Vorratsdatenspeicherung: Thilo Weichert (ULD) schickt offenen Brief an Jörg Ziercke (BKA)

Von | 23. November 2010

Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, hat den „lau­ten und vehe­men­ten“ Protagonisten der Vorratsdatenspeicherung einen offe­nen Brief geschrie­ben. Er for­dert sie dar­in auf, ihre Blockadehaltung auf­zu­ge­ben, mit der sie den Ausgleich der Interessen staat­li­cher Behörden an einer wirk­sa­me Gefahrenabwehr und Strafverfolgung einer­seits sowie den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger ande­rer­seits behin­dern. Der Brief wen­det sich an den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und die Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.

Durch die Vorratsdatenspeicherung sieht Weichert eine Reihe von Grundrechten bedroht. Er zählt auf: Das Grundrecht auf infor­ma­tio­nel­le Selbstbestimmung, auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit infor­ma­ti­ons­tech­ni­scher Systeme, auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses und „vie­le wei­te­re Grundrechte mit einer digi­ta­len Dimension”. Angesichts die­ser Fülle sei es ein Gebot für alle „rele­van­ten Diskussionspartner“, infor­ma­tio­nel­le Eingriffe und die Erlaubnisse hier­zu so gering wie mög­lich und ver­hält­nis­mä­ßig zu gestal­ten. Genau die­se Bereitschaft ver­mis­se er aber bei den Dreien. Sie erweck­ten viel­mehr, wie schon bei der Diskussion um die soge­nann­te Online-Durchsuchung, den fal­schen und nicht beleg­ten Eindruck, nur bei der Umsetzung ihrer Maximalforderungen sei eine Strafverfolgung im Internet über­haupt erst mög­lich.

Der Kieler Datenschützer unter­stützt in sei­nem Brief die Forderungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, nach der grund­sätz­li­chen Möglichkeit zum kur­zen „Einfrieren“ von Verkehrsdaten („Quick Freeze“) im Rahmen der Bekämpfung schwe­rer Kriminalität. Durch sei­nen Vorschlag einer ein- oder zwei­wö­chi­gen Vorratsdatenspeicherung hat­te sich Schaar in einem offe­nen Brief des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung deut­li­che Kritik ein­ge­han­delt. Dem war Schaar ent­schie­den ent­ge­gen­ge­tre­ten. Weichert nimmt den Ball auf und lädt nun drei Vertreter der „Gegenseite” ein, sich an der Diskussion, die die­ser Briefwechsel aus­ge­löst hat, zu betei­li­gen, um „daten­spar­sa­me und grund­rechts­kon­for­me“ Lösungen zu fin­den.

Kommentar:

Es mag Thilo Weichert ehren, dass er selbst auf unver­bes­ser­lich zu schei­nen­de Hardliner zugeht und sie zum Gespräch auf­for­dert. Allerdings setzt das in mei­nen Augen Willen zum Gespräch und ein Mindestmaß an Fachlichkeit vor­aus.
Bei Herrn Ziercke man­gelt es wohl an der ers­ten Voraussetzung. Man kann wohl mitt­ler­wei­le bezwei­feln, ob in sei­nem Wertekanon über­haupt die Möglichkeit des Kompromisses vor­kommt. Dennoch, er ist, wenn auch stur­köp­fig und unein­sich­tig, Akteur einer Behörde und muss des­halb in den Diskurs ein­ge­bun­den wer­den. Nur scheint es mir wenig aus­sichts­reich, von dem Chef des BKA jetzt einen Einstieg zu erwar­ten. Und wenn, dann wird er wohl eher mit stil­lem Genuss dar­auf hin­wei­sen, dass er die Uneinigkeit sei­ner Kritiker nicht stö­ren möch­te und schlimms­ten­falls eben genau das und nur das öffent­lich benen­nen. Zudem soll­te man von einem Behördenleiter kei­ne poli­ti­sche Einsichtsfähigkeit erwar­ten. Das ist nicht sei­ne Aufgabe. Dafür gibt es den Bundesinnenminister.

Bei den bei­den Populisten von der „Gewerkschaft der Polizei“ und „Bundes Deutscher Kriminalbeamter“ ver­mag ich nicht im Ansatz erken­nen, wel­che Eigenschaft sie als „rele­van­ten Diskussionspartner“ qua­li­fi­zie­ren könn­te. Beide Verbände spie­len eine wich­ti­ge Rolle bei der Frage von Überstundenvergütungen, der Arbeitsgestaltung der Polizisten und Feuerwehrleute oder des Beamten- und Arbeitsrechts im Allgemeinen. Darum geht es hier aber nicht. Zur Vorratsdatenspeicherung haben bei­de Verbände kei­ne gebo­re­ne Kompetenzen. Selbst wenn sie sich noch so gern als berufs­stän­di­sche Organisation auf­füh­ren und kei­ne media­le Möglichkeit aus­las­sen, um ihre Meinung los­zu­wer­den (Zur Erinnerung: der BDK ist der Verband, der die Schnapsidee hat­te, einen Reset-Knopf für das Internet zu for­dern) : Staatliche Organisationen müs­sen die­se Fehlentwicklung nicht auch noch unter­stüt­zen, indem sie sie hofie­ren.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert