„Frii es de Feskfang,
Frii es de Jaght,
Frii es de Strönthgang,
Frii es de Naght,
Frii es de See, de wilde See
En de Hörnemmer Rhee.“
(Frei ist der Fischfang,
Frei ist die Jagd,
Frei ist der Strandgang,
Frei ist die Nacht,
Frei ist die See, die wilde See,
An der Hörnumer Reede)
Diese Rechte der Sylter Friesen stellte Detlev von Liliencron seiner Ballade Pidder Lüng in Versform voran.
Heute, wo der Angler die Sportfischerprüfung ablegen muss und tunlichst seinen Fischereischein und den Fischerei-Erlaubnisschein bei sich trägt, die Jagd noch mehr als die Sportfischerei geregelt ist, selbst der Strandgang nur mit Gebühr möglich ist und die Bettensteuer die Nacht ständig unanständig verteuert, ist das nicht mehr so weit her mit der Freiheit der Friesen. Und hätte die Landesregierung eine Deichsteuer erhoben und hätte sich ein Sylter Fischer dagegen gesträubt und hätte sich dann ein Vollstreckungsbeamter auf den Weg nach Sylt gemacht – er hätte wohl nicht elendig im Grünkohl verreckt wie Henning Pogwisch, der Amtmann von Tønder. Auch wenn die Steuern noch so unanständig sind – die Formen des Protests haben sich geändert.
Aber tief in uns gefällt uns, wenn wir ehrlich sind, immer noch die heroisierende Darstellung des Sylter Fischers Pidder Lüng, der sich gegen fremde Herrschaft, auflehnt, die Steuerzahlung verweigert und, nachdem er sich und seine Familie schmählich verachten lassen musste, kurzerhand den Amtmann in der Suppe ertränkt – und es mit dem Tode bezahlt. Wohl der nötige Gegenentwurf für unsere Gesellschaft, in der weite Kreise ihr Bild der agrarischen Berufsgruppen aus dem jämmerlichen Gestalten in Bauer sucht Frau beziehen.
Heute ist Biikebrennen, nicht nur auf Sylt. Die Biikefeuer werden entzündet. Und anschließend isst man Grünkohl und trägt sich Gedichte, Lieder und Balladen vor. Sicher auch die Ballade über Pidder Lüng, hier in der Fassung von Wikisource
Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch,
Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch:
Heut fahr ich selbst hinüber nach Sylt,
Und hol mir mit eigner Hand Zins und Gült.
Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen,
Sollen sie Nasen und Ohren lassen,
Und ich höhn ihrem Wort:
Lewwer duad üs Slaav.Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt,
Stützt sich finster auf sein langes Schwert.
Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit,
Steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit.
Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken.
Der Obrigkeit helf ich, die Frevler packen,
In den Pfuhl das Wort:
Lewwer duad üs Slaav.Gen Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt,
Ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt.
Und es knirschen die Kiele auf den Sand,
Und der Ritter, der Priester springen ans Land,
Und waffenrasselnd hinter den beiden.
Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden.
Nun gilt es, Friesen:
Lewwer duad üs Slaav!Die Knechte umzingeln das erste Haus,
Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster heraus.
Der Ritter, der Priester treten allein
Über die ärmliche Schwelle hinein.
Des langen Peters starkzählige Sippe
Sitzt grad an der kargen Mittagskrippe.
Jetzt zeige dich, Pidder:
Lewwer duad üs Slaav!Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn,
Der Priester will anheben seinen Sermon.
Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt
Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt,
Daß wir euch stören bei euerm Essen,
Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen,
Und euer Spruch ist ein Dreck:
Lewwer duad üs Slaav.Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum:
Henning Pogwisch, halt deine Reden im Zaum.
Wir waren der Steuern von jeher frei,
Und ob du sie wünschst, ist uns einerlei.
Zieh ab mit deinen Hungergesellen,
Hörst du meine Hunde bellen?
Und das Wort bleibt stehn:
Lewwer duad üs Slaav!Bettelpack, fährt ihn der Amtmann an,
Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann:
Du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf,
Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf.
Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken,
Und verkriegt sich hinter des Eisernen Rücken.
O Wort, geh nicht unter:
Lewwer duad üs Slaav!Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an,
Immer heftiger in Wut gerät der Tyrann,
Und er speit in den dampfenden Kohl hinein:
Nun geh an deinen Trog, du Schwein.
Und er will, um die peinliche Stunde zu enden,
Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden.
Dumpf dröhnts von drinnen:
Lewwer duad üs Slaav!Einen einzigen Sprung hat Pidder gethan,
Er schleppt an den Napf den Amtmann heran,
Und taucht ihm den Kopf ein, und läßt ihn nicht frei,
Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei,
Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern,
Brüllt er, die Thüren und Wände zittern,
Das stolzeste Wort:
Lewwer duad üs Slaav!Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß,
Die Häscher stürmen mit höllischem Gruß,
Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort,
In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord.
Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben,
Ruft noch einmal im Leben, im Sterben
Sein Herrenwort:
Lewwer duad üs Slaav!