Am Dienstag (08.02) habe ich hier über die am Mittwoch (09.02) bevorstehende Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages zu der vom Verfassungsgericht geforderten Änderung des Wahlrechts in Schleswig-Holstein berichtet. Ich habe aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht und mich über die in meinen Augen eher an Populismus orientierte Vorberichterstattung in den klassischen Medien (genauer: Printmedien) mokiert.
Der Fairness wegen nun der Blick auf die Berichterstattung über die Anhörung in den Printmedien, wie ich sie in den Zeitungen und im Fernsehen gefunden habe. Den Hörfunk muss ich außen vor lassen, da ich tagsüber eigentlich nie Radio hören kann. Wer Artikel aus anderen regionalen Zeitungen unseres Landes kennt, der ist herzlich eingeladen, den Artikel in den Kommentaren zu ergänzen. Ich habe bestimmt nicht alles gefunden.
Das Schleswig-Holstein Magazin berichtet in einem einminütigen Beitrag im ersten Nachrichtenblock, dass die Experten in der Anhörung kein gutes Blatt an den Entwürfen von CDU, SPD und FDP gelassen haben. Die Senkung der Wahlkreise um lediglich fünf von 40 auf 35 verhindert keine Ausgleichsmandate. Die von der SPD geforderte Festlegung des Wahltermin in der Verfassung wurde strikt abgelehnt, ebenso die Streichung der festen Anzahl der Abgeordneten aus der Verfassung.
Die Deutsche Presse Agentur (dpa) hat eine sehr ausführliche Zusammenfassung der Anhörung mit Zitaten der Experten herausgegeben, die deren ablehnende Haltung unterstreicht. Über die eben schon erwähnten Punkte hinaus erwähnt der Text die angemahnte Umstellung des Verfahrens der Sitzzuteilung von d’Hondt auf Sainte-Laguë/Schepers. Die Auffassung eines Experten, der das Zweistimmen-Wahlrecht als „idiotisch” abtat und für freie Listen, auf der jeder Abgeordnete persönlich gewählt werden könne, eintrat, wurde ebenso dargestellt wie die Vorschläge eines anderen Experten Mehr-Personen-Wahlkreise einzuführen. Auch der Vorschlag des sogenannten Bundes der Steuerzahler, das Parlament auf 51 Sitze zu verkleinern, findet sich in der Meldung wieder — ebenso die Hinweise der Landeswahlleiterin, dass die von der SPD vorgeschlagenen Wahltermine auf die sogenannten „stillen Feiertage” im November und damit als Wahltermin aus-fielen. Abgebunden wird der Text mit der Warnung eines Experten, der bei einer zu niedriger Anzahl von Wahlkreisen die regionale Repräsentanz gefährdet sah und dem Wunsch eines weiteren Experten, der, wie andere vor ihm auch, zum Einstimmenwahlrecht zurückkehren möchte.
Der Text ist sachlich und ausführlich, beschränkt sich (bis auf eine kleine Ausnahme) auf die Redebeiträge der Experten und belegt deren ablehnende Haltung, ohne Partei zu ergreifen. Die Agenturmeldung verlangt vom Leser sehr viel Vorwissen. Das ist dem Text aber nicht vorzuwerfen: Er will schließlich über ein komplexes Thema verdichtend berichten — ohne den eher pädagogischen Schritt der didaktische Reduktion zu vollziehen.
In der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung, deren landespolitischer Korrespondent Peter Höver sich schon am Vortag (09.02.) in einem Kommentar engagiert gegen eine Wahlrechtsänderung, die an der kritikwürdig hohen Zahl der Abgeordneten nicht ändere, ausgesprochen hatte, berichtet dieser auf der Titelseite kurz über die wesentlichen Kritikpunkte der Experten und zitiert die von Abgeordneten der SPD und CDU signalisierte Bereitschaft, sich zu bewegen. Im Innenteil wird die dpa-Meldung (gekürzt) abgedruckt.
In den Kieler Nachrichten kommentiert Landtagskorrespondent Bodo Stade die Debatte um das Wahlrecht. Er sieht die Gefahr, dass die Anhörung zur Farce werden könne, wenn sich nicht die großen Parteien von der hohen Zahl der Wahlkreise verabschiedeten und die kleinen Parteien das Ein-Stimmen-Wahlrecht akzeptierten. Im Innenteil berichtet er dann ausführlich — und um Erklärungen bemüht — von der Abfuhr der Experten. Über die Reaktion der Fraktionen wird nicht berichtet.
Für die Lübecker Nachrichten ist das Thema wohl nur nachrangig von Interesse. Im Innenteil findet der Leser lediglich die dpa-Meldung, stark eingekürzt.
Im benachbarten Hamburg braucht BILD Hamburg drei Worte in der Überschrift und drei Sätze Text, um ihren Lesern ebenso falsch wie richtig zu sagen: Experten kritisieren Wahlrecht.
In der tageszeitung / taz Nord kommentiert Sven-Michael Veit den Poker mit gezinkten Karten und fordert eine deutliche Reduzierung der Wahlkreise auf höchstens 30. Esther Geisslinger berichtet ausführlich über das seltene Ereignis „Vier Juristen, eine Meinung”.
Das Hamburger Abendblatt berichtet kurz aber knackig über die Anhörung, die peinlich für das Kieler Parlament verlaufen sei und vermutet, dass die Generalkritik bei CDU, SPD und FDP gleichwohl verpuffen werde.
DIE WELT Hamburg schließlich druckt die dpa-Meldung unter Nennung des Autors Wolfgang Schmidt ausführlich und nur leicht gekürzt ab.
Fazit: Die Anhörung wird in ihrer gesamten Breite dargestellt, die ablehnende Meinung der Experten und Juristen wird dem Leser klar vermittelt. Die Reaktionen der Landtagsfraktionen blieben in der Regel unerwähnt. Das mag man kritisieren. Aus meiner Sicht wurde damit aber die Bedeutung der Expertenmeinung erhöht.
Danke für die Hinweise…
Ich habe ein paar Links gesammelt:
Eine Fassung des DPA-Stück gibt es hier http://www.ln-online.de/regional/luebeck/2929595/Harte_Experten-Kritik_an_Pl%E4nen_f%FCr_neues_Wahlrecht.htm
taz: http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/juristische-ohrfeige-fuer-die-landespolitik/ (Bericht, Geisslinger)
http://taz.de/1/nord/artikel/1/pokern-mit-gezinkten-karten/ (Kommentar, Veit)
Die dpa-Meldung ist weitgehend (bis auf den Absatz mit Herrn Fürter) aktuell auch hier zu sehen http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/themen/thema-aktuell.html (Hinweis, der Inhalt der Seite ändert sich regelmäßig).