Fährt man mit dem Auto in eine Stadt hinein, dann zeigt sie sich von ihrer hübschen Seite. Fährt man mit dem Zug in den Bahnhof ein, dann sieht man Hinterhöfe. Die Stadt wendet sich nicht nur ab, sie zeigt ihre schmutzige Seite. Ich fahre zweimal die Woche mit dem Zug durch mehrere Städte. Auch durch Harburg. Harburg hat bestimmt auch schöne Seiten, denke ich. Ich war noch nie dort. Ein Mitreisender sagte neulich, nach Harburg möchte er nicht mal zum Sterben hin. Humbug, dachte ich in dem Augenblick. Er war wahrscheinlich schon mal da, fürchte ich jetzt.
Denn gestern (23. Februar) las ich im Hamburger Abendblatt, dass es im Harburger Ortsteil Langenbek rumort. Im Gemeindehaus der Kirchengemeinde, ganz am Ende einer Straße, wollen das Deutsche Rote Kreuz und der Hospizverein Hamburger Süden ein Hospiz eröffnen. Anwohner, so steht es in dem Artikel, fürchten eine Wertminderung ihrer Grundstücks, andere fordern einen Sichtschutz. Um den Sterbenden den Anblick der Anwohner zu ersparen?
Der Soziologe Norbert Elias schreibt in seinem lesenswerten Buch „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“
Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit wurden Sterbende so hygienisch aus der Sicht der Lebenden hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens fortgeschafft; niemals zuvor wurden menschliche Leichen so geruchlos und mit solcher technischen Perfektion aus dem Sterbezimmer ins Grab expediert.
Elias weiß, dass der Tod allein ein Problem der Lebenden ist. Er versucht, uns die Angst zu nehmen, damit wir den Tod nicht weiter verdrängen müssen.
Der Tod verbirgt kein Geheimnis. Er öffnet keine Tür. Er ist das Ende eines Menschen. Was von ihm überlebt, ist das, was er anderen Menschen gegeben hat, was in ihrer Erinnerung bleibt. Das Ethos des »homo clausus«, des sich allein fühlenden Menschen,wird schnell hinfällig, wenn man das Sterben nicht mehr verdrängt, wenn man es als einen integralen Bestandteil des Lebens in das Bild von den Menschen mit einbezieht.
Vielleicht sollte in jedem Stadtteil ein Hospiz stehen.