorgehen wird”. (https://www.datenschutzzentrum.de/presse/20111209-facebook-duesseldorfer-kreis.htm) In dieser Presseerklärung heißt es auch, dass das ULD davon ausgehe, dass in einem Fall noch im Dezember 2011 vor dem Verwaltungsgericht Schleswig Klage erhoben werden werde.
Das ändert nichts an meiner hier im Blog immer wieder geäußerten Kritik am taktischen Vorgehen des ULD. In meinen Augen ist der eigentliche Adressat der Kritik Facebook (und andere Betreiber social networks). Hiergegen sollten sich dann konsequenterweise auch politische wie rechtliche Klagen richten. Die von ihm gefundene „Krücke“ Fanpage-Betreiber ist ein Stellvertreterstreit; im aktuellen Fall zulasten von schleswig-holsteinischen Unternehmen.
Egal wie das vor dem VG in Schleswig ausgehen wird: letztlich wird der Gesetzgeber (teilweise Bund, teilweise Land, teilweise EU – allein diese Streuung ist kein schöner Zustand), also die Parlamente, aktiv werden müssen, um das Datenschutzrecht vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des Internets weiterzuentwickeln.