
Rotkäppchen. Ganz so märchenhaft wie bei den Grimms geht es beim Runden Tisch "Wolfsmanagement" aber nicht zu. | Foto: barit - CC BY-SA 2.0
Der Wolf ist zurück in Schleswig-Holstein. Das ist erstmal nichts Neues. Seit 2009 gibt es in Schleswig-Holstein auch extra ein „Wolfsmanagement”, also eine vom Umweltministerium SH (MELUR) beaufsichtigte Einrichtung, die sich mit den durch Wölfen verursachten Schäden beschäftigt, über die Tiere aufklärt und die gemeldeten Sichtungen erfasst und bewertet. Doch in den vergangenen sechs Jahren hat sich die Situation grundlegend geändert: Es gibt inzwischen weitaus mehr nachgewiesene Wölfe im Land und es werden weitaus mehr gerissene Tiere gemeldet. Da bei jedem Wolfs-Verdacht erst eine tierärztliche Untersuchung des gerissenen Tieres gemacht werden muss, ist die Belastung der ehrenamtlichen „Wolfsbetreuer” deftig angestiegen.
Um sie zu entlasten und viele inzwischen aufgetauchte Fragen zu klären hat das MELUR den Runden Tisch „Wolfsmanagement in Schleswig-Holstein” wieder einberufen. Hier treffen sich unter Leitung von Mitarbeitern des Ministeriums die verschiedenen Interessengruppen (Umweltverbände, Jägervereine, Schaf- und Ziegenzüchter etc.) und diskutieren. Zweimal hat sich der Runde Tisch im Jahr 2015 getroffen, die Ergebnisse wurden vergangene Woche dem Umweltausschuss des Landtags weitergeleitet. Hier die wichtigsten Eckpunkte, quasi der „Status Quo Wolf in SH”:
- Das MELUR will ab 2016 einen eigenen Haushaltstitel für das Wolfsmanagement, in Höhe von 100.000 Euro. Hiermit sollen zwei hauptamtliche Mitarbeiter bezahlt werden: Dr. Norman Stier (Forstzoologe der TU Dresden) wird zukünftig die gemeldeten Risse untersuchen, die Wolfsbewegungen kartieren und die Landesverwaltung in Wolfsfragen beraten. Jens Matzen (zuvor Ehrenamtler) wird als Ansprechpartner für die Öffentlichkeit und Nutztierhalter tätig.
- Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) übernimmt die Ausbildung der ehrenamtlichen Wolfsbetreuer. Außerdem soll es als Anlaufstelle die Presse und Interessierte dienen. Antworten gibt es unter der Nummer 04347/704 – 325. Durch Wölfe geschädigte Tierhalter können sich beim LLUR Herdenschutzpakete bestellen.
- Der Wildpark Eekholt wird mit seinem Wolfsgehege Aufklärungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit machen, etwa mit der Website www.wolfsinfozentrum.de
„Ein Wolf im Wolfspelz. Ein Filou, unter dem Vorwand es zu sein.“
―Karl Kraus
Das allein ist jetzt natürlich noch nicht viel Substanzielles. Interessant wird es aber, wenn man sich die weiteren Diskussionen und aufgebrachten Fragen anguckt. Hier geht es nämlich ans Eingemachte. Dass der Wolf generell schützenswert ist, da sind sich alle einig. Bei der Frage, ob geschädigte Bauern einfach mit ihrem Schaden allein gelassen werden können, ebenfalls. Dazwischen klaffen aber vom Waffenrecht bis zum Bundesnaturschutzgesetz viele Probleme.
Geld: Landwirte und Nutztierhalter dürfen, durch die sogenannte De-minimis-Regel der EU, innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 15.000 Euro vom Land erhalten. Das gilt insgesamt, also für Erstattungen durch Wolfsrisse, Präventionsmaßnahmen und auch für subventionierten Diesel oder andere Vergünstigungen. Was passiert also, wenn die Wölfe mehr Tiere töten, als ersetzt werden dürfen? Oder „teurere” Tiere angreifen, beispielsweise Pferde? Sechs Tierschutzverbände haben bereits 2010 den sogenannten „Wolfsfonds” eingerichtet, der Tierhalter unterstützen soll, deren Schäden über die De-Minimis Grenze geraten sind.
Das Land prüft momentan, bei der EU eine besondere Förderrichtlinie zu notifizieren, um in drastischen Fällen ebenfalls mehr Geld erstatten zu können. Sollte diese Richtlinie notifiziert werden, könnten tote Tiere weiterhin finanziell ersetzt werden, verletzten hingegen dürfte das Land nur zu 80% den Tierarzt zahlen. Tierschützer befürchten, dass Tierhalter sich die eigenen Kosten im Fall der Fälle vielleicht lieber sparen würden und das Tier sterben ließen. Vielleicht könnte hier aber auch der bereits existierende Wolfsfond helfen.- Jagd: Der Wolf steht per EU-Richtlinie unter besonderem Schutz. Gemäß Bundesnaturschutzgesetz gehört der Wolf zu den besonders und streng geschützten Arten. Die Jagdverbände wünschen sich nun, dass der Wolf in das Jagdrecht aufgenommen wird. Jetzt denkt man natürlich „klar, die wollen den ja auch abknallen”, das ist allerdings zu kurz gedacht. Denn gleichzeitig fordern die Verbände, ihm im Jagdrecht dauerhaft denselben Status wie dem Seehund zu geben, der ebenfalls im Jagdrecht ist, aber seit 1974 nicht mehr bejagt wird. Damit hätten die Jäger die sogenannte Hegepflicht, müssten die Bestände also aktiv pflegen und schützen. Und im Notfall dürften sie einem verletzten, etwa angefahrenen, Wolf den Gnadenschuss geben. Momentan müssten sie das Tier qualvoll verenden lassen, weil man sich sonst strafbar machen würde, so die Argumentation. Diese „Gnadenschussproblematik” soll in der nächsten Sitzung des Runden Tisches besprochen werden. (
Bonusinfo: Ein Wolf wurde bisher in Schleswig-Holstein erschossen, da er sich verhaltensauffällig gezeigt hatte. Die Entscheidung, „eine Ausnahme” zu machen, obliegt in solchen Fällen dem LLUR.Der Wolf lebt noch, das MELUR hat jedoch die „Ausnahme” als Ultima Ratio genehmigt.) Wolfsmeldungen: Ganz interessant ist auch, wie stark die Zahl der Meldungen von potentiellen Wolfsrissen gestiegen ist, besonders im Vergleich zu den dann später durch Tierarzt und Genetiker tatsächlich bestätigten Wolfsangriffen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wo doch von Wölfen getötete Tiere erstattet werden, von Hunden getötete aber nicht.
Wir nehmen die Sorgen von Jägern und Veterinären ernst, die befürchten im Fall der Fälle einen verletzten Wolf nicht von seinem Leid erlösen zu können. Hier arbeiten wir an rechtssicheren Lösungen, die flächendeckend einen pragmatischen Umgang mit der Situation innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens ermöglichen
- Robert Habeck zur „Gnadenschussproblematik”
Fazit: Eigentlich scheinen sich alle einig zu sein; der Wolf muss geschützt und die Geschädigten entschädigt werden. Das Einzige, was Wolf und Bauern momentan zum Glücklichsein im Wege steht, ist ein an aktuelle Bedürfnisse angepasstes Recht. Bauern sollen damit besser die Schäden erstattet bekommen, Wölfe würden besser geschützt und gehegt, und alles wäre rechtssicher. So richtig romantisch und märchenhaft (und so denken ja viele beim Wolf meist) hört sich das zwar nicht an — aber irgendwie ist es doch auch schön, dass wir selbst die wildesten Wildtiere ganz demokratisch ein Plätzchen finden können.
Der komplette Bericht des Runden Tisches kann hier eingesehen werden: Umdruck 18/4923
Moin aus Bargteheide,
zwei Aussagen irritieren mich in diesem Artikel. „Ein Wolf wurde bisher in Schleswig-Holstein erschossen, da er sich verhaltensauffällig gezeigt hatte” Wo und wann soll denn das passiert sein? Meines Wissens wurde zwar beim Wolf von Mölln die „Entnahme” als letzte Möglichkeit beschlossen aber da dieser Wolf wohl weitergezogen ist wurde noch nicht einmal eine Vergrämung versucht.
Des weiteren habe ich noch die Worte von Herrn Dr. Baasch vom Landesjagdverband SH in den Ohren als er auf der Großveranstaltung in Kiel betonte, dass der Wolf in Schleswig-Holstein nicht ins Jagdrecht aufgenommen werden sollte. Wann hat sich an dieser Aussage etwas geändert? Oder wie habe ich den Vergleich mit den Seehunden zu verstehen? Und in welcher Form bedürfen Wölfe einer Hege, eine aktive Beteiligung am Monitoring von Seiten der Jägerschaft würde doch genügen.
Über eine Antwort würde sich auch die Facebookgruppe „Schützt die Wölfe in Deutschland” freuen.
Moin Herr Schulze-Helmke,
Zu Frage 1: Stimmt, das habe ich falsch verstanden. Ich habe nur gelesen, dass die Erlaubnis erteilt wurde, das Tier zu töten. Das habe ich so gedeutet, dass das Tier dann tatsächlich auch getötet wurde. Im Artikel habe ich das geändert.
Zu Frage 2: Offen gesagt hat das beispielsweise LJV-Geschäftsführer Schober:
„Wir würden es begrüßen, wenn der Wolf in das Jagdrecht käme. Das bedeutet nicht, dass er bejagt wird, denn das werden der Seeadler oder der Fischotter, die im Jagdrecht mit einer ganzjährigen Schonzeit belegt sind, auch nicht.” (http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein/News-Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein-Aus-der-Welt/Carstensen-warnt-vor-dem-Wolf-Ruf-nach-neuem-Jagdrecht)
Zur Hege: „Nach dem Jagdgesetz der BRD hat die Hege zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen.” (Wikipedia: Hege)
Liebe Grüße,
Sebastian Maas
Sehr geehrter Herr Maas,
ich bitte um Richtigstellung Ihrer Bonusinfo. Es wurde lediglich die Genehmigung seitens des MELUR erteilt, den auffälligen Wolf notfalls zu entnehmen, geschehen ist das jedoch nicht!
MfG
St. Grafe
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe das geändert. Ich habe die Info, dass die Erlaubnis zum Abschuss erteilt wurde, auch als Ausführung der Tötung gedeutet. Das tut mir Leid.
…Wölfe ins Jagdrecht zu übernehmen, macht keinen Sinn. Außer einen doppelten administrativen Aufwand ist davon nichts zu erwarten, siehe Sachsen. Wie bitteschön möchte man einen Wolf, der i.d.R. 25.000 Hektar Lebensraum benötigt, eigentlich jagdlich hegen? Die organisatorische Jagdstruktur in Deutschland und das entsprechende Reviersystem ist für die „Betreuung” großer Beutegreifer, die einen so großen Lebensraum benötigen, völlig ungeeignet.
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Vogler
http://www.wolfsmonitor.de