
Waltraud "Wara" Wende (Kaffeeringe - spd-geschichtswerkstatt.de CC-BY)
Der Beitrag im NDR Schleswig Holstein Magazin über die Missstände in Bezug auf Zeitverträge und Lohndumping an Schleswig-Holsteins Schulen, von dem das Landesblog am Tag der Ausstrahlung berichtete, hat offensichtlich nicht nur in den Lehrerzimmern des Landes für viele Diskussionen gesorgt, sondern auch bei den Parteien, die an den darauf folgenden Tagen mit entsprechenden Pressemitteilungen reagierten. So weist die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Heike Franzen, darauf hin, dass die Ministerin Waltraud „Wara” Wende „seit Monaten einen Bericht zu befristet arbeitenden Lehrkräften vor[bereite]. Wie kann sie in dieser Situation behaupten, von der Situation keine Ahnung zu haben? Irgendjemand im Bildungsministerium muss die geschilderten Verfahren schließlich eingeführt haben“. Außerdem habe sie „bereits im Mai angekündigt …, zumindest auf kurzfristige Zeitverträge zu verzichten. Tatsache ist weiter, dass sie bislang auch auf Nachfrage dazu nichts vorgelegt hat.” Des Weiteren weist sie darauf hin, „dass während der Amtszeit von Bildungsministerin Professor Wende die Zahl der befristeten Verträge um 20 Prozent gestiegen sei.” Diese Aussagen geben den Kollegen an der Basis natürlich zu denken, denn im Fernsehbeitrag wirkte die Ministerin eher überrascht von den Rahmenbedingungen, die an Schulen im Land herrschen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Schleswig-Holsteins und Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Martin Habersaat, reagierte ebenfalls mit einer Pressemitteilung auf den kürzlich gesendeten Fernsehbeitrag. So nimmt er auf die Problematik der Zeitverträge als „notwendiges Übel” Bezug, was auch im Falle von Krankheits- oder Elternzeitvertretungen völlig nachvollziehbar und sicherlich auch für die betroffenen Kollegen akzeptabel ist. Aber diese Art von Verträgen ist im Rahmen der Berichterstattung und des Unmuts an den Schulen vor Ort auch nicht gemeint. Es handelt sich viel mehr um Fälle, in denen beispielsweise an Schulen verbeamtete Kollegen mit Realschullaufbahn in Pension verabschiedet wurden und die dadurch frei werdenden Stellen nur als einjährige, befristete Grund- und Hauptschulstellen, vergütet mit TVL 11 ausgeschrieben und besetzt werden durften. Hier greift das Argument des „notwendigen Übels” nicht, denn was spricht dagegen, diese Stelle wieder als unbefristete, verbeamtete Stellen auszuschreiben, da sie doch seit Jahrzehnten als solche im System waren und die Gefahr einer Doppelbesetzung nicht gegeben ist. Solche und ähnliche Beispiele gibt es an vielen Schulen, wenn man den Berichten von Lehrkräften, die sich auf Fortbildungen mit Kollegen aus anderen Schulen Schleswig-Holsteins austauschen, Glauben schenken darf.
Auch der Hinweis darauf, dass es mehrere Möglichkeiten gäbe, sich als Betroffener gegen diese Missstände zu wehren oder sie öffentlich zu machen, lesen sich leichter als sie umgesetzt werden können. Ebenso, dass Schulleitungen und Personalvertretungen, die sich für die Belange ihrer angestellten Mitarbeiter einsetzen, in den oberen Etagen des Dienstwegs Gehör finden und dass es keine Androhung von Sanktionen gibt. Natürlich hat keiner der angestellten Lehrerkräfte direkte Androhungen zu hören bekommen, aber wenn man als das entbehrlichste, unterste Glied der Kette behandelt wird, sind die Bedenken schon größer, lauthals die Entscheidungen derjenigen in Frage zu stellen, die letztendlich über eine unbefristete Einstellung entscheiden.
Persönlicher Kommentar
Meiner Erfahrung nach, als Mitglied des örtlichen Personalrats an einer Schule mit solchen Problemen, ist in Bezug auf Versuche, über den Dienstweg mit der Schulaufsicht ins Gespräch zu kommen eher negativ, da die Bitte um einen Gesprächstermin als nicht nötig erachtet wurde und der Hinweis erfolgte, sich an den nächsthöhere Stelle der Personalvertretungen zu wenden. Ziel des Gesprächs war von uns als Personalrat, auf die Belastungen aufmerksam zu machen, denen meine Kollegen mit Zeitverträgen ausgesetzt sind, da sie zu Konditionen arbeiten müssen, die nicht ihrer studierten Laufbahn entsprechen und dank der Umwandlung der oben genannten verbeamteten Stellen in befristeten Verträge gebunden sind. Meldungen der Missstände vor Ort an den Bezirks- und Hauptpersonalrat werden zwar aufgenommen, aber es wird signalisiert, dass es unserer Schule nicht allein so geht und die Handlungsmöglichkeiten der Personalräte sehr begrenzt sind. Auch wenn man sich also mit den angestellten Kollegen in misslichen Vertragssituationen solidarisch erklären will, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ist das nicht so ohne Weiteres möglich, denn man findet nirgends wirklich Gehör.
Mit dem Beitrag im NDR ist ein erster Schritt in Sachen Öffentlichkeit getan und offensichtlich hat dieser auch eine Diskussion innerhalb der Parteien ausgelöst, nun bleibt jedoch abzuwarten, ob diese auch Früchte tragen wird, damit die Arbeitssituation für die Betroffenen tatsächlich besser wird. Mittlerweile ist in der NDR Mediathek auch das komplette Interview mit Bildungsministerin Waltraud „Wara” Wende zu sehen und sollte sie tatsächlich zu ihren Zusicherungen stehen, müsste das spätestens nach den Herbstferien eine Vertragsänderung für die betroffenen Lehrerkräfte nach sich ziehen.
Pressemitteilungen im Überblick
- Anita Klahn (FDP): Ministerin Wende wird sich erklären müssen!
- Heike Franzen (CDU): Auf Wendes „zeitnahe“ Vorschläge zur Reduzierung befristeter Verträge warten die Betroffenen seit Mai
- Heike Franzen (CDU): Befristet beschäftigten Lehrkräften: Wendes öffentlich zur Schau getragene Ahnungslosigkeit ist unglaubwürdig
- Sven Krumbeck (Piraten): Bericht über Lehrer-Zeitverträge macht hellhörig
- Martin Habersaat (SPD): Ohne Zeitverträge keine Unterrichtsversorgung!
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