Kulturjournalisten von KN, LN, sh:z und ndr 1 Welle Nord im Gespräch mit dem Vorsitzenden des KulturForums Wolfgang Meyer-Hesemann
Als Jahr des Stillstands ging 2011 in die Kulturpolitische Bilanz ein. Das war vor dem Regierungswechsel. Und danach? Auf Einladung des Kulturministeriums trafen sich Verantwortliche über mehrere Runden zum nichtöffentlichen KulturDialog. Das Ergebnis erhielt den Titel „Kulturperspektiven“ und wurde von Kulturjournalisten Anfang 2014 bei der zweiten KulturBilanz des KulturForums Schleswig-Holstein wegen seiner abstrakten Formelhaftigkeit heftig kritisiert. Dienstagabend kamen die Pressevertreter in selber Besetzung erneut im Landeshaus zusammen, zur nunmehr dritten öffentlichen KulturBilanz.
Zunächst bat Gastgeber Dr. Wolfgang Meyer-Hesemann, ex-Staatssekretär und Vorsitzender des Kulturforums Schleswig-Holstein e.V., die vier Journalisten um eine Einschätzung der Entwicklung in ihrem jeweiligen Berichtsgebiet.
Martin Schulte, Ressortleiter Kultur sh:z Flensburg
Die Lage insgesamt würde ich im Vergleich zu 2014 eigentlich als verbessert einschätzen. (…) Wir haben heute in den Schleswiger Nachrichten einen Text, der sich um das Landestheater dreht. (…)Mit der „Heimat“ ist jetzt wohl eine neue Spielstätte gefunden. (…) Dort soll weiterhin Varieté betrieben aber auch eine Bühne für das Landestheater installiert werden.
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Im besagten KulturDialog wurden mit vielen Worten Inhalte produziert; am Ende ist noch nicht so viel Messbares herausgekommen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es immer erst einmal gut ist, mit allen Beteiligten zu sprechen.
Jürgen Feldhoff, Ressortleiter Kultur Lübecker Nachrichten
Das Entscheidende, was sich in den vergangenen zwei Jahren getan hat, betrifft die Bewegung in der Museumsszene. (…) Dazu gekommen ist das Europäische HanseMuseum. (…)Besuchermäßig erfüllt es ungefähr die Erwartungen. (…) Aber es hat Folgen: Bisher war das Stadtmuseum dem Thema „Die Macht des Handels“ gewidmet. Nun überlegt man, einen Teil der Lübecker Handels- und Stadtgeschichte mit Exponaten aus der Völkerkundesammlung zu illustrieren. (…) Das HanseMuseum wird nicht von der Stadt getragen sondern von einer gemeinnützigen GmbH, hinter der die Possehl-Stiftung steht. (…) Erstaunliches leisten kleine Museen in der Umgebung, zum Beispiel in Eutin.
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Vor zwei Jahren habe ich mich sehr abfällig über das Papier geäußert, was da kam, mit den Kulturperspektiven. Heute stelle ich fest, es hat sich stimmungsmäßig viel getan. Das ist von Vorteil.
Konrad Bockemühl, Ressortleiter Kultur Kieler Nachrichten
Nach meinem Eindruck läuft es in Kiel ganz gut. Der Kulturetat wurde zuletzt leicht erhöht. (…) Die Theaterarbeit läuft wirklich erfolgreich, auch wirtschaftlich. Da stimmt die Mischung. (…) Für sein Sommerprogramm konnte das Theater Sponsoren gewinnen, (…) was zeigt, es gibt doch noch Begeisterungsfähigkeit für Kultur. (…) Ohne die Freundeskreise jedoch wäre Vieles gar nicht möglich. Ein ganz wichtiges Pfund ist die Muthesius Kunsthochschule, die sich öffnet und in die Stadt strahlt.
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Seit dem KulturDialog wird mehr miteinander geredet. (…) Damals war das alles sehr abstrakt, was da besprochen wurde, aber es gibt jetzt erste Punkte wie die Vernetzung, neue Förderwege; wirklich beeindruckt hat mich der Bereich Museumszertifizierung, denn er hilft den Kleinen auf aktuellen Stand zu kommen.
Andreas Schmidt, Kulturredakteur NDR I Welle Nord Landesfunkhaus Kiel
Neumünster hat kulturell eine ganze Menge auf die Beine gestellt in den letzten Jahren. (…)Es gibt dort so etwas wie eine lokale kulturelle Identität. Jetzt zum Hamburger Rand: Man ist sehr stark Richtung Großstadt gepolt. (…) Die kulturelle Eigenständigkeit beginnt erst nördlich einer Linie über Itzehoe, Neumünster, Eutin bis Lübeck. (…)
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Insgesamt hat man das Gefühl, Kulturmacher und Kulturpolitik ziehen wieder an einem Strang.
Ein über Jahrzehnte andauernder Investitionsstau bei den großen Konzertsälen in Lübeck und Kiel zeigt jetzt dramatische Auswirkungen. Darüber informierten Jürgen Feldhoff und Konrad Bockemühl beim Thema „kulturelle Leuchttürme”. Während der Saal der Musik- und Kongresshalle Lübeck für Veranstaltungen gesperrt ist und Konzerte nur in der Rotunde stattfinden, ist der Betrieb im maroden Konzertsaal des Kieler Schlosses noch bis 2017 gesichert. Die Kosten für die Renovierung des Lübecker Saals werden auf 8 Mio. Euro geschätzt, davon trägt die Stadt 4 Mio., das Land beteiligt sich mit 2 Mio. und 1 Mio. kommt von der Possehl Stiftung — „ohne die Lübeck mittlerweile aussehe wie ein Trümmerfeld“ (Feldhoff). Insgesamt rechnet die Stadt mit einem Investitionsvolumen für die gesamte Halle in Höhe von 22 Mio. zuzüglich der Einnahmeverluste, die sich ab Herbst erhöhen, wenn auch die Rotunde gesperrt wird. Die Kosten in Kiel seien noch nicht abzuschätzen.
Große Summen steckt das Land bereits in den Neubau eines Zentralmagazins unweit von Schloss Gottorf für die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen sowie einen weiteren Neubau für das 2013 in Molfsee angesiedelte Landesmuseum für Volkskunde.
Anfang Februar erhielt der Entwurf eines Bibliotheksgesetzes Zustimmung im Kabinett. Kritiker halten es für bürokratische Symbolpolitik. In der Runde kam deshalb die Frage auf, ob Kultur im Kanon der Pflichten von Kommunen weiterhin als freiwillige Aufgabe bestehen sollte, wenn es dem Land nicht möglich ist, etwas zu sichern oder zu regeln, ohne dafür die Kosten tragen zu müssen. So dass es wie beim Bibliotheksgesetz zu Formulierungen greift, die den Kommunen überlässt wie sie damit umgehen wollen. Martin Schulte plädierte dafür, Bürger entscheiden zu lassen, und erinnerte an die Wirkungsmacht von Unterstützerkreisen, die sich zuverlässig für den Erhalt ihrer Kulturinstitutionen stark machten – wie der Verein aus 3.200 Mitgliedern für das Schleswig-Holstein Musik-Festival. Als Ursache für Kürzungen und eklatante Fehlentscheidungen in Kulturfragen benannte man in der Runde ein Kompetenzdefizit bei Kommunalpolitikern.
Am Schluss würdigte die Runde das ehrenamtliche Engagement sowie die Förderung der Kultur durch private und öffentliche Stiftungen und das Engagement privater Unternehmer als ganz entscheidenden Faktor für die kulturelle Vielfalt im Land.
Anmerkung:
Die Wiedergabe der Zitate erfolgte nach starken Kürzungen, wobei darauf geachtet wurden, den Inhalt der Rede korrekt wiederzugeben. Den gesamten Wortlaut kann man nachhören in der Fernsehsendung, die der Offene Kanal Kiel in wenigen Tagen senden wird.
Links:
Eckpunkte der Kulturbilanz 2011, veröffentlicht vom Landeskulturverband
Rolf Teucher will Verlässlichkeit bei der Kulturförderung vom 6. Sept. 2013 / landesblog
Das Wunder von Kiel – Schleswig-Holstein im Kulturdialog vom 12. April 2014 / landesblog
Bildungsstätten erste Kulturknoten Schleswig-Holsteins vom 5. Feb. 2015 / landesblog