In der letzten Woche haben wir Lennart Fey von der SPD erklären lassen, warum sich junge Menschen in der Kommunalpolitik engagieren. Heute ist Joscha J. John von den Grünen an der Reihe.
Joscha J. John ist 20 Jahre alt und bei den GRÜNEN in Lütjenburg.
Seit wann interessierst Du Dich für Kommunalpolitik? Bzw. seit wann bist Du gewählt und für was?
„Im Jahr 2008 wurde ich zum Vorsitzenden des Stadtjugendrings gewählt. Von da an musste ich mich ohnehin mit der Politik vor Ort auseinandersetzen — und habe mich gleich ein bisschen darin vertieft.
Gewählt bin ich noch nicht — aber ich kandidiere nächstes Jahr für die Stadtvertretung. Wird Zeit, die alten Fronten zwischen CDU und SPD aufzubrechen und als dritte Kraft den Laden aufzumischen!”
Um was geht es bei Kommunalpolitik?
„Kommunalpolitik ist die letzte Meile. Vor Ort entscheidet sich, ob der Rahmen, den EU-, Bundes- und Landesgesetzgebung geschaffen haben, vernünftig ausgefüllt wird oder nicht.
Daher spielen vor allem ganz praktische Fragen des Alltags eine Rolle: Wie stellen wir Kinderbetreuung von Geburt bis Schulabschluss sicher, wie können wir die Wohn- und Lebensqualität für alle steigern, wie organisieren wir umweltverträgliche, generationengerechte und bezahlbare Mobilitätslösungen für die Region?
Und es geht bei Kommunalpolitik auch einfach darum, miteinander Demokratie zu leben. Die Situationen vor Ort sind nicht so komplex wie auf anderen Ebenen und gehen fast alle direkt an — daher ist es gleichermaßen möglich wie wichtig, dass alle mitmischen, nicht nur Mandatstragende!”
Was ist so spannend an Kommunalpolitik?

Joscha J. John (Mitte) im Einsatz für die grüne Sache
„Seien wir ehrlich: Wirklich spannend ist es selten. Abwassergebühren und Straßenwidmungen sind trockenes Zeugs. Interessant ist aber zu beobachten, wie die anderen ticken, welche Gruppenprozesse da ablaufen. Egal ob Gegnerin oder Mitstreiter, ob Antragstellerin oder Bürgermeister — es sind eben alles Menschen und man lernt in und vor allem nach Gremiensitzungen eine Menge über unsere Spezies.
Ansonsten ist Kommunalpolitik für mich selten Grund für flammende Begeisterung, sondern Pflichtprogramm. Sie ist einfach wichtig — und auch wenn man nicht die ganz großen Schrauben dreht, bewegt man einiges. Man hat viele kleine Erfolgserlebnisse und sieht wahrscheinlich viel direkter, was das eigene Handeln bewirkt, als die Profis in Berlin und Brüssel.”
Was war Dein spannendstes Erlebnis?
„Bei uns vor Ort gibt’s eine CDU-Fraktion mit 10, eine SPD-Fraktion mit 9 Stimmen — meist ist also klar, wie Abstimmungen ausgehen. Aber manchmal kippelt dann auf einmal doch jemand aus der Mehrheitsfraktion — die Dynamik, die sich da ganz überraschend entfalten kann, ist schon spannend.
Was war Dein bisheriges Highlight?
Highlight war für mich der zweite Besuch von Robert Habeck, zusammen mit Marret Bohn — er hatte bei unserer OV-Gründung versprochen, wiederzukommen und sich um eine örtliche Sachfrage in der Gesundheitspolitik zu kümmern. Ich hatte nicht geglaubt, dass er das tatsächlich macht. Tat er aber und hat echt überzeugt.”
Was sind die Probleme von Kommunalpolitik heute? Und was kann man da machen?
„Die Kommunen haben immer weniger zu sagen — müssen aber immer mehr erledigen und bezahlen. Es finden sich gleichzeitig immer weniger qualifizierte Leute, die neben Job/Studium/Familie noch ehrenamtlich Politik in den kleinen Orten machen können oder wollen. Auch daher wird eine Kulturänderung hin zu viel mehr Bürgerbeteiligung vor Ort dringend nötig sein — und eine Neuordnung der Ebenen und ihrer Befugnisse durch eine Verwaltungsreform.”
Was musstest Du tun, um von Deiner Partei aufgestellt zu werden?
„Offiziell aufgestellt bin ich noch nicht. Aber ich glaube, dass ich als Gründungsmitglied und Geschäftsführer des Ortsverbandes gezeigt habe, was ich kann und wie viel Power ich in die Arbeit lege und daher gute Chancen habe.
Glücklicherweise gibt es bei uns aber tatsächlich kein Posten-Geschiele, sondern ein konstruktives Zusammenarbeiten mit allen, bei dem irgendwie jede und jeder seine Rolle findet. ”
Ist Kommunalpolitik nur eine Karrierestufe — Teil der „Ochsentour” oder ist das etwas, was man auch ohne größere Ambitionen macht?
„In der Kommunalpolitik kann man viel lernen — egal, was man später mal beruflich macht. Bestimmt ist es für viele, gerade in den Volksparteien, auch Teil der Ochsentour — in meinem Ortsverband aber ist es der Wille, etwas zu verändern, der uns zusammengebracht hat.”
Bist Du jetzt einer von „den Politikern”?
„Erschreckenderweise ja — insofern als man als Mitglied einer Partei von vielen Leuten auf seine Parteizugehörigkeit reduziert wird. Viele sind dann überrascht, wenn man Ideen anderer Parteien lobt, eigene Fehler anerkennt oder Aktionen der eigenen Partei kritisiert. Ich bin optimistisch, dass ich meine Facetten behalten und ein kritisch denkender Mensch bleiben werde — unabhängig vom Parteibuch oder Mandaten.
Ich finde überhaupt, dass wir Bürger_innen nicht den Fehler machen sollten, „die Politiker” immer abzugrenzen — so schaffen wir erst ein „die da oben, wir hier unten”-Gefühl auf beiden Seiten. Was klingt wie ein ausgelutschter Spruch, ist das Erfolgsrezept eines funktionierenden Gemeinwesens: In der Demokratie können wir alle mitmischen — und sollten es tun.”
Wird man mit Kommunalpolitik reich?
„Wer den Job wegen der Aufwandsentschädigungen macht, ist zu bemitleiden. Es ist schon viel Arbeit und finanziell reich wird man glaube ich zumindest als verantwortungsvoller Kommunalpolitiker nicht. Wenn doch, verrate ich hinterher das Geheimrezept!”
Wenn mehr junge Leute wie Joscha die Zusammenhänge erkennen würden, warum die Belange von Kindern und Jugendlichen unterproportional beachtet werden, dann würden sie sich vielleicht in ähnlicher Weise engagieren. Fakt ist, dass Erstwähler_innen den Kandidat_innen oft die Frage stellen, warum sie überhaupt zur Wahl gehen sollen. Als müsste es dafür eine Prämie oder Vergleichbares geben. Es verhält sich umgekehrt. Je weniger junge Menschen sich politisch einbringen, umso weniger werden ihre Interessen berücksichtigt. Warum sollte man auch, als Politker_in, der/die wiedergewählt werden will?
Ein erfrischendes Interview zur Kommunalpolitik!
Und diese Form des Mitmachens fordert einen jeden Monat
aufs Neue heraus, was man eigentlich verändern und verbessern
möchte. Und wenn das so wach und engagiert geschieht, wie
Joscha das praktiziert, dient das dem demokratischen Miteinander
im Kleinen wie im Großem. Und die Chance zur Optimierung
können wir jeden Tag nutzen.