Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, hat den „lauten und vehementen“ Protagonisten der Vorratsdatenspeicherung einen offenen Brief geschrieben. Er fordert sie darin auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben, mit der sie den Ausgleich der Interessen staatlicher Behörden an einer wirksame Gefahrenabwehr und Strafverfolgung einerseits sowie den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger andererseits behindern. Der Brief wendet sich an den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und die Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.
Durch die Vorratsdatenspeicherung sieht Weichert eine Reihe von Grundrechten bedroht. Er zählt auf: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme, auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses und „viele weitere Grundrechte mit einer digitalen Dimension”. Angesichts dieser Fülle sei es ein Gebot für alle „relevanten Diskussionspartner“, informationelle Eingriffe und die Erlaubnisse hierzu so gering wie möglich und verhältnismäßig zu gestalten. Genau diese Bereitschaft vermisse er aber bei den Dreien. Sie erweckten vielmehr, wie schon bei der Diskussion um die sogenannte Online-Durchsuchung, den falschen und nicht belegten Eindruck, nur bei der Umsetzung ihrer Maximalforderungen sei eine Strafverfolgung im Internet überhaupt erst möglich.
Der Kieler Datenschützer unterstützt in seinem Brief die Forderungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, nach der grundsätzlichen Möglichkeit zum kurzen „Einfrieren“ von Verkehrsdaten („Quick Freeze“) im Rahmen der Bekämpfung schwerer Kriminalität. Durch seinen Vorschlag einer ein- oder zweiwöchigen Vorratsdatenspeicherung hatte sich Schaar in einem offenen Brief des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung deutliche Kritik eingehandelt. Dem war Schaar entschieden entgegengetreten. Weichert nimmt den Ball auf und lädt nun drei Vertreter der „Gegenseite” ein, sich an der Diskussion, die dieser Briefwechsel ausgelöst hat, zu beteiligen, um „datensparsame und grundrechtskonforme“ Lösungen zu finden.
Kommentar:
Es mag Thilo Weichert ehren, dass er selbst auf unverbesserlich zu scheinende Hardliner zugeht und sie zum Gespräch auffordert. Allerdings setzt das in meinen Augen Willen zum Gespräch und ein Mindestmaß an Fachlichkeit voraus.
Bei Herrn Ziercke mangelt es wohl an der ersten Voraussetzung. Man kann wohl mittlerweile bezweifeln, ob in seinem Wertekanon überhaupt die Möglichkeit des Kompromisses vorkommt. Dennoch, er ist, wenn auch sturköpfig und uneinsichtig, Akteur einer Behörde und muss deshalb in den Diskurs eingebunden werden. Nur scheint es mir wenig aussichtsreich, von dem Chef des BKA jetzt einen Einstieg zu erwarten. Und wenn, dann wird er wohl eher mit stillem Genuss darauf hinweisen, dass er die Uneinigkeit seiner Kritiker nicht stören möchte und schlimmstenfalls eben genau das und nur das öffentlich benennen. Zudem sollte man von einem Behördenleiter keine politische Einsichtsfähigkeit erwarten. Das ist nicht seine Aufgabe. Dafür gibt es den Bundesinnenminister.
Bei den beiden Populisten von der „Gewerkschaft der Polizei“ und „Bundes Deutscher Kriminalbeamter“ vermag ich nicht im Ansatz erkennen, welche Eigenschaft sie als „relevanten Diskussionspartner“ qualifizieren könnte. Beide Verbände spielen eine wichtige Rolle bei der Frage von Überstundenvergütungen, der Arbeitsgestaltung der Polizisten und Feuerwehrleute oder des Beamten- und Arbeitsrechts im Allgemeinen. Darum geht es hier aber nicht. Zur Vorratsdatenspeicherung haben beide Verbände keine geborene Kompetenzen. Selbst wenn sie sich noch so gern als berufsständische Organisation aufführen und keine mediale Möglichkeit auslassen, um ihre Meinung loszuwerden (Zur Erinnerung: der BDK ist der Verband, der die Schnapsidee hatte, einen Reset-Knopf für das Internet zu fordern) : Staatliche Organisationen müssen diese Fehlentwicklung nicht auch noch unterstützen, indem sie sie hofieren.