102 Kandidatinnen und Kandidaten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) stellten sich am 25. Mai 2008, dem Tag der Kommunalwahl, den Bürgerinnen und Bürgern aus den Kreisen Nordfriesland, Ostholstein, Herzogtum Lauenburg und der kreisfreien Landeshauptstadt Kiel zur Wahl. Im Herzogtum Lauenburg (2,1%) und in Kiel (1,7%) schafft die NPD den Einzug in den Kreistag, bzw. in die Ratsversammlung, und sitzt seitdem mit jeweils einem Vertreter in den beiden Kommunalparlamenten.
Seit mehr als zweieinhalb Jahren sitzt zwei Reihen schräg hinter mir der Kreistagsabgeordnete Kay Oelke, NPD. Zweieinhalb Jahre weniger Worte, weniger Anträge und noch weniger politischer Vernunft der selbsternannten „nationalen Opposition“. Doch beginnen wir von vorne:
1.670 der 80.732 Wählerinnen und Wähler im Kreis Herzogtum Lauenburg machten ihr Kreuz bei der NPD. In allen 27 Wahlkreisen konnte die NPD Kandidatinnen und Kandidaten aufbieten. Auch wurde eine neunköpfige Liste aufgestellt.
Durch die Liste zog so ab dem 1. Juni 2008 der ehemalige Vorsitzende der SCHILL-Partei Schleswig-Holstein, Kay Oelke, Jahrgang 1959, in den lauenburgischen Kreistag ein.
Ein NPD-Kreistags“kollege“ war für die anderen Parteien im Kreistag (CDU, SPD, GRÜNE, FDP und LINKE) bis dato ein Novum. Diese verständigten sich darauf, dass alle NPD-Anträge mit allen Stimmen der Demokraten abgelehnt werden, und dass jeweils nur eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gegen den NPD-Antrag spricht.
Schön war hier die Einmütigkeit der oftmals in der Sache streitenden demokratischen Parteien.
Die Ablehnung gegenüber dem NPD-Mann im Kreistag ist groß, nicht nur bei mir. Ob es das bewusste Wegdrehen bei seiner Vereidigung oder das Klönen mit dem Tischnachbarn während seiner Reden ist: Kay Oelke merkt, dass er unbeliebt ist. Zwar versuchte er immer wieder, gerade in Ausschusssitzungen, mit Abgeordneten anderer Parteien in Kontakt zu kommen, doch nur wenige gaben ihm zur Begrüßung die Hand oder wollten mit ihm Kontakt haben.
Der erste inhaltliche Antrag der NPD stand noch im Jahr 2008 auf der Tagesordnung. Die Landesregierung solle aufgefordert werden „schnell und unbürokratisch“ mehr Lehrer ins Herzogtum Lauenburg zu entsenden. Drei weitere kurze Anträge zu den Themen Hartz IV und der Veröffentlichung der Entschädigungen der Kreistagsabgeordneten folgten bis in den Frühjahr 2010.
Wenn man Oelke und sein Abstimmungsverhalten beobachtet, merkt man, dass die NPD inhaltlich entweder gar keine kommunalpolitische Meinung hat oder dass er sich nicht gut auf die Sitzungen vorbereitet.
Enthaltung über Enthaltung, Stillschweigen aus der letzten Reihe, und (in meinen Augen) sinnlose Anfragen zu Themen wie munitionsbelastete Flächen im Kreis oder das vermeintliche Verbot des Tragens von Lonsdale- und Thor-Steinar-Kleidung in Schulen — das ist sie, die selbsternannte „nationale Opposition“.
Die letzte Anfrage jedoch lässt sich auf die NPD-Kontakte zu freien Nationalisten zurückführen. Zu den ersten Kreistagssitzungen brachte Oelke unter anderem den wegen Volksverhetzung verurteilten NPD-Kader Thomas Wulff mit, der ihm von hinten zuflüsterte. Doch auch dafür fand sich eine Lösung: Die Kreistagsbestuhlung in der Aula der Lauenburgischen Gelehrtenschule wurde für kommende Sitzungen etwas nach vorne gezogen.
Wahrscheinlich ist es Wulffs Kontakten zu verdanken, dass die NPD im Herzogtum Lauenburg immer öfter gemeinsame Sache mit den freien Nationalisten macht. Ob Infostände oder das Verteilen von Flugblättern; im Lauenburgischen arbeiten die sich oft bieder gebende NPD und Kameradschaften zusammen.
Im Sommer 2010, knapp zwei Jahre nachdem die NPD in den Kreistag einzog, ließ sich Kay Oelke eine Homepage für seine Kreistagsarbeit erstellen. Mit www.kreistag-herzogtum-lauenburg.de war schnell eine passende Domain gefunden. Allerdings musste Oelke diese nach wenigen Wochen auf dringendes Anraten des Kreises löschen lassen, da diese Domain „unzulässige Namensanmaßung“ sei. Nun findet man seine Internetseite unter einer Domain der KPV, der Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD. Hier sind einige Berichte über eine „Dummheitsoffensive der SPD“ oder einem Skandal im Innenausschuss zu lesen. Außerdem findet man dort seine oben erwähnten Anträge und Anfragen. Nur gut, dass sich laut Besucherzähler noch nicht mal 900 Leute auf die Internetseite verirrt haben.
Den Ausschlag für diesen Artikel gab die Dezember-Sitzung des lauenburgischen Kreistages. Ich twitterte ironisch von einer Sternstunde der nationalen Opposition, doch eigentlich war es ein Aufzeigen der Demokratieverachtung durch den NPD-Abgeordneten.
Zur Haushaltsberatung brachte Oelke einen Antrag ein, die Ausgaben für Migrations- und Integrationsförderung auf Null zu kürzen. Deutsches Steuergeld nur für deutsche Bürger?
Die im Wahlkampf und in der Öffentlichkeit oft so biedere NPD im Lauenburgischen hatte sich öffentlich enttarnt. Hinter der Fassade, dem gemäßigten Aussehen und den scheinbar harmlosen Anträgen steckt Menschenverachtung. Danke für diese Erkenntnis, Herr Oelke.
Was bleibt zu hoffen? Erst einmal ist festzuhalten, dass Kreisverwaltung und Kreistag gut reagiert haben. Der Personalrat sammelte nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses viele Unterschriften unter den Angestellten und Beamten des Kreises, um die Ablehnung der Verwaltung gegen den Einzug der NPD kenntlich zu machen. Die demokratischen Parteien im Kreistag formten ohne zu Zögern eine kleine Allianz gegen Kay Oelke und seine Anträge.
Nur so schafft man es, Undemokraten auflaufen zu lassen und ihnen kein Spielfeld zur Veröffentlichung ihrer Propaganda zu geben.
Im Mai 2013, bei den nächsten Kommunalwahlen, heißt es dann Daumen drücken und wählen gehen. Auf dass die NPD nicht wieder in schleswig-holsteinische Parlamente einzieht.
Und wenn sie doch wieder in Parlamente einzieht? Dann muss man ihr das Leben auf demokratische Weise schwer machen, muss ihre Praktiken hinterfragen und immer wachsam sein. Küsst die Faschisten …
Gastautor Lennart Fey (22), ist Mitglied der SPD-Fraktion im Kreistages Herzogtum Lauenburg
Apropos Rechtsradikale und Schill-Partei. Für Die LINKE Kiel sitzt ein Martin Schmielau im Ortsbeirat Mitte (http://www.kiel.de/ortsbeiraete/pddo.php?9), der früher der Partei Rechtsstaatlicher Offensive Schleswig-Holstein angehörte (Quellen: http://www.jf-archiv.de/archiv02/382yy14.htm, http://www.scharf-links.de/90.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=6949&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=3d541a7793).
Sehr geehrter Herr Thilo Pfennig,
ich persönlich empfinde das schon als sehr boshaft, mich in rechtsradikale Ecke drängen zu wollen! Das entspricht werder meiner persönlich Einstellung, noch meinen Politschem Verständnis!
Mich persönlich haben Sie nie gefragt, wie die Verbindung zur Schill-Partei zustande kam. Und sicherlich werden Sie dies auch nie tun, warum auch?! Es ist ja so schön einfach die 9 Jahre alte PM nach zu- „plappern”. Das Sie keine Anhänger der Partei DIE LINKE sind, ist im Kieler Umkreis ja mehr als bekannt. Aber bitte de formieren Sie keine Personen, ohne den Hintergrund zu kennen…dafür gibt es eine ganz tolle Zeitung Namens „BILD”
Schade das Sie nicht auf den wichtigen Inhalt dieses wichtigen Themas eingehen.
Warum sollte ich mich für Ihre Begegnung mit der Schill-Partei interessieren. Die Verbindung als solches spricht ja schon für sich. Und wenn Sie das hier unbedngt loswerden wollen, so steht ihnen dagen auch nichts im Weg.
Wegdrehen bei der Vereidigung, Palaver während der Reden und grundsätzliches Stimmen gegen NPD-Anträge egal welchen Inhaltes? Dass ist eher armselig als zielführender Kampf gegen Rechtsextremismus. Solch ein Verhalten wird doch keinen der 1.670 NPD-Wähler dazu anregen, ihr Wahlverhalten zu überdenken. Aber genau das muss doch das Ziel von Demokraten sein. Ich gehe sogar einen Schritt weiter und sage: Es wird vielleicht einige Leute noch in ihrer schrägen Denke bestärken. Zumindest ist es argumentativ von Seiten der Rechtsextrem gut zu verwenden.
Dabei wäre es so einfach, die kruden Anträge argumenativ zu zerpflücken und somit ganz einfach zu zeigen, was für ein Unsinn da eingebracht wird. Es ist doch vollkommen egal, ob Kay Oelke merkt, dass er bei allen anderen unbeliebt ist.
Die Schlussfolgerung, man schaffe es so, die Undemokraten auflaufen zu lassen und ihnen kein Spielfeld für Propaganda zu lassen, halte ich für falsch und darüber hinaus für gefährlich. 1.670 Stimmen haben bewiesen, dass der Kreistag dazu nicht nötig war und auch weiterhin nicht sein wird. Er wäre aber die Chance für Demokraten, die NPD inhaltlich zu stellen und so zumindest einen Teil der 1.670 Wähler wieder in ein demoratisches Spektrum zu holen. Mit dem Wegdrehen bei der Vereidigung und Palaver während der Reden wird man das nicht schaffen.
Inhaltlich kann man rechtsradikale nicht wirklich stellen. Denn sie werden nie gewählt, weil sie die besseren Argumente haben. Ich würde eher sagen, das Problem ist, dass Teile ihrer Argumente von soig. Demokraten zu ernst genommen werden — siehe Sarrazin-Debatte — und dann stellt sich die Frage warum die SPD wählen wenn es auch das Original gibt? Inhaltlich kann man gegenüber Rechtsradikalen nur verlieren, wenn man Rassismus und Faschismus als adäquate Politik aufwertet.
Hallo Patrick,
vielleicht habe ich es Artikel nicht verdeutlicht: Jeweils ein demokratischer Abgeordneter spricht gegen Oelkes Anträge und stellt ihn so inhaltlich.
Das Wegdrehen bei der Vereidigung oder das leise Gemurmel bei seinen Reden sind eben Zeichen, dass wir seine Meinung nicht teilen.
Das grundsätzliche Stimmen gegen seine Anträge halte ich übrigens für sehr wichtig, denn wenn er noch so gute Anträge einbringen würde (was er nicht tut) und wir diese mitstimmen würden, dann wäre es normal, dass ein Nazi im Kreistag sitzt. Zur Normalität darf dies aber nicht werden.
Lennart
Sehr geehrter Herr Fey.
das „Wegdrehen” bei der Vereidigung hat doch nichts damit zu tun, daß man die Meinung des politischen Gegners nicht teilt, sondern ist eine Mißachtung parlamentarischer Gepflogenheiten. Ich finde es ist ein Skandal, daß die Nachfolgepartei der SED in Kreis- und Landtagen Einzug gehalten hat und von der SPD als normale Partei behandelt und als Koalitionspartner in Betracht gezogen wird. Mitglieder dieser Partei feiern z.T. noch immer Stalins Geburtstag, verhöhnen die Opfer der SED-Diktatur und rechtfertigen Mauermorde und Schießbefehl.
Skandalös ist wohl eher die NPD und die SED in einen Topf zu werfen. Bei aller Kritik. Alleine was z.B. den Schießebefehl angeht, so hat Frau Merkel inzwischen teilweise in einer Woche mehr Tote an den EU-Außengrenzen mitzuverantworten als in der gesamten DDR-Geschichte durch Schüsse gestorben sind. Achtung muß erst verdient werden. Wer Menschen nach Rassen einteilt hat sicher nicht unsere Achtung verdient.
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Swen Wacker