
Dekordetail aus dem Fördefoyer im Kieler Konzertgebäude. Entrümpeln und Sanieren, schlägt der Gutachter vor. Foto: panama
Sanieren oder schließen? Kiel besitzt einen hochwertigen Konzertsaal. Der wurde in den 60er Jahren errichtet, über die Jahrzehnte gehegt und gepflegt aber nie substantiell renoviert. Die Defizite im Saal und an der musealen Veranstaltungstechnik sind seit Jahren offensichtlich. Zum 30. Juni nächsten Jahres stellt der Eigentümer den Konzertbetrieb ein. Was dann? Der Kreisverband der CDU in Kiel lud am gestrigen Abend zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion ins Fördefoyer des Kieler Schlosses. Fünf Herren auf dem Podium und das Publikum gaben ihr Votum ab.
Sanieren! lautet das Fazit von Dipl.-Ing. Björn Bergmann. Der Architekt und Partner im Büro bbp lobt die hohe gestalterische Qualität des Baus, dessen großer Saal 1.400 Besucherinnen und Besuchern Platz biete: „Es lohnt, mit dem Bestandsgebäude weiterzuleben!“ In seinem 300 Seiten umfassenden Gutachten für die Stadt Kiel kommt er zum Schluss, aus dem Sanierungsfall mit wenigen Akzenten einer modernen Formensprache ein ganz besonderes Schmuckstück schaffen zu können. Kein zweites Gebäude in Deutschland hätte die Jahrzehnte so gut überstanden wie dieses, warb er beim Publikum. Aber die Foyers müssten gründlich entrümpelt, Bar und Garderobe ihre Plätze tauschen und der Bau dringend in Sachen Wärmedämmung, Brandschutz, Barrierefreiheit, Akustik und Bühnentechnik auf den neuesten Stand gebracht werden — Gesamtkosten brutto: 24,4 Mio Euro, Planungszeit: 18 Monate, Bauzeit: 24 Monate. Ein Neubau läge bei 50 bis 70 Mio.
Sanieren! appelliert Generalmusikdirektor Georg Fritsch. Das Kieler Opernhaus sei kein Konzerthaus, die Sparkassen-Arena bloß eine Stätte für Sport und Shows. Ohne Konzertsaal hätte die Landeshauptstadt wohl kaum Chancen, gute Musiker zu engagieren. Bestätigen könne er die Klagen von Musikern, die auf der Bühne den Klang ihrer Orchesterkollegen mangels Schallreflektoren nicht hören könnten. Dagegen sei für das Publikum die Akustik in dem alten Saal sehr, sehr gut mit einem weichen und transparenten Klang. Für parteipolitische Diskussionen eigne sich das Thema Konzertsaal nicht, mahnte er, und erinnerte eindringlich daran, dass dieser 2002 für 1 Euro vom Land an einen Investor verkauft worden sei: „Er gehört uns nicht!“. Den Betreibern Claudia Lohse und Klaus-Peter Marschall gebühre Lob für die Übernahme dieser öffentlichen Aufgabe: „Jeder Konzertsaal auf der Welt macht Defizite!“
Sanieren! Dr. Niels Bunzen investiert in die Bebauung des sog. Schlossquartiers. Seine NGEG Grundstücksentwicklungsgesellschaft errichtet in unmittelbarer Nachbarschaft über 200 Wohnungen. Für Kunden sei die intakte innerstädtische Infrastruktur kaufentscheidend gewesen, weshalb eine Schließung des Konzertsaales nicht infrage käme. Mit einem sechsstelligen Betrag lasse die NGEG zudem das gesamte Areal für ein harmonisches Gesamtbild ebnen und einheitlich pflastern.
Sanieren! Der Vorsitzende der Kieler CDU-Ratsfraktion ärgert sich über den jüngsten Antrag der Grünen, mit dem die Partei sich das Thema zu eigen machen will. Stefan Kruber ist der Ansicht, dass längst über alle Parteien hinweg Konsens in der Frage herrscht. Mit allen Beteiligten müsse über den Rückkauf der Immobilie verhandelt werden. Neben der Stadt solle sich vor allem das Land an den Sanierungskosten beteiligen: „Mindestens Drittel, eher mehr, denn das Land hat den Verkauf damals veranlasst”. Und er mahnte zur Eile: „Der Saal darf nicht kalt werden. Tourpläne werden über Jahre im Voraus erstellt. Ist Kiel einmal draußen, wird es schwer, den Ort bei den großen Agenturen wieder zu etablieren“.
Sanieren! Stadtkämmerer Wolfgang Röttgers (SPD) ist skeptisch, ob die Vertreter der Kreise im Landtag einer Kostenübernahme zustimmen werden. Da sie jedoch die Kostensteigerung bei der Sanierung der Musik- und Kongresshalle in Lübeck geschluckt hätten, bestünde etwas Hoffnung.
Sanieren! Neben den Philharmonikern, dem NDR und dem Schleswig-Holstein Musik-Festival nutzen diverse andere überregionale Veranstalter den Saal für klassische wie Pop-Konzerte, für Kabarett, Shows und Ballett-, Tanz und Gymnastikaufführungen, Verbände feiern dort an zentraler Stelle in der Landeshauptstadt Feste und Vereine ihre Jubiläen. Und so gab es 100 % Zustimmung im Publikum bei einer spontanen Abstimmung an diesem Abend für den Erhalt der Kulturstätte, die einst als „Akropolis” die neue Mitte der Landeshauptstadt markieren sollte — mit dem Rücken zur Förde, zur Altstadt hin für die flanierenden Bürgerinnen und Bürger jedoch einladend geöffnet.
Der Link zum bbp-Gutachten hat sich geändert. Korrekt ist jetzt dieser: https://ratsinfo.kiel.de/bi/___tmp/tmp/4508103660916393/60916393/00502180/80-Anlagen/01/160914_Studie_Konzertsaal_Anp.pdf
Danke für die Nachricht — prima! Link ist jetzt erneuert.