Radio mit noch mehr Auswahl / CC-BY-SA
Seitens der Politik gibt es etwa seit dem Sommer die grundsätzliche Bereitschaft, in Schleswig-Holstein auch Lokalradios zulassen zu wollen. Das bringt Zeitungsverleger und die landesweiten, privaten Radiosender auf die Zinne und es sorgt für Enthusiasmus bei denen, die sich etwa auf Sylt oder rund um Ratzeburg teils schon seit Jahren für Lokalradio engagieren. Am Montag hat sich zudem das Lokalradionetzwerk Radiogroup zum Thema geäußert.
Geplant sind seitens der Landesregierung Lizenzen für zunächst zwei kommerzielle, private Lokalradios. Eines auf Sylt und eines in Ratzeburg. (Leider ist die darin erwähnte Studie der MA HSH online nicht verfügbar.) Auf Sylt gibt es bereits zwei lokale Webradios, in Ratzeburg strengt sich ein Betreiber sehr an, dort auch auf UKW senden zu dürfen und hat dazu sogar eine Studie bei Ex-Alsterradio-Inhaber Ulrich Bunsmann in Auftrag gegeben. Ergebnis: Nicht leicht, aber machbar.
Gegner: Zeitungsverlage und etablierte Radiosender
Die Medienholding Regiocast mit den drei landesweiten Privatradios r.sh, Radio NORA und delta radio hat sich schon früh in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden der Parteien im schleswig-holsteinischen Landtag gewandt, den Patrick Breyer (Piraten) in seinem Blog veröffentlicht hat. Darin heißt es unter anderem, dass die Werbelandschaft in Schleswig-Holstein drei landesweite und zusätzliche lokale Radiosender wirtschaftlich nicht tragen könne. Die Verfasser bauen folgendes Szenario auf: Wenn Lokalradios in Schleswig-Holstein lizensiert werden, buchen bisher regional orientierte Kunden ihre Werbung nicht mehr länger regionalisiert bei den großen Sendern, sondern tragen ihr Geld lieber zum Lokalradio vor Ort. r.sh rechnet stellvertretend für die anderen beiden Sender des Hauses mit Einnahmeausfällen von rund zwei Millionen Euro pro Jahr.
Weiter führt die Regiocast die Meinungsvielfalt an, die durch Lokalradios keinen entscheidenden Beitrag erfahren würde. Im Wesentlichen stützt sich diese Befürchtung auch auf die Wirtschaftlichkeit der Sender:
Die Produktion meinungsrelevanter Inhalte jedweder medialen Aufbereitung (TV, Radio, Print, Online) ist kostenintensiv. Wort, insbesondere meinungsrelevantes Wort, ist in der Radioproduktion der teuerste Programmbestandteil. Dies gilt insbesondere für lokale Themen, da deren journalistische Aufbereitung zumeist nicht durch Nachrichtenagenturen wie dpa vorbereitet wird. Keine journalistisch saubere, personalintensive Aufbereitung lokaler Themen wäre hingegen das reine Verlesen von Pressemitteilungen oder die ungefilterte Verwendung anderweitig interessengeleiteter Kommunikation. Im Gegenteil: Ein derartiges Handwerksverständnis, was [siehe unten] im Lokalfunk in Deutschland gerade in kleineren Lokalstationen vielfach zu beobachten ist, führt den Gedanken der objektiven, journalistischen Publizität und Meinungsrelevanz ad absurdum.
Die Produktion zumindest stündlicher Iokaler Nachrichten im Tagesprogramm erfordert die Beschäftigung von mindestens drei Nachrichtenredakteuren. Weitere, Lokalinformationen „sammelnde“ Reporter sowie Moderatoren sind notwendig, um auch nur in die Nähe von Meinungsrelevanz zu kommen.
Der Brief schließt mit einem — wie ich finde — unverhohlenen Erpressungsversuch:
Gleichsam drückt sich die über viele Jahre geschaffene Verbundenheit der R.SH-Gruppe/REGIOCAST mit seinem .Stamm-Bundesland” unternehmerisch auch darin aus, dass rund 50 Mitarbeiter in Kiel für Radiostationen außerhalb Schleswig-Holsteins tätig sind: dies obwohl REGIOCAST daneben Standorte in deutlich medienaffineren Städten wie Hamburg, Frankfurt oder Berlin unterhält.
Als weitere Gegenargumente werden im Anhang ein transskribierter ZAPP-Beitrag über den Radiogroup-Lokalsender „Antenne Kaiserslautern”, ein Artikel über ein NRW-Lokalradio, das aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste, und die eigene regionale Berichterstattung angeführt. Dazu komme ich noch.
Befürworter: Die Lokalradio-Kette Radiogroup
Anfang dieser Woche veröffentlichte Patrick Breyer ein Positionspapier „Pro Lokalfunk” der Radiogroup auf seinem Blog. Die Verfasser stellen darin den Lokalfunk als uneingeschränkte Erfolgsgeschichte dar und sprechen die meines Erachtens etwas steile These aus, dass Schleswig-Holstein locker 14 kommerzielle, private Lokalradios tragen könne. Besonders schön ist der Hinweis, dass es in den USA rund 10.000 lokale Radiosender gebe und dass dies für großes, ungenutztes Lokalradiopotential für Deutschland spreche. (Auf die Idee muss man natürlich erstmal kommen.)
Anders als die Regiocast argumentiert die Radiogroup, dass zwar der Anteil von Radio am Werbemarkt insgesamt mit 5% sehr gering sei, die Umsätze der deutschen Radios zuletzt aber gestiegen seien. Auch der Kostendeckungsgrad von Lokalradios sei — einer im Positionspapier verlinkten Studie der BLM zufolge — mit 108 bis 119% durchaus zufriedenstellend.
Dabei hat der Privatfunk in Bayern mir dem Bayerischen Rundfunk einen starken Mitbewerber im Werbemarkt, der täglich 128 Minuten auf 5 werbetragenden Programmen senden darf. Die Radio Group mit 11 Sendern in Rheinland-Pfalz hat mit dem SWR einen Marktteilnehmer, der sogar 177 Minuten auf 5 Programmen machen darf. Der NDR hat nur ein einziges werbetragendes Programm mit einem Limit von nur 60 Minuten Werbung pro Tag. Entsprechend größer sind in Norddeutschland auch die Potenziale für privaten Hörfunk.
Die von der Regiocast gestreute Angst vor dem Abwandern zahlreicher regionaler Werbekunden tritt die Radio Group mit ihren eigenen Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz entgegen:
Bei Markteintritt eines weiteren Senders ist zudem zu beobachten, dass alle Akteure gewinnen. Bei Sendestart von sechs der Radio-Group-Sender in Rheinland-Pfalz 2008 konnte der Mitbewerber RPR 1 sowohl an Reichweite als auch an Umsätzen zulegen. Die neuen Sender haben offensichtlich bis dahin nicht ausgeschöpfte Potenziale erschlossen. Tatsächlich schalten über 80 % der Werbekunden der Radio Group keine Werbung selbst auf den regionalen Fenstern von RPR 1 (analog zu RSH), weil auch das kleinere Sendegebiet immer noch zu hohe Streuverluste bedeutet. Dies gilt für sehr viele Gewerbetreibende, die nur ein sehr eingeschränktes Einzugsgebiet haben, wie z.B. Gastronomie, Handwerk, Apotheken, Ärzte, Anwälte und den überwiegenden Teil des kleinen und mittleren Einzelhandels.
Weiter führt die Gruppe an, dass es nach dem Start von Antenne Kaiserslautern einen spürbaren Qualitätszuwachs beim landesweiten Wettbewerber RPR 1 und der Lokalzeitung gegeben habe und dass eine Studie der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt den Lokalradios der Radio Group bescheinige, „im Hinblick auf die Qualität, insbesondere des lokalen, informierenden Wortprogramms, und auf die Nutzung im lokalen Hörermarkt sehr gute Ergebnisse (zu) erzielen”.
Nicht alles Gold was glänzt
Die besagte Lokalfunkstudie stammt aus dem Jahr 2010 und ist lediglich eine Umfrage unter den Hörern der Sender. Man kann hier also nicht von einer Untersuchung der Inhalte sprechen, auch wenn die Radiogroup das ein wenig so darstellt. Plakativ formuliert bildet die Studie die „gefühlte Qualität” ab. Dass es mit der Qualität, insbesondere des lokalen, informierenden Wortprogramms offenbar anders aussieht, als es die Hörer der Programme wahrnehmen, zeigte besagter ZAPP-Beitrag im April 2013, den die Regiocast in ihrem Brief an die Fraktionsvorsitzenden in seiner transskribierten Form anfügt.
Natürlich lobt sich auch die Regiocast selbst über den grünen Klee. Über die eigene publizistische Leistung heißt es:
R.SH schaltet mindestens 5x am Tag seine Programme zum Teil mehrfach (!) auseinander, und dies nicht nur in die Regionen Nord und Süd, sondern in bis zu fünf verschiedene (!) Regionen im Land. (Anm.: Interpunktion von denen)
Damit sind zunächst die Regionalnachrichten gemeint, die mit etwa 2 Minuten Länge montags bis freitags tatsächlich fünf mal täglich ausgestrahlt werden. Radio Nora und delta radio regionalisieren ihre Nachrichten jeweils vier mal täglich, delta radio rechnet auch täglich vier Ausgaben des regionalisierten Veranstaltungskalenders mit in die publizistische Leistung ein. Eine nicht besonders aufwändige Stichprobe ergibt: Für die Regionalnachrichten werden zwei inhaltlich unterschiedliche Nachrichtensendungen produziert, die rollierend wiederholt werden. Damit reduziert sich die publizistische Leistung in der regionalen Berichterstattung um mindestens 50%.
Was passiert da nun inhaltlich?
Die Regionalnachrichten aller drei Sender werden vom selben Sprecher präsentiert. Dementsprechend ist keine dieser Sendungen eine originäre Eigenleistung des jeweiligen Senders. Die publizistische Leistung eines jeden Senders reduziert sich dadurch noch weiter. Ich habe in letzter Zeit immer mal wieder verschiedene Ausgaben der Regionalnachrichten für die Region Flensburg/Sylt/Heide gehört. Das ist zwar Standard, handwerklich sauber, aber letztlich Agenturjournalismus, der mit telefonischen O-Tönen aufgepeppt wurde. Eigene Geschichten habe ich dort bislang nicht gehört, inwiefern eine echte Themenrecherche im Tagesgeschäft dieser Nachrichtenproduktion überhaupt möglich ist, kann ich nicht einschätzen. Da sich in Heide zwei Sendegebiete überschneiden, kann ich ebenfalls sicher sagen, dass es auch nur einen Sprecher für die verschiedenen Regionalisierungen gibt. Da ist also ein Mitarbeiter mit (laut Regiocast) fünf Regionen und drei Sendern beschäftigt. Der kann sich natürlich sehr großzügig bei den landesweiten Nachrichten bedienen, zum Teil laufen Meldungen in den jeweiligen Hauptnachrichten und werden eine halbe Stunde später wortgleich in den Regionalnachrichten wiederholt — nur eben von einem anderen Sprecher. Eines jedoch kann er nicht: Sich in eine Region einarbeiten, echte Kontakte aufbauen und eigene Themen recherchieren. Das kann Lokalfunk aber. Reporter vor Ort schaffen sich Netzwerke, sind in der Region bekannt und bekommen so Wind von Themen, bevor sie durch die Agenturen laufen.
Fazit
Schleswig-Holstein braucht mehr publizistische Vielfalt. Ich kann in dem Punkt ein Argument der Radiogroup vollumfänglich unterschreiben:
Die Medienlandschaft in Schleswig-Holstein ist von einer sehr hohen Konzentration geprägt. Der Großteil der Gemeinden wird nur von einer einzigen Tageszeitung versorgt, die wiederum zumeist den Markt für werbefinanzierte Wochenzeitungen beherrscht und das größte lokale Online-Angebot betreibt. Weiterhin sind diese wenigen Zeitungsverlage die größten Gesellschafter bei den drei landesweiten Radiosendern. Diese werden aus einer Hand (MACH 3) vermarktet und produziert (Radiozentrum Kiel). Schon laut Konzentrationsbericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) in einer Fallstudie über Radio Schleswig-Holstein, liegt also unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt keine optimale Struktur vor“. Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Dies gilt für RSH insbesondere in Norddeutschland.“ Nach Ansicht von Dr. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), ist die Medien- und damit die Meinungsvielfalt besonders im lokalen Bereich stark gefährdet. Auch das KEK-Mitglied, Prof. Dr. Dieter Dörr, hat in einer Rede bei der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) vor der bestehenden Gefahr zunehmender Medienkonzentration gewarnt.
Das allein ist das Wichtigste Argument für die Zulassung vieler Lokalradios. Es ist dann eine Frage der Medienaufsicht und der Lizenzauflagen, ob und wie ein echter publizistischer Mehrwert entstehen kann. Entscheidend ist, dass die Lizenzkommission den Anbietern den Zuschlag für die Sendelizenzen gibt, die sich schon jetzt vor Ort engagieren. Ein ehemaliger Geschäftsführer eines Radiogroup-Senders hat mir im persönlichen Gespräch einst gesagt „Es gibt Low Budget-Sender, wir sind ein No Budget-Sender” und das lasse ich jetzt mal unkommentiert so stehen.
Dass die Landesregierung die ganzjährig wirtschaftlich attraktiven Märkte ausklammert und stattdessen nur auf Sylt und Ratzeburg setzt, kann nur als Einknicken vor Verlagen und Regiocast verstanden werden. In Städten wie Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster wirtschaftlich tragfähig und thematisch vielfältig zu arbeiten ist nach meiner Einschätzung überhaupt kein Problem. Die Macher auf Sylt und in Ratzeburg werden sich sehr stark strecken müssen.
Aber bitte nicht falsch verstehen: Selbst in einem vergleichsweise kleinen Markt kann man grundsätzlich ein wirtschaftlich tragfähiges Lokalradio betreiben, davon bin ich überzeugt. Wichtig ist natürlich, sich nicht zu verrennen. Ein Lokalradiobetreiber muss sich ganz zwingend auf seine Kernkompetenz Lokaljournalismus konzentrieren. Das bedeutet im Einzelnen:
- Deutschland/Welt-Nachrichten extern einkaufen. Dienstleister gibt es genug, die Möglichkeiten der Radioautomation ermöglichen es, die Nachrichten nahtlos ins Programm einzufügen.
- Musikplanung extern einkaufen. Es wäre zwar wünschenswert, einen eigenen Musikredakteur zu beschäftigen und individuell zu planen, das kostet aber zu viel.
- Keine 24/7-Moderation. Macht die Konkurrenz auch nicht und ab spätestens 20 Uhr hören nur noch die 5 Taxifahrer der Nachtschicht zu. Ein Kernprogramm von 6.00 bis 18.00 Uhr fast ausschließlich mit lokalen Inhalten zu füllen, ist schon Arbeit genug.
- Landes- und bundesweite Vermarktung durch externe Dienstleister. Das bringt viel und kostet wenig eigenes Personal.
In der Außenwahrnehmung wird durch Hörer oft erwartet, dass ein Lokalradio einem landesweiten Mitbewerber ernsthafte Konkurrenz machen muss und dass er auch die öffentlich-rechtlichen Sender in der Hörerbeliebtheit hinter sich lassen muss, um sich selbst zu rechtfertigen. Das kann man im Augenblick sehr schön bei der Diskussion um den Radiogroup-Sender Antenne Frankfurt sehen, in der unter anderem auch völlig absurde Forderungen nach Ü-Wagen-Einsätzen gestellt werden. Ein Lokalradio kann es sich überhaupt nicht leisten, eine so hochpreisige Technik vorzuhalten. Das muss man als Macher aushalten und dann kann macht Lokalradio auch in einem kleinen Sendegebiet riesigen Spaß.
Disclaimer: Jörn Schaar hat bei einem Sender der Radiogroup sein Volontariat absolviert, war danach für mehrere Jahre freier Mitarbeiter sowohl bei delta radio als auch in der Nachrichtenredaktion der Regiocast und verdient sein Geld mittlerweile beim NDR. Seine Meinung zum Thema hat jedoch nichts mit seiner früheren oder jetzigen Beschäftigung zu tun.
Dieser Artikel ist zuerst in Jörn Schaars Blog erschienen.
Mir ist ganz neu, dass RSH regionale Inhalte hat. Für mich sind Privatradios irgendwie nur Sender die verschiedene Musikauswahl haben, unterbrochen durch Verkehrsfunk, verschiedene Moderatoren und verschiedene Frequenzen. Ansonsten absolut gleichgerichtet und verzichtbar. Das ausgerechnet die mit Inhalten argumentieren ist ja lustig. Da kann ich dem Autor des Artikels nur zustimmen. Inhaltlich gibts mir wenige Sender, die auch bei Text irgendwas leisten. Ich finde da ja Dradio sehr leistungsstark. War dann ganz erstaunt, als die mir mal erklärten wie wenig Geld die bekommen im Vergleich zur ARD.
Wir brauchen Lokalradios, damit die Regiocast-Sender mal wieder qualitativ hochwertigen Hörfunk bieten. Dazu gehört allerdings auch, sein Sendekonzept zu hinterfragen und die Leute nicht einfach mit billigen Spielchen zu ködern. Relevante Informationen? Hintergrundinfos? Fehlanzeige.
Liebe Politiker im Landtag, habt mal Eier in der Hose und gebt Frequenzen frei. Oder wie lange sollen Euch die Verlage noch auf der Nase herumtanzen?
Pingback: Patrick Breyer » Werbefinanziertes Lokalradio in Schleswig-Holstein – Bereicherung oder Verdrängungswettbewerb? [ergänzt am 02.12.2013] (Piratenpartei) - Klarmachen zum Ändern!
Gute Analyse! Aber einige Anmerkungen habe ich dann doch:
Der von ZAPP so aufgebauschte Beitrag über Regelverletzung hat sich längst überholt. Die Medienanstalt hat den Vorgang geprüft. Tatsächlich gab es diesen Wasserrohrbruch (es gibt etliche eidesstattliche Versicherungen von Karstadt-Mitarbeitern). Das erfährt dann natürlich niemand vom NDR. Ob der Vorfall eine wichtige lokale Meldung ist, sei dahingestellt, vielleicht war ja sonst nichts los im Sendegebiet.
Radio Herne ist nie in die Insolvenz gegangen oder eingestellt worden. Die Androhung war das, was sie heißt: Eine Drohung der Funke-Mediengruppe, um im komplizierten NRW-Modell Einsparungen vornehmen zu können (hat übrigens nicht geklappt, da andere potenzielle Betreiber auf den Plan getreten sind). Einen neuen Mitspieler im nahezu 100%-Monopolmarkt hätten sie auch nie zugelassen.
Einen Vergleich mit anderen Ländern finde ich übrigens gar nicht abwegig. Auch Dänemark hat so viele Sender wie ganz Deutschland (300) bei noch nicht einmal einem Zehntel der Bevölkerung. So Potenziale zu sehen, finde ich durchaus zulässig.
Was ich an der Diskussion — und dem ansonsten nuancierten Beitrag hier im Blog nicht verstehe — ist, warum es immer um kommerzielle Lokalradios geht. Haben wir nicht wirklich genug formatiertes Popradio? Es gibt doch die Alternative der nicht-kommerziellen Lokalradios. Die Offenen Kanäle sind doch ein gutes Beispiel für Bürgerbeteiligung und Meinungsfreiheit. Außerdem stehen diese nicht in Konkurrenz zu Regiocast et al. Warum wird nicht ernsthaft darüber gesprochen, die Offenen Kanäle auszubauen, statt neue CHR-Sender für Sylt und andere Gegenden zu etablieren.
Ich kann das nur für mich persönlich beantworten: Ich habe noch kein nicht-kommerzielles Radio gehört, dem ich wirklich gern über einen längeren Zeitraum zugehört hätte. Das mag man „Berufskrankheit” nennen, aber in nicht-kommerziellen Programmen höre ich einfach zu viele Fehler, als das es für mich erträglich wäre. Ich tendiere da sehr stark zur Fremdscham und muss schnell aus- oder umschalten.
Dann schlage ich vor am Donnerstag von 8 – 10 Uhr mal Campus RadioAktiv auf Kiel FM zu hören. Die Qualität der nicht-kommerziellen Lokalradios ist aber sicherlich verbesserungswürdig. Hier sind aber auch Ehrentamtliche Profis gefragt, mal Workshops anzubieten. Noch eine häretische Frage: Gbt es gute Beispiele für anspruchsvolle private Lokalradios?
Die gibt es durchaus: Bei den NRW-Lokalradios wird gutes Programm gemacht, auch wenn die nur einen kleinen Teil ihrer Sendezeit selbst bestreiten. Bei den Vollprogrammen lohnt sich ein Blick nach Bayern, zum Beispiel nach Nürnberg, München oder bei den kleineren Städten beispielsweise Bamberg, Regensburg oder Ausgburg.
Sind wir mal ganz ehrlich:
R.SH hat sich von einem innovativen Sender der 80er Jahre mit analoger Sendetechnik zu einem digitalen Dudelfunk der absoluten „Extraklasse” gemausert. Digitale betrifft eigentlich mehr die Beschreibung von „eins und null“ in der Technik – bei hier hier mehr die Vermutung naheliegt, die Nullen sind auf dem Mischpult in die Verwaltung gewandert. Nur so lässt sich die starre, wenig flexible Haltung gegenüber den Wünschen der Hörer erklären.
Das, was den leidgeplagten Ohren verbleibender Zuhörer präsentiert wird, grenzt mit dem „Kleinen Nils“, dem „lustigen Morning-Duo“ und dem Satz „wir sind Schleswig-Holstein“ — der fast in jeder Moderation bis zu 3 mal wie aus einer Gebetsmühle heruntergeleiert wird – an akustischer Körperverletzung. Hätte der Hörer nicht die Wahl, den Notausschalter in Form des „OFF“ Knopfes seines Radioempfängers zu betätigen – wäre die Körperverletzung gänzlich in den Ohren vollendet.
Diese bewusst in Schleswig-Holstein klein gehaltene Vielfalt der Sender stellt den noch aktiv hörenden Konsumenten vor die Wahl der verbalen Verblödung auf FM oder dem eigenen Musikprogramm auf USB-Stick oder Smartphone. Wer jetzt noch aktiv Radio aus dem Äther hören möchte kann zur eigenen Verteidigung seiner Hörgewohnheiten auf eventuell vorhandene, sadomasochistische Neigungen verweisen oder hat den Inhalt dieser Sender bisher nicht verstanden.
Die Moderationen der Sender — wobei die Vielfalt auf die bisher bekannten Dudelsender begrenzt ist — gleicht einem verbalen Einheitsbrei, dessen Intelligenz nicht größer als die Warteschleife einer Telefonanlage ist. Die hier präsentierten Nachtrichten in einem akustischen Bett aus „umba-umba“ und „tsching-bum-tsching-bum“ gehen erfahrungsgemäß den meisten Hören auf den Geist – wobei sich die nur wenigsten Konsumenten offiziell dazu äußern. Es ist einfacher, den Kasten abzuschalten und sein eigenes, auf USB-Stick mitgebrachtes Programm zu hören. Und genau dieses Verhalten ist der blanke Horror für jeden Radiosender. Das Programm in seiner Vielfalt ist schlichtweg unerträglich geworden.
Vermehrt stellt sich der Hörer die Frage, ob die Musikrotation bewusst so gewählt — oder ein unerkannter Softwarefehler in der ohnehin schon maßlos überteuerten Sendetechnik steckt.
Denn genau hier geben die Sender nach Empfehlung der Systemhäuser immense Summen für überflüssiges, kaum sinnvoll anzusehendes Studioequipment aus — das nur dem Verkäufer eine rosige Bilanz beschert. In Studios, die mehr einem Büro gleichen, brüllen Moderatoren in Headsets ohne jegliches Gefühl für Mikrofonie, Besprechung und Arbeit mit der eigenen Stimme. Lauter, satter – Schriller. Mehr geht nicht, betrachtet man den akustischen Sondermüll, der sich aus Digitalpult, Headset und überflüssigem Soundprozessing ergibt.
Aus eigenen Erfahrungen kann ich mit Gewissen behaupten, das weit über 50% der verwendeten, technischen Infrastruktur eines Senders überflüssige Kapitalvernichtung ist. Zumal dann, wenn wenn für maßlos überteuerte Sendesoftware und Hardwarekomponenten die ohnehin auf Minimum berechneten Finanzmittel verwendet werden.
In einem Konglomerat aus praktischer Unfähigkeit leitender Angestellter und den empfohlenen Ausstattungsmerkmalen eines Senders verbleiben kaum noch Finanzmittel, um wichtige Personalposten zur Charakterisierung eines Senders zu besetzen.
Wen wundert es dann, wenn Nachrichten von stotternden Volontären und zugekauften Agenturen zur allgemeinen Abwertung der Sendequalität herangezogen werden.
In diesem Kontext befürchten die eingesessenen Platzhirsche zu Recht ganz massive Konkurrenz durch neue, innovative Anbieter. Diese werden erfahrungsgemäß mit weniger Verwaltungsaufwand, neuen Ideen und schlanker Aufstellung den Markt bewegen.