In dieser Woche ist Oliver Fink von der FDP dran zu erklären, warum er sich die Abende in Sitzungen um die Ohren schlägt. Oliver ist mit 44 Jahren zwar älter als Lennart Fey und Joscha John zusammen, in der Kommunalpolitik aber trotzdem einer der Jüngeren.
Landesblog: Seit wann interessierst Du Dich für Kommunalpolitik?
Oliver Fink: „Ich bin seit Oktober 2003 Mitglied der FDP. In kleinen Parteien ist es nicht unüblich, dass Neuzugänge bei Bereitschaft sehr schnell in die Parteiarbeit eingebunden werden, wenn sie bereit dazu sind. So wurde ich dann im Dezember desselben Jahres als Beisitzer in den Ortsvorstand gewählt. Im Laufe der Ratsperiode 2003 – 2008 habe ich dann den einzigen Ratsvertreter meiner Partei als bürgerliches Mitglied im Sozialausschuss unterstützt.”
Um was geht es bei Kommunalpolitik?
„Die Themen der Kommunalpolitik sind erstaunlich vielfältig. Ich beziehe mich dabei auf die Ebene einer Mittelstadt wie Eckernförde:
Wie sieht die Ausgestaltung der Kinderbetreuung aus? Wie groß ist die Anzahl der Betreuungsplätze der Kinder unter 3 Jahren? Welche Gruppengrößen werden angestrebt? Wie sieht die die Unterstützung von Tagespflegekräften (aka „Tagesmüttern”) aus? Wie werden städtische Betreuungseinrichtungen und die freier Träger im Vergleich behandelt?
Welche Schulen an welchen Orten möchte die Stadt im Rahmen sinkender Schülerzahlen erhalten? Welche Schulen werden geschlossen? Wie kann eine Nachnutzung gestaltet werden? Welche Angebot werden hinsichtlich Ganztagsbetreuung und Schulsozialarbeit vorgehalten?
Welche kulturellen Veranstaltungen und Projekte sollen auf welche Weise gefördert werden? Welche sind nicht darstellbar? In welchem Maße sollen Veranstaltungen in privater Verantwortung unterstützt oder gefördert werden? Wo liegen Schwerpunkte der Kulturarbeit?
Wie werden der fließende und der ruhende Verkehr organisiert? Welche Stellung besitzen Autos, Fußgänger und Radfahrer im Verkehr? Werden Straßen ausgebaut oder verkehrsberuhigt?
Wie kann eine Stadt sich entwickeln und dabei doch ihre Struktur und ihr Wesen behalten? An welcher Stelle muss mit Bebauungsplänen regelnd eingegriffen werden? Wo ist das nicht möglich oder auch gar nicht gewünscht? Auf welche Weise kommt es bei der Stadtentwicklung zu einem Ausgleich zwischen dem Erhalt des Stadtbildes, dem Denkmalschutz, der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Entwicklung von Quartieren und privaten Interessen?
Wie kann sich die Stadt hinsichtlich des Wohnraums entwickeln? Wie kann günstiger Wohnraum gerade für junge Familien (Miete und Eigentum) geschaffen werden, um der Alterung der Bürgerschaft entgegen zu wirken? Auf welche Weise wird die Umsetzung der Barrierefreiheit auf öffentlichem Eigentum umgesetzt – wie können Private ebenfalls dazu motiviert werden?
Welche Ziele verfolgen Gesellschaften mit städtischer Beteiligung? Setzen sie dabei die Ziele der Stadt um? Werden sie in betriebswirtschaftlicher Hinsicht ordnungsgemäß geführt?
Wie geht die Stadt mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld um? Können Schulden reduziert oder gar Rücklagen angelegt werden? Wie können Einnahmen erhöht oder Ausgaben gesenkt werden – und welche Auswirkungen hat das? Wie können die Pflichtaufgaben der Stadt, die weit über 90 Prozent des Haushalts ausmachen, möglichst effizient umgesetzt werden? Wie kann eine nötige Haushaltskonsolidierung möglichst verträglich umgesetzt werden? Welche Aufgaben muss eine Stadt in eigener Regie betreiben, welche beauftragt sie besser bei Anderen?”
Was ist so spannend an Kommunalpolitik?
„Kommunalpolitik ist spannend, weil man direkt die Lebensverhältnisse der Menschen dort mitgestalten kann, wo man lebt. Dabei geht es um alle wesentlichen Fragen des Zusammenlebens. Diese Einschätzung gilt zumindest für die Städte und Gemeinden.
Die Kreisebene sehe ich hingegen mehr als ausführende und umsetzende Körperschaft für Landes- und Bundesgesetze. In meinen Augen ist hier der Gestaltungsspielraum deutlich geringer.”
Und was war Dein spannendstes Erlebnis?
„Für mich persönlich am aufregendsten war mit Sicherheit die Kommunalwahl 2008, weil es meine erste Wahl war. Ich war dabei gleich Spitzenkandidat meiner Partei und musste die Wahl maßgeblich mit organisieren. Die Einarbeitung als Fraktionsvorsitzender war spannend und ich habe außerordentlich viel gelernt.
Generell hält die tägliche Arbeit in der Ratsversammlung und ihren Ausschüssen immer wieder unzählige spannenden Momente, Höhepunkte – aber auch Enttäuschungen – bereit. Schwer fand ich es, wütenden Eltern und Lehrern zu erklären, weshalb ihre Schule verlegt oder gar geschlossen werden muss. Besonders gefreut haben mich die Einführung der Schulsozialarbeit und dass es der gesamten Stadt gelungen ist, den Beschluss der kreiseigenen Krankenhausgesellschaft zu kippen, die Geburtsstation zu schließen. ”
Was musstest Du tun, um von Deiner Partei aufgestellt zu werden?
„Wenn man bereit ist, zuzuhören, konstruktiv mitzuarbeiten und sich mit Engagement einzubringen, dann erlebe ich in allen Parteien, dass man gern in die Arbeit eingebunden wird. In meinem Fall war es so, dass der bisherige Ratsvertreter aus persönlichen Gründen nicht wieder antreten wollte und irgendwie alles auf meine Person zugelaufen zu sein scheint. Es wird dabei auch wohl einen Zusammenhang mit dem zeitlichen Einsatz und der inhaltlichen Arbeit gegeben zu haben. Generell ist das Angebot der Personen, die überhaupt den nötigen Aufwand treiben oder bereit sind, sich mit Positionen, die nicht immer freundlich von Presse und Öffentlichkeit begleitet werden, nach außen zu präsentieren, in allen Parteien – freundlich formuliert – sehr überschaubar. Das ist nicht unverständlich, weil man schon ein dickes Fell benötigt, um das (Miss-)Verhältnis zwischen Anerkennung und Kritik auszuhalten.”
Bist Du jetzt einer von „den Politikern”?
Wenn man so will: Ja. Ich denke aber, dass es schon einen gewichtigen Unterschied macht, ob man in seiner Freizeit mit mehr oder weniger großem, privaten Einsatz Politik macht – oder ob man damit sein Geld verdient. Erstaunlich finde ich, dass dieser Umstand weder in der Berichterstattung noch bei den meisten Bürgern bekannt zu sein scheint. Viele Mitbürger gehen davon aus, dass alle Politiker mit ihrer Arbeit nennenswert Geld verdienen.
Ist Kommunalpolitik nur eine Karrierestufe — Teil der „Ochsentour” oder ist das etwas, was man auch ohne größere Ambitionen macht?
„Kommunalpolitik kann beides sein: eine Stufe auf der Karriereleiter oder auch etwas, das für sich allein einen Wert besitzt. Ambitionen zumindest inhaltlicher Art sollte man schon aufbringen, dass für das persönliche politische Fortkommen ist keine Voraussetzung. Es muss allerdings auch nicht in jedem Fall schädlich sein.
Zumindest in einer Mittelstadt wie Eckernförde kann man von Kommunalpolitik weder leben noch davon reich werden. Das ist auch in Ordnung so. In größeren Städten wie Kiel oder Lübeck kann das womöglich schon anders aussehen. Da mögen allerdings auch die Aufgaben umfangreicher sein. Da kann es dann – wie auch auf Kreisebene – bezahltes Büropersonal oder gar haupt- oder nebenberufliche Geschäftsführer geben.”
Was sind die Probleme von Kommunalpolitik heute?
„Generell haben alle Parteien damit zu kämpfen, dass ihr Personal altert. Dieses ist zum einen der Alterung der Gesellschaft an sich geschuldet, aber auch der Tatsache, dass die Anzahl der aktiven Mitstreiter, die mitten im Leben stehen, doch im allgemeinen eher niedrig liegt. Gründe dafür sind wohl die steigenden beruflichen Anforderungen sowie eine größere Mobilität. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, rückläufig. Dieses Phänomen betrifft ja auch andere Vereine und Organisationen. Insofern haben in der Regel alle Parteien schon damit zu kämpfen, für Wahlen genügend engagiertes und qualifiziertes Personal zu finden.
Die Bürger engagieren sich deshalb dennoch, aber in der Regel immer häufiger ausschließlich für Themen, bei denen sie konkret persönlich betroffen sind – dann auch meist sehr heftig. Das ist übrigens auch einer der Gründe, weshalb sich einige ein kommunalpolitisches Amt nicht antun möchten.
Rezepte, wie man damit umgeht, gibt es nicht. Auch wenn ich neue Verfahren zur Bürgerbeteiligung wichtig finde, mache ich mir wenig Hoffnung, dass sie dieses Problem grundsätzlich lösen. Die kommunale Selbstverwaltung umfasst eben, wie der Teilbegriff „verwaltung” schon anzeigt, auch viele langweilige – aber gleichzeitig wichtige – Themen.”