Weit hat uns der gute, alte Klingeldraht gebracht: Seit 100 Jahren ist er die Kommunikationslösung schlechthin. Erst Telefon, dann Fax und Modems — 14.400 kbit/s mehr ginge technisch gar nicht. Dann kam 28.8er Modems und dann ISDN. Plötzlich stieß DSL Türen zu ganz anderen Übertragungsraten auf. Zurzeit gehen bei mir 30 MBit über diesen dünnen Kupferdraht, der bei mir im Haus sicher 50 Jahre alt ist. Verlegt wurde dieses Netz damals auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vom Fernmeldeamt. Heute ist das Fernmeldeamt die Deutsche Telekom. Und der gehört immer noch dieses Drahtnetz — die sogenannte „letzte Meile”. Erst ab dem Hauptverteiler haben die verschiedenen Internet- und Telefonanbieter eigene Leitungen. Und die sind in der Regel Glasfasern, denn Glasfasern bieten ziemlich unbegrenzt viel Übertragungsleistung. Während beim Kupferkabel heute bei 50 MBit Schluss ist, fängt man bei Glasfaser erst bei 100MBit an zu rechnen. Giga-Bit ist gar kein Problem. Und diese Technologie ist auch die Antwort auf den stetig steigenden Bandbreitenbedarf.
Die große Herausforderung ist, diese Glasfaser auch bis in die Wohnung zu bekommen. Denn nur dann stehen die vollen Möglichkeiten der neuen Technologie zur Verfügung. In Nordfriesland gibt es das schon: 100 MBit kosten 46,90 EUR. Dort war der Druck so hoch, dass sich Unternehmen, Gemeinden, Banken und Privatpersonen zusammengetan haben, um das Glasfasernetz zu verlegen. Vor allem das Geld aus der Windenergie wurde dort direkt vor Ort investiert, weil man nicht darauf warten konnte, dass einer der großen Telekommunikationskonzerne das übernimmt. In den USA hat Google den Markt aufgemischt und bietet in einigen Gemeinden 1 Gbit für 54,- EUR an.
Ganz anders sieht das zum Teil in Schleswig-Holsteins Städten aus: In Kiel kommen die Einwohner zurecht. Die meisten sind noch mit 16 MBit zufrieden und sie wissen, dass sie auch noch 50 Mbit oder 100Mbit bekommen können. Die Telekom macht viel Werbung für ihr „Giganetz”. So heißt ihr Glasfaserprojekt.
Doch die Telekom will hier nicht Glasfaser in jede Wohnung legen. „Fiber to the Node” (FTTN) heißt das und es bedeutet, dass die letzte Meile in der Regel weiterhin Klingeldraht bleibt. Aus dem will die Telekom per „Vectoring” noch einmal mehr Leistung herausquetschen. Dazu muss sie allerdings steuern, wann welche Daten über welches Kabel raus gehen. Und das geht nur, wenn sie wieder die volle Kontrolle über die Verteiler bekommt. Die Bundesnetzagentur hat das kürzlich erlaubt. Die Konkurrenz betrachtet das als Schritt zurück zum Monopol der Telekom. Die Wirtschaftswoche vermutet dahinter System — es klingt aber noch ein wenig nach Verschwörungstheorie.
Klar ist in jedem Fall: Wo die Telekom so ein halbes Glasfasernetz aufbaut, ist der Markt tot. Es lohnt sich einfach nicht, mehr als ein Glasfasernetz zu vergraben. Glasfaser ist eigentlich die klassische Infrastruktur, die staatlich zur Verfügung gestellt werden müsste. Kiel aber zum Beispiel kann sich das nicht leisten: Das ÖPNV-Netz ist am Limit, die Kanalisation ist am Limit, Schulen müssen renoviert und Kitaplätze geschaffen werden. Da muss das Internet noch einige Zeit halten. Und bisher hat kaum jemand das kommende Problem bemerkt.
Die Kieler Nachrichten berichteten gestern von eine Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) und des Breitbandkompetenzzentrums (die sich im Internet nicht finden lässt), nach der auch im Kieler Stadtgebiet Engpässe bei den Internetanschlüssen für Firmen festgestellt wurden. Eine Familie mag mit 50MBit noch zurecht kommen — eine Firma mit einigen Beschäftigten, die das Netz nicht nur für Recherchen und Online-Banking benutzen, können die Leitungen schnell verstopfen. Der Austausch von Dateien mit Kunden oder anderen Niederlassungen kann so empfindlich ausgebremst werden.
Das Land hat vor ein paar Monaten seine Breitbandstrategie vorgestellt. Bis 2030 sollen alle Haushalte mit Glasfaser versorgt sein. Das ist noch ziemlich weit weg. Branchenkenner nennen das trotzdem ein engagiertes aber schaffbares Ziel. Zum Teil kümmern sich die Kreise um die Umsetzung, einige Kommunen gründen Zweckverbände, manche kümmern sich gar nicht darum. In einigen engagieren sich die verbliebenen kommunalen Stadtwerke. Dabei steht Schleswig-Holstein bundesweit gar nicht so schlecht da — International aber ist Deutschland weit abgeschlagen: In einer europaweiten Studie liegt Deutschland noch hinter Rumänien.
Die Frage ist, ob man das Ziel bis 2030 tatsächlich erreicht, wenn der Ausbau so unkoordiniert wie bisher passiert. Jeder Kommune wird es komplett selbst überlassen, ob und wie sie sich um den Ausbau kümmert. Andererseits wird man schwer alle Kommunen unter einen Hut bekommen. Die 15 Punkte in der Breitbandstrategie sprechen die verschiedenen Stellschrauben an, die der Landesregierung zur Verfügung stehen. In seiner ersten Regierungerklärung hatte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) die Wichtigkeit des Ausbaus hervorgehoben und erklärt, dass sein Wirtschaftminister Reinhard Meyer (SPD) das zur Chefsache mache. Gute Pläne und große Worte gibt es also genug. Es muss „nur noch” umgesetzt werden — eine Mammutaufgabe.
Ich wohne in Kiel-Suchsdorf (An der Au) und bekomme mit Hängen und Würgen DSL 6000 von der Telekom. Mehr würde definitiv nicht möglich sein (auch Kielnet oder TNG waren auf Nachfrage verhalten). Und selbst das erst seitdem ich einen IP-Anschluss nutze. Sonst nur DSL 3000. Zurecht kommt bestenfalls nur der Innenstadtbereich. Aber schöner Artikel ! sf.
> Breitbandkompetenzzentrums (die sich im Internet nicht finden lässt),
→ bkzsh.de
Ich glaube übrigens nicht, dass es eine Frage der Koordination ist, sondern schlicht eine Frage der Finanzierung. Die Breitbandstrategie des Landes hat nämlich noch eine große Finanzierungslücke und hofft darum auf Bürgerbeteiligung.
Die Frage ist doch, ob sich jede Kommune alleine überlegen muss, wie sie den Ausbau finanziert.
Ich finde, die Konstruktion in Nordfriesland ist eine tolles Beispiel dafür, welchen Vorteil diese Bürgerwindparks haben — Die Menschen, die auf die Windmühlen gucken müssen, profitieren da direkt von und können ihr Leben verbessern. Das Geld bleibt in der Region. Daraus entsteht jetzt eine Internetinfrastruktur, an der auch wieder die Region verdient.
@BKZSH: Und wo auf der Homepage ist diese Studie?
Ich finde bestimmte Zufälle beim erschließen von VDSL in meiner ländlichen Gegend sehr interessant.
Da kündigt z.B. ein regionaler Anbieter (WegezweckVerband) oder ein Anbieter wie „UnserOrtsnetz” an, Glasfaser verlegen zu wollen um damit Gespräche mit den Gemeinden anzuregen. Und wie aus der Pistole geschossen, schlägt ein Vertreter der Telekom beim Bürgermeister auf und verkauft Ihm VDSL für das Dorf. Jahrelang wurde man ignoriert, mal abgesehen von großen Firmen, die bekamen VDSL, und auf einmal funktioniert es. Und dann erfährt man, daß die wichtige Leitung für das VDSL schon seit Jahren vorhanden ist. Aber jetzt plötzlich schließt man auch das Dorf an.
Das riecht schon sehr streng. Jetzt wird bei uns das VDSL der Telekom bereits gelegt und die Vorteile von Glasfaser im Gegensatz zu VDSL sind den meisten Bewohnern schwer bis gar nicht klar zu machen. Damit hat die Telekom nur so viel wie nötig getan obwohl auch mehr ginge.
Das riecht höchstens nach Marktwirtschaft. Man kann doch der Telekom nicht vorwerfen, dass sie sich wirtschaftlich verhält. Und man kann auch der Gemeinde nicht vorwerfen, dass sich sich das Netz von demjenigen bauen lässt, der es als einziger macht.
Dass das nicht die ideale Lösung ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was nicht passieren darf: Jemand pickt sich die Rosinen raus und verlegt Glasfaser im Stadtteil A, nicht aber im Stadtteil B, weil sich Stadtteil A für ihn betriebswirtschaftlich „rechnet”, B aber nicht. Denn dann würde Stadtteil B auf Dauer draußen sein, weil es sich ohne Mischkalkulation danach wohl nie wieder rechnen wird, B ans Netz zu bringen. Das gleiche Problem gilt für kleinere und größere Gemeinden/Ortsteile im ländlichen Bereich.
Bevor das dann dem Steuerzahler angelastet wird, sollte das gleiche Denkmuster, das wir bei anderen Infrastruktur-, Forschungs- oder Innovationsprojekten wie der Fehmarnbeltquerung, dem Erhalt einer Universität oder dem Flug zum Mond benutzen, auch hier angewandt werden.
Wobei das ja nicht ausschließt, dass die Erschließung nicht etwa einem staatlichen Monopol-Unternehmen übergeben wird, sondern in einer Ausschreibung einem (privaten) Unternehmen überlassen wird.
Über deine Feststellungen könnte man in vielerlei Hinsicht kritisch diskutieren — einen Aspekt will ich hier nur anmerken: Sofern man Anbieter zwingen will, nicht rentable Gebiete zu erschliessen, dann wollte der gleiche Zwang auch auf Nutzerseite ausgeübt werden, diese Anschlüsse dann auch zu nutzen/bezahlen.
Das will auch keiner und deshalb ist das Thema u.a. leider so komplex!
Egal bei wem ich im letzten Jahr außerhalb größerer Ortschaften zu Gast war, keiner hatte mehr als 1 MBit/s zur Verfügung. Mag Zufall sein, aber es weckt doch auf. Durch den immer wieder nachhängenden Ausbau ländlicher Räume bei der Breitbandanbindung werden diese immer weiter ins Hintertreffen geraten. Daher sollte man bei einer Ausbauplanung die Versorgung marktwirtschaftlich profitabler Regionen (v.a. Großstädte) an den Ausbau der ländlichen Räume koppeln.
Die Kopplung ändert nichts daran, dass es finanziert werden muss. Und das fehlende Geld ist ja bei der Telekom gerade das Argument dafür, dass sie ihre Volumentarife einführt. Das ist ja nur eine versteckte Preiserhöhung. Die Wirtschaftswoche beschreibt ja die Strategie.
Pingback: Gigabit – in Nordfriesland, aber nicht in Kiel | Die wunderbare Welt von Isotopp
Pingback: Ergebnisse der Woche ab dem 2013-05-10 | Iron Blogger Kiel