Eine wilde Idee!? Debatte um das Landesnaturschutzgesetz

Von | 20. Oktober 2015
Schleswig-Hosteinische Wildnis in Burg auf Fehmarn. Copyright by Torsten Behrens.

Schleswig-Hosteinische Wildnis in Burg auf Fehmarn. Foto : Torsten Behrens - CC BY 2.0

Es nützt nichts, wenn ich mir alles anhö­re und mich danach oben auf den Kipper stel­le und den Landwirten, den Jägern, den Fischern und den Waldbesitzern als Agrarphi­losoph die Welt erklä­re, wie sie ist, und sage, ich habe am Ende recht.
– Hauke Göttsch, CDU-Landtagsfraktion
Bei kaum einem Gesetzentwurf schla­gen im poli­ti­schen Schleswig-Holstein die Wellen der­zeit so hoch wie bei der von der Landesregierung ange­streb­ten Novelle des Landesnaturschutzgesetzes (LNatSchG). Die Opposition wirft ins­be­son­de­re dem zustän­di­gen Umweltminister Robert Habeck vor, sich nur pro­fi­lie­ren und für sei­nen beab­sich­tig­ten Aufstieg in die Bundespolitik emp­feh­len zu wol­len.
Sein dua­ler Politikstil als „Agrarphilosoph” aber auch als ein Minister, der durch­aus zuhö­ren kön­ne, macht den Kritikern dabei offen­sicht­lich zu schaf­fen. Habeck gibt sich hemds­är­me­lig und intel­lek­tu­ell zugleich: Einerseits zel­tet er ger­ne öffent­lich­keits­wirk­sam im Wilden Schleswig-Holstein, um wenig spä­ter die kon­tro­ver­se Debatte ums Naturschutzrecht aus einer Beobachterposition her­aus zu ana­ly­sie­ren: Die Einen sähen in der Natur eben eine Ressource, die aus­ge­beu­tet wer­den kön­ne, wäh­rend die ande­ren – er offen­sicht­lich ein­ge­schlos­sen – Natur als Infrastruktur begrei­fen: Natur, so Habeck, sei nicht gren­zen­los ver­füg­bar und müs­se geschützt wer­den, „weil wir nur noch weni­ge Räume dafür haben”.
Schleswig-Hosteinische Wildnis in Burg auf Fehmarn. Copyright by Torsten Behrens.

Schleswig-Hosteinische Wildnis in Burg auf Fehmarn. Foto : Torsten Behrens — CC BY 2.0

Im Landesblog haben wir im Umfeld die­ser Debatte zur Neufassung des Naturschutzgesetzes ein­mal zwei Themen her­aus­ge­grif­fen: Wie wild ist Schleswig-Holstein? Im Beitrag von pana­ma geht es um den „wil­den Norden” und den Versuch der Landesregierung, sich an das skan­di­na­vi­sche Jedermannsrecht und das damit ver­bun­de­ne Naturverständnis anzu­nä­hern. Hier ist der Bürger plötz­lich selbst ein biss­chen wil­der und darf auch mal quer über einen Acker gehen. Sebastian Maas beschäf­tigt sich mit ande­ren wil­den Kreaturen: den wie­der in den Norden zurück­ge­kehr­ten Wölfen und unse­rem Umgang mit die­sem Wildtier, an das wir uns erst wie­der gewöh­nen müs­sen.

Die Debatte zum Gesetzentwurf im Schnellcheck:

Betretungsrecht

Das Betretungsrecht sorgt wahr­schein­lich im Moment für die größ­ten Emotionen. Das ist etwas über­ra­schend für mich, denn ich dach­te nicht, dass das ein sol­ches Ärgernis wer­den wür­de, zumal es im Rest der Bundesrepublik ein­ge­führt ist. Das Betretungsrecht hat natur­schutz­fach­lich gar kei­ne Bedeutung. (…) Es ist aber auch ein Symbol dafür, dass uns die Natur einen Freiraum zur Verfügung stellt.
– Dr. Robert Habeck, Grüne, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und länd­li­che Räume

Sind Sie schon mal quer­feld­ein über einen abge­ern­te­ten Acker gegan­gen? Ja? Erzählen Sie das bes­ser nie­man­dem. In Schleswig-Holstein ist das näm­lich ver­bo­ten (§30 LNatSchG SH). Im Rest der Bundesrepublik – mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns – ist hin­ge­gen ähn­lich dem Grundsatz im Bundesnaturschutzgesetz das „Betreten der frei­en Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf unge­nutz­ten Grundflächen zum Zweck der Erholung” allen gestat­tet (§59 BNatSchG). Der neue Gesetzentwurf zum Landesnaturschutzgesetz sieht hier eine Angleichung an die Regelungen ande­rer Bundesländer vor. In einer emo­tio­nal geführ­ten Debatte sehen die Einen – Landwirte und die Eigentümer der Flächen – ihre Ernte in Gefahr und ver­mis­sen eine aus ihrer Sicht ange­mes­se­ne Wertschätzung für die Lebensmittelproduktion auf  die­sen Flächen. Die Anderen beto­nen eben den Gedanken des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), dass die freie Landschaft – wenn kei­ne ande­ren Nutzungen dem ent­ge­gen­ste­hen – allen zur Erholung die­nen soll.

Eine Herde wilder Pferde als Schattenumrisse zu sehen vor der untergehenden Sonne.

Wild And Free | Foto : Shan Sheehan — CC BY-ND 2.0

Vorkaufsrecht

Sie soll­ten Eigentum wirk­lich ein­mal respek­tie­ren und es nicht wie Allgemeingut behan­deln.
– Oliver Kumbartzky, Umweltpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion

Ähnlich hef­tig – aber mit deut­lich höhe­rem poli­ti­schen Gehalt – wird die Wiedereinführung eines Vorkaufsrecht auf natur­schutz­fach­lich wert­vol­le Flächen dis­ku­tiert. Das Land möch­te zur Arrondierung von Naturschutzflächen wie­der bevor­zugt kau­fen dür­fen, wenn sol­che Flächen auf den Markt kom­men. Nach Ansicht der Landesregierung wird – auch ange­sichts der Haushaltslage – wohl nur sel­ten vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht wer­den. Dies gei­ßeln Kritiker als Bürokratiemonster und unver­hält­nis­mä­ßi­gen Eingriff in den Markt.

Biotopverbundflächen

Die bis­her schon vor­han­de­nen Biotopverbundflächen sol­len gestärkt wer­den, indem das Gesetz die Erhöhung der Verbundflächen von 10 auf 15 Prozent der Landesfläche anstrebt. Durch die­se Regelung soll erreicht wer­den, dass die weni­gen noch ver­blie­be­nen natur­na­hen Flächen in Schleswig-Holstein nicht noch wei­ter zer­split­tert wer­den. Zwei Prozent der Landesfläche sol­len dabei als Wildnis, das heißt weit­ge­hend ohne Einfluss des Menschen, erhal­ten wer­den. Derzeit sind etwa 14 Prozent der Landesfläche Biotopverbundflächen. Neu geschützt wer­den soll dar­über hin­aus der Biotop-Typus „Dauergrünland”.

Jagdrecht

Ein Schaf auf einer grünen, feuchten Wiese.

Ein Wolf im Schafspelz? | Foto : Torsten Behrens — CC BY 2.0

Weniger zen­tral, aber nicht min­der umstrit­ten ist eine im Zuge der  Novelle vor­ge­se­he­ne Änderung des Jagdrechts. Neben Privatpersonen sol­len nun auch juris­ti­sche Personen – also etwa Verbände, Vereine und Kirchen – die Jagd auf ihrem Grund und Boden unter­sa­gen dür­fen. Dazu müss­te ein Grundstückseigentümer – etwa ein Tierschutzverein eben­so wie Privatpersonen dar­le­gen, dass er aus ethi­schen Gründen die Jagd ablehnt. Kritiker bezwei­feln jedoch, dass eine juris­ti­sche Person ethi­sche Bedenken haben kön­ne. Praktisch könn­te eine Beschränkung der Jagd dann ein­tre­ten, wenn etwa gro­ße Grundeigentümer wie die Kirchen vom neu­en Recht Gebrauch mach­ten.

Der Wolf

Es wun­dert mich eigent­lich, dass man nicht gleich ange­nom­men hat, dass es irgend so ein lang­haa­ri­ger Zottel mit selbst­ge­strick­tem Pullover im Elektroauto war, der den Wolf hin­ten drin hat­te und mit Müsli gefüt­tert hat.
– Sandra Redmann, Umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion

Eigentlich spielt auch das Thema Wölfe nur eine mar­gi­na­le Rolle im Gesetzentwurf. Erstmals soll „das Anlocken und Füttern von Wölfen” ver­bo­ten wer­den, damit die Tiere nicht an den Menschen gewöhnt wer­den und dadurch das Risiko von Angriffen durch die­se Tiere steigt. In Schleswig-Holstein scheint eine Naturschutz-Debatte ohne Wölfe der­zeit aber nicht mög­lich – obwohl die Anzahl der hier gesich­te­ten Tiere über­schau­bar ist.

Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens

Nach der ers­ten Lesung im Parlament wur­de der Gesetzentwurf nun im Umwelt- und Agrarausschuss bera­ten, der ein Anhörungsverfahren durch­füh­ren wird. Spannend dürf­te die münd­li­che Anhörung im Ausschuss am 2. Dezember wer­den. Im März 2016 soll dann die zwei­te Lesung im Plenum statt­fin­den.

Die Aussagen der Politiker stam­men aus der Debatte in der 97. Sitzung des Landtags vom 17. September 2015.

Ein Gedanke zu “Eine wilde Idee!? Debatte um das Landesnaturschutzgesetz”:

  1. Schnitzler

    Die Frage ist doch ob sol­che Massnahmen wirk­lich ziel­füh­rend für den Schutz der Natur sind.
    Welche Erfahrungen haben Eigentümer und Naturschützer in ande­ren Bundesländern gesam­melt?
    Ein Betretungrecht bringt für den Schutz der Wildtiere m.E. nichts- im Gegenteil es ist kon­tra­pro­duk­tiv und für die not­wen­di­ge Jagdausübung in nicht uner­heb­li­chem Masse eine Gefahrenquelle.
    Herr Habeck möch­te hier offen­sicht­lich nur Wählerstimmen ein­fan­gen.

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