
Ein weit verbreiteter und manchmal trotz besseren Wissens gern weiter breit getretener Irrtum ist die Behauptung, das Wort „sozial“ in „Sozialen Netzwerken“ wie zum Beispiel Facebook, Twitter, Google+ bedeute soviel wie fürsorglich, um das Wohl anderer besorgt, altruistisch.
Denkt man ein paar Minuten länger über Facebook und Co nach, dann erkennt man, dass dessen Sinn den ursprünglichen Kern des Wortes sozial (gemeinsam, verbunden) abbildet: Diese Netzwerke wollen es ihren Nutzern — mehr oder weniger wertfrei – ermöglichen, sich untereinander auszutauschen. Das kann man „im Internet“ seit seiner Erfindung prima, es ist nämlich dessen tiefer Sinn: möglichst reibungslose Kommunikation, gelegentlich auch Interaktion und Kooperation.
Das aus Sicht des Datenschutzes Nachdenkenswerte sind nicht die sozialen Netzwerke an sich sondern die heutzutage mögliche Abbildung von Soziogrammen der Nutzern in Verbindung mit der wirtschaftlich motivierten Ausleuchtung des „Sozialen Graphen“, etwa indem möglichst attraktive (im Sinne des Anbieters) Werbung geschaltet wird. Das Auge der Datenschützer richtet sich also nicht auf das Ermöglichen sozialer Verknüpfung sondern auf das Ausleuchten des „Sozialen Graphen“ durch den Anbieter der Plattform. Denn die Sammlung oder Auswertung solcher Datenmengen unterliegt, von Land zu Land unterschiedlichen, datenschutzrechtlichen Regeln. Ein möglicher Verstoß gegen in einem Land bestehende datenschutzrechtliche Regeln ist deshalb – nun ja – ein möglicher Verstoß gegen in einem Land bestehende datenschutzrechtliche Regeln. Aber sicher keine Aussage darüber, ob ein Netzwerke nun sozial, sozialer oder asozial ist.
Das ULD negiert, sicher besseren Wissens, diesen Zusammenhang, geheimnist eine andere Bedeutung in das Wort „sozial“ und überschreibt seine diesjährige Sommerakademie mit der unsinnigen Behauptung „Sozialere Netzwerke im Internet − durch Datenschutz“.
Das muss einen nicht abschrecken. Die Veranstaltung scheint spannend zu werden. Die Anmeldung erfolgt online.
Am Montag, den 27. August 2012, trifft man sich um 08.30 Uhr in einem Kieler Hotel in der Raiffeisenstraße 2. In der breit angelegten Eröffnungsphase versprechen unterschiedliche Referenten interessanten Input:
- Ministerpräsident Torsten Albig wird über „Facebook zwischen Kommunikationsbedarf und Datenschutz“ sprechen und sich dabei (erstmals?) positionieren müssen in dem Streit zwischen ULD und Landesregierung über die „staatliche“ Nutzung von Facebook
- Dr. Nina Haferkamp, Juniorprofessorin am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Technische Universität Dresden (hier ein Interview des Flurfunk Dresden mit ihr ) referiert über Digitale Communities — sozialpsychologisch gesehen
- Klaus Müller, früher mal grüner Minister in Kiel und heute Vorstand der Verbraucherzentrale NRW e. V, wägt ab: Social Communities − Nutzen und Fluch für Verbraucher.
- Dr. Gunnar Bender, Director Public Policy bei Facebook Deutschland betrachtet Facebook — zwischen Medienkompetenz und Datenschutz
- Das grüne Mitglied des Europäischen Parlaments, Jan Philipp Albrecht, in Brüssel Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten/Rechtsausschuss, spricht über Social Communities in der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung
Unter der Moderation, der stellvertretenden Landesbeauftragten für Datenschutz Schleswig-Holstein, Marit Hansen, werden ab 11.00 auf Podium Jan Philipp Albrecht, Dr. Gunnar Bender, Prof. Dr. Nina Haferkamp, Klaus Müller und Max Schrems von europe-v-facebook.org (Österreichischer Datenschutzaktivist, der nach Meinung der Süddeutschen Zeitung Facebook nervt) diskutieren.
Nach der Mittagspause gibt es 10 spannende Workshops in zwei Blöcken, die von Mitarbeitern des ULD moderiert und referiert werden.
Block 1
- Praktische Auswirkungen der Nutzung sozialer Medien,
- Öffentliche Stellen und soziale Netzwerke − geht das?
- „Wir müssen da rein“ − was Unternehmen bei der Eigenpräsentation in sozialen Netzwerken beachten müssen
- Soziale Netzwerke − Ermittlungshelfer für die Polizei?
- Facebook − Datenschutzstrategien für Nutzende
Block 2
- Verteilte soziale Netzwerke − Technik, Chancen und Risiken
- Attribut-basierte Credentials im Praxistext − mehr Datenschutz im sozialen Netzwerk einer schwedischen Schule
- „Wir sind drin. Und nun?“ − Nutzung von Social Media durch, für und gegen Beschäftigte
- Gesichtserkennung, Friendfinding, Social-Plugins, Schattenprofile − Nutzung von Daten Dritter durch Social Media-Dienste
- Liquid Democracy und Online-Beteiligung − wie es die Datenschützer gestalten würden
Um 16.00 Uhr bindet dann ein politisch besetztes Podium die Veranstaltung ab. Unter der Moderation von Dr. Thilo Weichert diskutieren über „Social Communities in Schleswig-Holstein“:
- Torsten Albig, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein
- Ingrid Brand-Hückstädt, Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Kommission für Internet und Medien
- Dr. Patrick Breyer, Hardcore-Datenschutz-Aktivist und Fraktionsvorsitzender der Piratenpartei im Schleswig-Holsteinischen Landtag
- Matthias Kammer, Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, (und bis letztes Jahr Vorstandvorsitzender bei Dataport)
Ich hätte mir noch einen Vertreter der IHK (mit der das ULD wegen Facebook bekanntlich im Clinch liegt) oder des Lorenz-von-Stein-Institutes gewünscht. Aber unabhängig davon sollte das ein interessanter Tag werden.