Pink macht glücklich |Bild: Christof Ortmann
Im August letzten Jahres wurde die neue Dachmarkenstrategie für das Land Schleswig-Holstein präsentiert. Die Reaktionen waren mehr als gespalten und es hagelte Kritik aus verschiedensten Richtungen: aus der Bevölkerung, der Opposition des Landtags, anderen Bundesländern und aus der Werbebranche. Die größten Kontroversen waren die Veränderung des schleswig-holsteinischen „Rot“ zu einem magenta-artigem „Pink“ sowie der neue Claim „Der echte Norden“. Die Diskussion drehte sich meiner Meinung nach dann um unnötige Bedenken wie „Schleswig-Holstein wird zur Telekom“ und „Wenn Schleswig-Holstein der echte Norden ist, wo ist denn dann der unechte Norden?“. Nun geht die Diskussion mit der Vorstellung einer neuen Imagekampagne des Landes in eine neue Runde.
Am 1. Juli 2014 wurde die Tourismusstrategie für Schleswig-Holstein bis 2025 vorgestellt. In diesem Zuge wurde auch ein erster Einblick in die neue Imagekampagne gewährt, die das Land für die nächsten drei Jahre bewerben und die Dachmarke emotional aufladen soll.
Der SHZ hat die Motive vorgestellt und die Leser darüber abstimmen lassen. Das Ergebnis der (nicht repräsentativen) Umfrage fällt ziemlich vernichtend aus und spiegelt in keiner Weise die Begeisterung der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TASH) wieder. Weit über die Hälfte der Befragten „gefällt die Kampagne gar nicht“ oder finden sie ”nicht sehr überzeugend”. Aber wie aussagekräftig ist eine solche Bewertung durch die Leser aus Sicht der Marken- bzw. Kampagnenstrategie?
1. Wer soll durch die neue Imagekampagne erreicht werden?
Gemäß dem Spruch „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!“ haben die TASH und die ausführende Agentur alles richtig gemacht. Offensichtlich schmeckt dem Angler der Wurm nicht. Für ein repräsentatives Stimmungsbild wäre allerdings eine deutlich umfangreichere Befragung notwendig, insofern ist das Ergebnis mit Vorsicht zu genießen. Ob am Ende der Fisch anbeißt und es zu dem von Wirtschaftsminister Meyer erwarteten Plus von 30% touristischem Bruttoumsatz kommt, lässt sich daraus jedenfalls noch nicht ableiten.
Viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass die Zielgruppe der Kampagne nicht in erster Linie die Schleswig-Holsteiner sind, sondern Touristen aus anderen Ländern. Diese sorgen für touristischen Umsatz. Für diese gilt es, die Stärken und die Besonderheiten des Landes zu identifizieren und ins rechte Licht zu rücken. Damit sind wir schon beim nächsten Punkt:
2. Lädt die Imagekampagne den „echten Norden“ mit positiven Attributen auf?
Zwei zentrale Elemente lassen sich in der Kampagne identifizieren: Die Farbe Pink und der Begriff „Glück“. Das Pink ist konsequenterweise aus dem neuen schleswig-holsteinischen Logo übernommen und schlägt damit die Brücke zur Dachmarke. Allerdings wird es nun deutlich prominenter eingesetzt und wird zur zentralen Farbe der Kampagne. Pink als Farbe des Glücks. Aus unerklärlichen Gründen wird allerdings auf den Kampagnenmotiven statt dem kraftvollen Pink ein blasses Rosa eingesetzt. Schade, denn durch die farbliche Abstufung wirkt es eher verwaschen und blass statt leuchtend und echt. Damit büßt es nicht nur visuell an Strahlkraft ein, sondern entfernt sich auch von typisch norddeutschen Attributen wie Klarheit und Echtheit.
Der zentrale Kampagnenbegriff „Glück“ stützt sich auf die Studie des Glücksatlas von 2013, nach dem in Schleswig-Holstein die glücklichsten Menschen wohnen. Als Begriff allein wirkt er zwar noch etwas abstrakt, lässt damit aber auch ausreichend Freiraum für die Umsetzung der Kampagne an den unterschiedlichen Einsatzorten. Hier wird es spannend zu beobachten, ob es gelingt, den Begriff mit Leben zu füllen und den Bogen von der oberflächlichen Worthülse zum echten Norden mit seinen Attraktionen und Vorzügen zu schlagen.
3. Warum macht Schleswig-Holstein glücklich?
Der zuletzt genannte Punkt mag auch eine Ursache für das schlechte Abscheiden der Imagekampagne bei den SHZ-Lesern sein: Es fehlt noch ein konkreter Bezug der Kampagne zur Lebenswelt in Schleswig-Holstein. Die bisher veröffentlichten Motive mit ihrer landschaftlichen Weite und Ruhe bleiben noch sehr vage in ihrer Bildsprache. Sie bieten eher eine emotionale Ahnung, mit welcher Tonalität die zukünftige Kampagne ausgestattet sein wird und sind noch nicht als fertige Motive zu verstehen. Zur internen Veranschaulichung einer Kampagnenstrategie ist das ausreichend, für die Präsentation nach außen eher nicht. Insofern ist es nicht überraschend, dass die Motive auf einige Leser wie ein Fremdkörper wirken. Wie ein Aufkleber, den jemand Fremdes auf das Altbekannte aufgeklebt hat. Aber die Lösung des Problems kann ja auch nicht in der x-ten Auflage eines gelb-blühenden Rapsfeldes liegen…
Was für meine Begriffe fehlt ist – wie es in der Werbesprache so schön heißt – der „Reason why“. Warum ist man in Schleswig-Holstein glücklich? Und warum ist man hier glücklicher als in anderen Ländern? Wodurch wird diese Kampagne glaubwürdig? Wie wird aus der bloßen Behauptung das entsprechende Erlebnis? Sich hier auf das Ranking des Glücksatlas zu verlassen, greift jedenfalls zu kurz. Das Land selbst muss Argumente bieten, die für Einwohner und Touristen nachvollziehbar sind und die Glücksthese stützen. Diese Argumente gibt es sicherlich, allerdings sind sie bei den vorgestellten Motiven nicht erkennbar.
Fazit
Auch wenn bis heute nur erste Entwürfe vorgestellt wurden und die Kampagne erst noch ausgearbeitet werden muss: Die zentrale Frage „Warum macht Schleswig-Holstein glücklich?“ bleibt offen. Gerade für die Präsentation gegenüber der Öffentlichkeit wäre es sicher hilfreich gewesen, die Kampagnenidee etwas weiter auszuarbeiten und an ein oder zwei Beispielen zu konkretisieren. Vermutlich wäre das Echo deutlich positiver ausgefallen und hätte den Start der Kampagne beflügelt.
Dieser Artikel ist zuerst bei markenprofil.com erschienen.
Ich finde deine Frage interessant, warum in Schleswig-Holstein die glücklichsten Menschen leben und wie sich das in der Kampagne umsetzen lässt.
Generell bin ich ja immer noch ein Fan davon, dass der ernsthafte Versuch gestartet wurde, dem Land ein modernes Corporate Design zu verpassen. Es gab bisher diese „Land der Horizonte”-Schilder an der Straße. Der Claim ist auch nett gewesen und auch die Fähnchen statt des Wappens waren ganz nett. Es gab aber kein Konzept dafür, wie Einrichtungen des Landes und Tourismus gemeinsam ein Außenbild erzeugen konnten. Und ich glaube auch nicht, dass man das aus den beiden Elementen so einfach hinbekommen hätte.
Eine der Herausforderungen des Tourismus in Schleswig-Holstein ist die Fragmentierung. Das ist dem Land spätestens seit der Roland Berger-Studie Anfang der 2000er bekannt. 250 Tourismus-Marketing-Organisationen versuchen oft mit winzigen Budgets Werbung für ihre 100 Meter Strand zu machen. Wer aber nicht gerade Stammurlauber ist, sucht nicht nach so etwas. Die erklärten Zielgruppen sind junge Familien, Best-Ager und anspruchsvolle Genießer. Die wollen an die See und professionell und modern angesprochen werden und ein passendes Angebot finden. Wenn die Landesbehörden einen ähnlichen Eindruck vermitteln, ist das nicht zum Schaden der Einwohner.
Ich bin gespannt, wie die Kampagne in die Breite gebracht und gelebt wird.
Gerade die Fragmentierung der Szene ist sicher eine große Herausforderung. Aber eine gut gemacht Kampagne kann ja auch eine Steilvorlage für kleinere Marketing-Einheiten sein. Erst recht bei einem knappen Budget.
Neugierig bin ich vor allem, wie in der Werbung der Bogen zwischen der kleinteiligen Struktur und der übergeordneten Image-Kampagne gespannt werden kann. Kann das die (Online-)Vermarktung überhaupt leisten? Oder wird es in diesem Bereich in erster Linie allgemein gehaltene, Image-betonte Aktivitäten geben?
Ich denke, da könnte sich das Land etwas bei anderen Organisationen abgucken, die kleinteilig aufgebaut sind. Parteien, Kirchen, Gewerkschaften… Die haben alle viele Untergliederungen und versuchen Corporate Designs möglichst breit nutzbar zu machen. Da diese Organisationen demokratisch sind, kann man die Gliederungen schlecht zwingen. Da muss das Angebot gut genug sein.
Der Vorteil der Kampagne des Landes ist, dass in den Tourismus Marketing Organisationen vor Ort zumindest ein Hauptamtlicher Ansprechpartner ist. Diese Person muss sich zwar auch immer vor der ehrenamtlichen Kommunalpolitik rechtfertigen. Aber zumindest diese Person sollte so professionell sein und den Vorteil einer starken, gemeinsamen Werbelinie sehen.
Soweit ich weiß gibt es bei der CDU einen finanziellen Nachteil, wenn die nicht das offizielle CMS nutzen. Dadurch haben die Webseiten alle einen einheitlichen Look. Bei der SPD gibt es ein Online-Tool, mit dem sich Druckvorlagen im Corporate Design erstellen lassen. Man kann Shops mit Merchandise anbieten, das nur noch mit dem eigenen Namen angepasst werden muss. Man könnte also ganz praktische und finanzielle Vorteile schaffen, die es attraktiv machen, die Linie des Landes zu nutzen.
Allerdings ist Corporate Design immer eine Frage des Geschmacks. Ich bin immer ein großer Freund von Corporate Designs, weil sich da einmal Profis für Geld, das man meist selbst nie bezahlen könnte, Gedanken gemacht haben. Und selbst wenn einem das Pink nicht liegt — ich kann mir nicht vorstellen, dass man es so schlimm findet, dass man nicht zumindest ein paar Jahre damit leben kann. Denn man darf nicht vergessen: Fahne und Wappen bleiben erhalten. Es gibt nur eine moderne Fassung davon für eine moderne Tourismus- und Standortwerbung.