Harburg Hospiz Humbug

Von | 24. Februar 2012

Fährt man mit dem Auto in eine Stadt hin­ein, dann zeigt sie sich von ihrer hüb­schen Seite. Fährt man mit dem Zug in den Bahnhof ein, dann sieht man Hinterhöfe. Die Stadt wen­det sich nicht nur ab, sie zeigt ihre schmut­zi­ge Seite. Ich fah­re zwei­mal die Woche mit dem Zug durch meh­re­re Städte. Auch durch Harburg. Harburg hat bestimmt auch schö­ne Seiten, den­ke ich. Ich war noch nie dort. Ein Mitreisender sag­te neu­lich, nach Harburg möch­te er nicht mal zum Sterben hin. Humbug, dach­te ich in dem Augenblick. Er war wahr­schein­lich schon mal da, fürch­te ich jetzt.

Denn ges­tern (23. Februar) las ich im Hamburger Abendblatt, dass es im Harburger Ortsteil Langenbek rumort. Im Gemeindehaus der Kirchengemeinde, ganz am Ende einer Straße, wol­len das Deutsche Rote Kreuz und der Hospizverein Hamburger Süden ein Hospiz eröff­nen. Anwohner, so steht es in dem Artikel, fürch­ten eine Wertminderung ihrer Grundstücks, ande­re for­dern einen Sichtschutz. Um den Sterbenden den Anblick der Anwohner zu erspa­ren?

Der Soziologe Norbert Elias schreibt in sei­nem  lesens­wer­ten Buch „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unse­ren Tagen

Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit wur­den Sterbende so hygie­nisch aus der Sicht der Lebenden hin­ter die Kulissen des gesell­schaft­li­chen Lebens fort­ge­schafft; nie­mals zuvor wur­den mensch­li­che Leichen so geruch­los und mit sol­cher tech­ni­schen Perfektion aus dem Sterbezimmer ins Grab expe­diert.

Elias weiß, dass der Tod allein ein Problem der Lebenden ist. Er ver­sucht, uns die Angst zu neh­men, damit wir den Tod nicht wei­ter ver­drän­gen müs­sen.

Der Tod ver­birgt kein Geheimnis. Er öff­net kei­ne Tür. Er ist das Ende eines Menschen. Was von ihm über­lebt, ist das, was er ande­ren Menschen gege­ben hat, was in ihrer Erinnerung bleibt. Das Ethos des »homo clau­sus«, des sich allein füh­len­den Menschen,wird schnell hin­fäl­lig, wenn man das Sterben nicht mehr ver­drängt, wenn man es als einen inte­gra­len Bestandteil des Lebens in das Bild von den Menschen mit ein­be­zieht.

Vielleicht soll­te in jedem Stadtteil ein Hospiz ste­hen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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