In Winnenden erschoss 2009 ein jugendlicher Täter 15 Menschen und schließlich sich selbst mit einer Pistole seines Vaters. Dieser, ein Sportschütze, hatte seine 15 Waffen nicht, wie vorgeschrieben, in einem Tresor, sondern teilweise im elterlichen Schlafzimmer aufbewahrt.
Auch wenn wir alle wissen, dass es absolute Kontrolle nicht gibt und Verbote zwar verbieten aber kein Probleme lösen, ist in Deutschland der Besitz von Waffen streng reglementiert. Seit dem Amoklauf in Winnenden noch ein wenig mehr. Besitzer von Waffen können seitdem verdachtsunabhängig kontrolliert werden. Das ist breiter gesellschaftlicher Konsens. Die Geschehnisse in Lörrach im September 2010 oder in Oslo/Utøya im Sommer 2011 verfestigten das.
In Deutschland gibt es im Wesentlichen vier Gründe, weshalb man eine Waffe besitzen darf: Sportschütze (Gelbe Waffenbesitzkarte), Jäger (Grüne Waffenbesitzkarte), Schusswaffensammler (Gelbe Waffenbesitzkarte) oder Erbe. Letztere dürfen nur unbrauchbar gemachte Waffen besitzen. Wer eine Waffe oder Munition sein Eigen nennt, muss sie nach klaren Regeln aufbewahren und Kontrollen der Behörden in seiner Wohnung hinnehmen.
Anfang 2010 erreichte Innenminister Klaus Schlie mit einer Amnestie für die Besitzer illegaler Waffen einen Teilerfolg: 6.460 Waffen, etwa 3.100 davon illegale, sammelten Polizei und Kreise ein. Seine damalige Presseerklärung schloss mit der Freude darüber, dass die Kreise „ihre Kontrollen verstärkt hätten. So würden beispielsweise Waffenbesitzer häufiger aufgefordert, einen Nachweis über die ordnungsgemäße Aufbewahrung ihrer Waffen vorzulegen.“
Silke Hinrichsen, SSW-Abgeordnete aus Flensburg, hat im September in einer Kleinen Anfrage zum Privaten Waffenbesitz in Schleswig-Holstein erstaunliches in Erfahrung gebracht. In Schleswig-Holstein gab es im Mai 2009 74.148 Waffenbesitzer. Bei den Kreisen waren 232.270 Waffen registriert. Jeden achte erwachsene Schleswig-Holsteiner besitzt rein rechnerisch eine Waffe. Tatsächlich sind es weit weniger, die dafür jeweils mehrere Waffen besitzen: Jeder 25. Schleswig-Holsteiner (4,02%) ist Waffenbesitzer, im Schnitt nennt er drei Waffen sein eigen.
Auf die Kreise verteilt sich das (Daten aus 2009) wie folgt:
Kreis | Bevölkerung | Waffenbesitzer | Schnitt |
Rendsburg-Eckernförde | 219.963 | 10.727 | 4,88% |
Ostholstein | 172.741 | 7.693 | 4,45% |
Plön | 111.644 | 4.832 | 4,33% |
Dithmarschen* | 110.581 | 4.600 | 4,16% |
Herzogtum Lauenburg | 152.276 | 5.705 | 3,75% |
Schleswig-Flensburg | 160.918 | 5.389 | 3,35% |
Nordfriesland | 135.643 | 4.473 | 3,30% |
Segeberg | 211.157 | 6.796 | 3,22% |
Steinburg | 109.037 | 3.370 | 3,09% |
Stormarn | 187.059 | 5.700 | 3,05% |
Pinneberg* | 249.198 | 6.000 | 2,41% |
Flensburg* | 74.893 | 1.600 | 2,14% |
Kiel | 203.843 | 3.485 | 1,71% |
Lübeck | 176.886 | 2.865 | 1,62% |
Neumünster | 63.196 | 913 | 1,44% |
Summe/Schnitt | 1.846.043 | 74.148 | 4,02% |
In Dithmarschen, Flensburg und Pinneberg hat man nicht gezählt sondern gerundet oder geschätzt.
Erwartungsgemäß ist die Anzahl der Waffenbesitzer in den Städten niedriger als auf dem Lande, wo Jagd und Schützenvereine eine größere Rolle spielen.
Sucht man nach der Anzahl der Jäger und Schützenvereinsmitglieder, dann kommt man längst noch nicht auf die rund 74.000 Waffenbesitzer: knapp 20.000 Jagdscheininhaber und rund 27.000 Schützen gibt es. Da fehlen noch 27.000, um auf die 74.000 zu kommen.
In seiner Antwort räumte der Innenminister ein dass ihm Angaben über die Anzahl der in Schleswig-Holstein durchgeführten Kontrollen nicht vorlägen.
Wenn die Zahlen stimmen, die Anke Spoorendonk gestern (05. Oktober 2011) im Landtag vortrug, dann hätte ich das auch lieber nicht wissen wollen. In Lübeck, so die SSW-Abgeordnete, finden 10 – 15 angemeldete und unangemeldete Hausbesuche pro Monat statt. Im Kreis Rendsburg-Eckernförde sind es prozentual deutlich weniger: ca. 50 verdachtsabhängige Kontrollen im Jahr. Das ist besorgniserregend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im Kreis Plön im Juli 2011 bei 11 unangemeldeten Kontrollen nur ein einziger gefunden wurde, der seine Schusswaffen ordnungsgemäß aufbewahrte. Zwei Besitzer bekamen die Note „zufriedenstellend“. Bei den anderen fand die Waffenbehörde, zum Teil geladene, Waffen auf Kleiderschränken, in Regalen und Abseiten. Einer hatte sogar eine geladene Kurzwaffe mit 14 Schuss in der Nachttischschublade.
Anke Spoorendonk vom SSW, Thorsten Fürter von den Grünen und der Linke Heinz-Werner Jezewski liebäugelten mit einer Waffensteuer, die auch die Gewerkschaft der Polizei gegenüber den Lübecker Nachrichten befürwortet hat. Damit könne man auch intensivere Kontrollen der Behörden finanzieren. Kai Dolgner von der SPD, der Christdemokrat Werner Kalinka und der liberale Gerrit Koch (der für den erkrankten Jens-Uwe Dankert sprach) konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht mit einer Steuer anfangen. Woher der Abgeordnete Koch Dankert angesichts der ebenso desaströsen wie lediglich vereinzelt stattfindenden Prüfungen davon sprechen mochte, dass die Schusswaffenkontrollen funktionieren und bei den Kreisen gut aufgehoben sind, erschliesst sich nicht wirklich auf Anhieb.
Der Antrag wurde in den Innen- und Rechtsausschuss verwiesen.
Moin,
Zunächst eine kleine Korrektur: Die Rede hat der Kollege Koch gehalten. Herr Dankert war erkrankt. Wir haben zweifellos ein Vollzugsdefizit bei der Aufbewahrungskontrolle durch die Kommunen. Die Frage ist aber, ob man jedes (kommunale) Vollzugsdefizit mit einer juristisch hochumstrittenen Steuer ausgleichen will, oder ob man die Kommunen nicht gleich vernünftig mit Finanzen ausstatten will, damit sie ihre Aufgaben (hier vomn Bundesgesetzgeber) auch erfüllen können. Eine Einzelsteuer des Bundes die nicht zweckgebunden sein darf(!) kommt auch häufig gar nicht bei der Aufgabe an. Die Sektsteuer sollte auch u.a. der Finanzierung des Nord-Ostsee-Kanals (1902) dienen (immerhin 420 Mio Euro im Jahr) und wieviel kommt an? Die Kreise kommen auch Ihrer Kontrolle von Seniorenheimen (auch hier geht es um sehr viele Menschen) mangels Finanzen nicht ausreichend nach, nur ist das halt nicht so publicityträchtig wie eine Diskussion um Waffenkontrollen. Die mangelnden Waffenkontrollen sind nur ein Symptom. Der Bundesgesetzgeber (und die Gesellschaft(!)) muss sich einmal grundsätzlich Gedanken darüber machen, welche Aufgaben von welcher Ebene wie umfangreich erledigt werden sollen, Produktpreise bilden und mit einer entsprechenden Steuerbasis und Steuersätzen die Finanzierung dieser staatlichen Leistungen sicherstellen. Es ist nämlich immer sehr schön, tolle Maßnahmen und Leistungen zu beschließen und sich das Lob der Presse abzuholen und die Kollegen in den Kommunen dann die (Gratis)erledigung zu überlassen. Nach 17 Jahren Kommunalpolitik kann cih davon ein Liedchen singen..
Eine andere Finanzierungsmöglichkeit wäre den Ordnungswidrigkeitsrahmen so zu setzen, dass die Bußgelder bei Verletzung der Aufbewahrungspflichten so hoch sind, dass sie die Aufgabenerledigung mitfinanzieren. Bei Geschwindigkeitsmessungen geht das ja auch ;-). Die angedrohten Bußgelder müssten auch mindestens in der 5fachen Dimension eines ordentlichen Waffenschrankes liegen, um Lenkungseffekte zu erzielen. Wer würde schon ein Parkticket lösen, wenn die zu erwartende Strafe 1 Euro wäre?
Und zurück zur Finanzierung der verdachstunabhängigen Kontrollen: Der Bundesgesetzgeber hat in seiner Begründung zu § 36 Abs. 3 WaffenG festgestellt: „Die verdachtsunabhängigen Kontrollen liegen im öffentlichen Interesse und deswegen werden keine Gebühren erhoben.“
Wir bewegen uns also in einem viel engeren Rahmen, als einige Kollegen, GdP, Lübeckern Nachrichten und andere annehmen oder darstellen. Die Welt ist nun mal nicht immer einfach, ich habe mir das ja nicht ausgedacht ;-).
Es gab ja auch schon diverse Versuche eine Waffensteuer als kommunale Aufwandsteuer einzuführen. Da wurde dann auch als Tiger losgesprungen..Ich bleibe da manchmal lieber gleich Katze, dann fühlt sich das Publikum nicht so verschauckelt, wenn es mal nach dem Endergebnis fragt.
Leider kann man das alles nicht in einem 5 Minutenbeitrag darstellen.
Danke für den Hinweis. Als ich gestern abend meine Notizen sortierte (ich hatte via parla-tv zugeschaut) und die Presserklärungen anschaute, da war mir auch nicht nach Herrn Dankert — habe dann aber doch der Presserklärung geglaubt. Ich korrigiere das gleich im Artikel.
Ich fand es gestern eher schade, dass so sehr auf der Steuerfrage herumgeritten wurde. Weil der Prüfung erkennbar Anlassbezogen ist, fände ich eine Gebührendiskussion zielführender. Zumal ich es taktisch für den falschen Weg halte, mit einer „dieser Steuer für jene Handlung” den Eindruck zu erwecken, es gäbe eine Konnexität zwischen Steuereinnahmen und -ausgaben.
Spannender, das wäre aber was für den Ausschuss, war für mich die Frage, wie sich die Differenz zwischen Jägern/Schützen einerseits und Waffenbesitzer andererseits erklärt. Das können ja nicht alles Sammler, Geldbotenfahrer oder gefährdete Personen sein. Angesicht der erklecklichen Zahl an (legalen) Waffen, die Anfang 2010 abgegeben wurden, könnten man auch vermuten, dass der Entzug der Berechtigung bei Wegfall der Voraussetzungen verbesserungsbedürtig sein könnte.
Ein Unding ist in meinen Augen auch die „Häufigkeit” (man mag das Wort ohne Tüttelchen kaum in den Mund nehmen angesichts der geringen Zahlen) der Prüfungen „vor Ort”. Hier geht es immerhin um potenziell lebensbedrohenden Besitz.