Wahlrechts-Anhörung im Spiegel der Medien

Von | 11. Februar 2011

Am Dienstag (08.02) habe ich hier über die am Mittwoch (09.02) bevor­ste­hen­de Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages zu der vom Verfassungsgericht gefor­der­ten Änderung des Wahlrechts in Schleswig-Holstein berich­tet. Ich habe aus mei­nem Herzen kei­ne Mördergrube gemacht und mich über die in mei­nen Augen eher an Populismus ori­en­tier­te Vorberichterstattung in den klas­si­schen Medien (genau­er: Printmedien) mokiert.

Der Fairness wegen nun der Blick auf die Berichterstattung über die Anhörung in den Printmedien, wie ich sie in den Zeitungen und im Fernsehen gefun­den habe. Den Hörfunk muss ich außen vor las­sen, da ich tags­über eigent­lich nie Radio hören kann. Wer Artikel aus ande­ren regio­na­len Zeitungen unse­res Landes kennt, der ist herz­lich ein­ge­la­den, den Artikel in den Kommentaren zu ergän­zen. Ich habe bestimmt nicht alles gefun­den.

Das Schleswig-Holstein Magazin berich­tet in einem ein­mi­nü­ti­gen Beitrag im ers­ten Nachrichtenblock, dass die Experten in der Anhörung kein gutes Blatt an den Entwürfen von CDU, SPD und FDP gelas­sen haben. Die Senkung der Wahlkreise um ledig­lich fünf von 40 auf 35 ver­hin­dert kei­ne Ausgleichsmandate. Die von der SPD gefor­der­te Festlegung des Wahltermin in der Verfassung wur­de strikt abge­lehnt, eben­so die Streichung der fes­ten Anzahl der Abgeordneten aus der Verfassung.

Die Deutsche Presse Agentur (dpa) hat eine sehr aus­führ­li­che Zusammenfassung der Anhörung mit Zitaten der Experten her­aus­ge­ge­ben, die deren ableh­nen­de Haltung unter­streicht. Über die eben schon erwähn­ten Punkte hin­aus erwähnt der Text die ange­mahn­te Umstellung des Verfahrens der Sitzzuteilung von d’Hondt auf Sainte-Laguë/Schepers. Die Auffassung eines Experten, der das Zweistimmen-Wahlrecht als „idio­tisch” abtat und für freie Listen, auf der jeder Abgeordnete per­sön­lich gewählt wer­den kön­ne, ein­trat, wur­de eben­so dar­ge­stellt wie die Vorschläge eines ande­ren Experten Mehr-Personen-Wahlkreise ein­zu­füh­ren. Auch der Vorschlag des soge­nann­ten Bundes der Steuerzahler, das Parlament auf 51 Sitze zu ver­klei­nern, fin­det sich in der Meldung wie­der — eben­so die Hinweise der Landeswahlleiterin, dass die von der SPD vor­ge­schla­ge­nen Wahltermine auf die soge­nann­ten „stil­len Feiertage” im November und damit als Wahltermin aus-fie­len. Abgebunden wird der Text mit der Warnung eines Experten, der bei einer zu nied­ri­ger Anzahl von Wahlkreisen die regio­na­le Repräsentanz gefähr­det sah und dem Wunsch eines wei­te­ren Experten, der, wie ande­re vor ihm auch, zum Einstimmenwahlrecht zurück­keh­ren möch­te.
Der Text ist sach­lich und aus­führ­lich, beschränkt sich (bis auf eine klei­ne Ausnahme) auf die Redebeiträge der Experten und belegt deren ableh­nen­de Haltung, ohne Partei zu ergrei­fen. Die Agenturmeldung ver­langt vom Leser sehr viel Vorwissen. Das ist dem Text aber nicht vor­zu­wer­fen: Er will schließ­lich über ein kom­ple­xes Thema ver­dich­tend berich­ten — ohne den eher päd­ago­gi­schen Schritt der didak­ti­sche Reduktion zu voll­zie­hen.

In der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung, deren lan­des­po­li­ti­scher Korrespondent Peter Höver sich schon am Vortag (09.02.) in einem Kommentar enga­giert gegen eine Wahlrechtsänderung, die an der kri­tik­wür­dig hohen Zahl der Abgeordneten nicht ände­re, aus­ge­spro­chen hat­te, berich­tet die­ser auf der Titelseite kurz über die wesent­li­chen Kritikpunkte der Experten und zitiert die von Abgeordneten der SPD und CDU signa­li­sier­te Bereitschaft, sich zu bewe­gen. Im Innenteil wird die dpa-Meldung (gekürzt) abge­druckt.

In den Kieler Nachrichten kom­men­tiert Landtagskorrespondent Bodo Stade die Debatte um das Wahlrecht. Er sieht die Gefahr, dass die Anhörung zur Farce wer­den kön­ne, wenn sich nicht die gro­ßen Parteien von der hohen Zahl der Wahlkreise ver­ab­schie­de­ten und die klei­nen Parteien das Ein-Stimmen-Wahlrecht akzep­tier­ten. Im Innenteil berich­tet er dann aus­führ­lich — und um Erklärungen bemüht — von der Abfuhr der Experten. Über die Reaktion der Fraktionen wird nicht berich­tet.

Für die Lübecker Nachrichten ist das Thema wohl nur nach­ran­gig von Interesse. Im Innenteil fin­det der Leser ledig­lich die dpa-Meldung, stark ein­ge­kürzt.

Im benach­bar­ten Hamburg braucht BILD Hamburg drei Worte in der Überschrift und drei Sätze Text, um ihren Lesern eben­so falsch wie rich­tig zu sagen: Experten kri­ti­sie­ren Wahlrecht.

In der tages­zei­tung /​ taz Nord kom­men­tiert Sven-Michael Veit den Poker mit gezink­ten Karten und for­dert eine deut­li­che Reduzierung der Wahlkreise auf  höchs­tens 30. Esther Geisslinger berich­tet aus­führ­lich über das sel­te­ne Ereignis „Vier Juristen, eine Meinung”.

Das Hamburger Abendblatt berich­tet kurz aber kna­ckig über die Anhörung, die pein­lich für das Kieler Parlament ver­lau­fen sei und ver­mu­tet, dass die Generalkritik bei CDU, SPD und FDP gleich­wohl ver­puf­fen wer­de.

DIE WELT Hamburg schließ­lich druckt die dpa-Meldung unter Nennung des Autors Wolfgang Schmidt aus­führ­lich und nur leicht gekürzt ab.

Fazit: Die Anhörung wird in ihrer gesam­ten Breite dar­ge­stellt, die ableh­nen­de Meinung der Experten und Juristen wird dem Leser klar ver­mit­telt. Die Reaktionen der Landtagsfraktionen blie­ben in der Regel uner­wähnt. Das mag man kri­ti­sie­ren. Aus mei­ner Sicht wur­de damit aber die Bedeutung der Expertenmeinung erhöht.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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