Pro & Contra: Alkoholverbot in Zügen

Von | 31. Mai 2013

Im Herbst 2011 führ­te der Hamburger Verkehrsverbund ein gene­rel­les Alkoholverbot in öffent­li­chen Verkehrsmitteln ein, ähn­li­che Pläne gibt es auch in ande­ren Bundesländern und ein­zel­nen Verkehrsbetrieben. Oliver Malchow, neu­er Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei und Leiter der Kieler Kriminalpolizeistelle, for­der­te jüngst (in den Kieler Nachrichten) ein Bundesgesetz, wel­ches den Genuss von Alkohol im Nahverkehr ver­bie­tet. Gründe hier­für sei­en vor allem eine stei­gen­de Anzahl von Gewalttaten unter Alkoholeinfluss, aber auch Vandalismus und Belästigung. Auch der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg for­der­te 2012 in einem Brief an Innenminister Friedrich die bun­des­wei­te Rechtsgrundlage, laut einer Forsa-Umfrage stimm­ten 74% der Berliner mit die­ser Forderung über­ein. Das Innenminsterium sowie das Verkehrsministerium fühl­ten sich aber nicht dazu beru­fen, die­sen Forderungen nach­zu­kom­men.

Auch in der Redaktion des Landesblogs sind die Meinungen zu die­sem Thema unter­schied­lich. Die Autoren Philipp Neuenfeldt, Sebastian Maas und Melanie Richter wol­len die gegen­sätz­li­chen Standpunkte im Folgenden in Pro/​Contra Form dar­stel­len.

CONTRA: Das Leben mit Vollen in Zügen genie­ßen”

Wer ist das Problem? Die hei­te­re Gruppe eines Sportvereins und Musikfans, die mit Bierdosen in der Hand zu einem Spiel oder Konzert fah­ren? Oder die stark ange­trun­ke­nen und tor­keln­den Partygänger, die sich auf dem Heimweg befin­den? Wenn es zu Gewalttaten unter Alkoholeinfluss kommt, waren die Täter vor dem Zustieg nüch­tern?
Ein Verbot von Alkohol„genuss” im ÖPNV ver­hin­dert nicht, dass Betrunkene sich dane­ben beneh­men. Und wer soll das Verbot durch­set­zen? Soll der Fahrkahrtenkontrolleur sich nun auch mit Betrunkenen prü­geln? Als Metronom 2009 das Alkoholverbot in ihren Zügen durch­setz­te, ver­stärk­ten sie zudem die Kontrollen und das Sicherheitspersonal — mit jähr­li­chen Kosten von 1,6 Millionen Euro. Ich sehe in die­ser Maßnahme eine grö­ße­re Erfolgschance als dar­in, auf eine Flasche Bier ein Bußgeld zu erhe­ben.
Eine mög­li­che Gesetzesänderung soll­te also eher die Handhabe von Randalierern in Zügen ver­ein­fa­chen. DB-Vorstandsmitglied Gerd Becht sag­te bereits 2012, ein wirk­sa­me­res Mittel wäre die Möglichkeit, stö­ren­des und den Betrieb auf­hal­ten­des Verhalten mit Bußgeldern zu bele­gen. Natürlich soll Betrunkenen dabei nicht kom­plett die Fahrt im ÖPNV ver­bo­ten wer­den, schließ­lich hat man sie noch lie­ber im Zug oder Bus als hin­ter dem Lenkrad.

Bei der Deutschen Bahn darf man übri­gens auch Bier im Bordrestaurant bestel­len. Es ist ja nicht alles schlecht.

(sma)

CONTRA: „Nicht jedes Bier macht zum Randalierer”

Vandalismus ist ein Problem und kos­tet die Bahn viel Geld, aber recht­fer­ti­gen die antei­lig rela­tiv weni­gen Alkohol„genießer”, die sich dann der Sachbeschädigung schul­dig machen, ein all­um­fas­sen­des Alkoholverbot? Meiner Meinung nach nicht, denn der über­wie­gen­de Teil der Reisenden kon­su­miert das eine oder ande­re Feierabendbierchen beim Nachhausependeln oder trinkt fröh­lich im Rahmen eines gemein­sa­men Ausflugs. An die­ser Stelle könn­te man die Lärmbelästigung durch die Angeheiterten ins Feld füh­ren, doch auch die­se sind im Grunde erträg­lich, vor allem klei­ne­re Mitreisende kön­nen auch ordent­lich laut sein und es soll­te einen im Grunde nicht stö­ren.

(mr)

PRO: „Weniger Dreck und Belästigung”

Verbote kom­men nie gut an. Zumal wenn sie einen ver­meint­li­chen Ausdruck von Lebensfreude oder das Leben im öffent­li­chen Raum im Allgemeinen betref­fen. Ordnungspolitisch wol­len sie stets sorg­sam abge­wo­gen wer­den. Der Eingriff in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger will einen Mehrwert in einem Mehr an Sicherheit oder im Schutz Dritter wis­sen.

Ein Alkoholverbot im Fernverkehr steht nicht zur Diskussion. Das betont die DB immer wie­der. Die Anzahl der Fälle, in denen sich Fahrgäste von alko­ho­li­sier­ten Mitreisenden gestört füh­len, liegt ohne­hin weit hin­ter der im Nahverkehr. Das belieb­te Contra-Argument, im Bordbistro der DB wer­de ja auch Alkohol aus­ge­schenkt, greift des­halb ins Leere.

Zwei Gründe spre­chen aus mei­ner Sicht für ein Alkoholverbot im Nahverkehr der Bahn, wie es bereits in vie­len Städten und Verkehrsverbünden gilt. Der Schutz Mitreisender sowie die Auswirkungen auf nach­ge­la­ger­te Kosten wie etwa Müllentsorgung.

  1. Der Nahverkehr wird vor allem von Pendlern genutzt. Nicht nur, weil dar­un­ter auch vie­le Schülerinnen und Schüler sind, son­dern weil auch erwach­sene­ne Pendler bei ihrer Fahrt nach einem Arbeitstag nur bedingt Sympathien für alko­ho­li­sier­te Mitreisende auf­brin­gen, steht ihr Schutz aus mei­ner Sicht höher als das Grundrecht der Trinkenden auf — ja, auf was eigent­lich?
    Die Niederlage der Stadt Freiburg i.Br. vor dem Verwaltungsgericht war dem Umstand geschul­det, dass die Regelung „zu pau­schal” sei. Wie immer ein Landesgesetz aus­se­hen soll, das den Alkoholkonsum im Nahverkehr ver­bie­tet, es soll­te also sorg­sam geprüft wer­den im Vorfeld. Eine Landesregelung hät­te aber ver­mut­lich vor den Richtern bes­se­re Karten als eine nur stadt­teil­be­zo­ge­ne wie in Freiburg.
    Auch wenn alko­ho­li­sier­te Fahrgäste nicht gene­rell von der Fahrt aus­ge­schlos­sen wür­den, bei einem lan­des­wei­ten Alkoholverbot im Nahverkehr erhöh­te sich die Lebensqualität der übri­gen Reisenden doch wirk­sam. Am Ende soll­te zudem nicht ver­ges­sen wer­den, dass es sich um eine — wenn auch lega­le — Droge han­delt. Und ein Rauchverbot — zunächst lan­ge hart umkämpft — mag heu­te auch kaum mehr in Frage stel­len, stellt es doch einen wirk­sa­men Schutz vor dem pas­si­ven Konsum in Gaststätten, dem ÖPNV etc. dar und ver­rin­gert die Anzahl an Fällen, die bis­lang Nichtabhängige den Konsum in der Öffentlichkeit „vor­ge­lebt” bekom­men.
  2. Was sich einem nach dem Gang durch den Regionalzug an der Endstation zeigt, ist ein ernüch­tern­des Bild, nicht sel­ten rol­len Bierflaschen unter den Sitzen, lie­gen Fastfood-Verpackungen auf ihnen und quel­len die Mülleimer an den kom­mu­ni­ka­ti­ven Vierersitzen über. Bei der nie­der­säch­si­schen „Metronom” wuss­te Pressesprecher Grützmacher 2012 von einem Rückgang des Müllaufkommens von 163 auf 55 Tonnen zu berich­ten. Jeden Monat.
    Auch Fälle von Vandalismus näh­men durch ein Alkoholverbot ab, wird berich­tet.
    Und noch ein all­ge­mein-ästhe­ti­sches Argument. Wäre es nicht schön, durch einen Regionalzug gehen zu kön­nen, ohne an min­des­tens einer Reisegruppe vor­bei­zu­kom­men, deren Bierduft die Luft mit Abscheu und laten­ter Aggresivität erfüllt? Nach mehr­stün­di­ger Fahrt im ICE und Umstieg in Hamburg ist das jeden­falls mein drin­gends­ter — gleich nach dem Wunsch, end­lich zu Haus zu sein.

(pn)

Von:

Ende 20, Politikwissenschaftler, Archäologe, Redakteur, Fotograf und Social Media Manager. Wohnt in Kiel, lebt im Internet, kommt aus Flensburg. Gehört keiner Partei an. Mag neben Politik und Medien alles was blinkt oder salzig schmeckt.

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