Kulturpresse zieht 2016 erneut Bilanz

Von | 10. März 2016
Kulturbilanz 2016

Kulturjournalisten von KN, LN, sh:z und ndr 1 Welle Nord im Gespräch mit dem Vorsitzenden des KulturForums Wolfgang Meyer-Hesemann

Als Jahr des Stillstands ging 2011 in die Kulturpolitische Bilanz ein. Das war vor dem Regierungswechsel. Und danach? Auf Einladung des Kulturministeriums tra­fen sich Verantwortliche über meh­re­re Runden zum nicht­öf­fent­li­chen KulturDialog. Das Ergebnis erhielt den Titel „Kulturperspektiven“ und wur­de von Kulturjournalisten Anfang 2014 bei der zwei­ten KulturBilanz des KulturForums Schleswig-Holstein wegen sei­ner abs­trak­ten Formelhaftigkeit hef­tig kri­ti­siert. Dienstagabend kamen die Pressevertreter in sel­ber Besetzung erneut im Landeshaus zusam­men, zur nun­mehr drit­ten öffent­li­chen KulturBilanz.

Zunächst bat Gastgeber Dr. Wolfgang Meyer-Hesemann, ex-Staatssekretär und Vorsitzender des Kulturforums Schleswig-Holstein e.V., die vier Journalisten um eine Einschätzung der Entwicklung in ihrem jewei­li­gen Berichtsgebiet.

Martin Schulte, Ressortleiter Kultur sh:z Flensburg

Die Lage ins­ge­samt wür­de ich im Vergleich zu 2014 eigent­lich als ver­bes­sert ein­schät­zen. (…) Wir haben heu­te in den Schleswiger Nachrichten einen Text, der sich um das Landestheater dreht. (…)Mit der „Heimat“ ist jetzt wohl eine neue Spielstätte gefun­den. (…) Dort soll wei­ter­hin Varieté betrie­ben aber auch eine Bühne für das Landestheater instal­liert wer­den.

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Im besag­ten KulturDialog wur­den mit vie­len Worten Inhalte pro­du­ziert; am Ende ist noch nicht so viel Messbares her­aus­ge­kom­men. Nichtsdestotrotz glau­be ich, dass es immer erst ein­mal gut ist, mit allen Beteiligten zu spre­chen.

Jürgen Feldhoff, Ressortleiter Kultur Lübecker Nachrichten

Das Entscheidende, was sich in den ver­gan­ge­nen zwei Jahren getan hat, betrifft die Bewegung in der Museumsszene. (…) Dazu gekom­men ist das Europäische HanseMuseum. (…)Besuchermäßig erfüllt es unge­fähr die Erwartungen. (…) Aber es hat Folgen: Bisher war das Stadtmuseum dem Thema „Die Macht des Handels“ gewid­met. Nun über­legt man, einen Teil der Lübecker Handels- und Stadtgeschichte mit Exponaten aus der Völkerkundesammlung zu illus­trie­ren. (…) Das HanseMuseum wird nicht von der Stadt getra­gen son­dern von einer gemein­nüt­zi­gen GmbH, hin­ter der die Possehl-Stiftung steht. (…) Erstaunliches leis­ten klei­ne Museen in der Umgebung, zum Beispiel in Eutin.

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Vor zwei Jahren habe ich mich sehr abfäl­lig über das Papier geäu­ßert, was da kam, mit den Kulturperspektiven. Heute stel­le ich fest, es hat sich stim­mungs­mä­ßig viel getan. Das ist von Vorteil.

Konrad Bockemühl, Ressortleiter Kultur Kieler Nachrichten

Nach mei­nem Eindruck läuft es in Kiel ganz gut. Der Kulturetat wur­de zuletzt leicht erhöht. (…) Die Theaterarbeit läuft wirk­lich erfolg­reich, auch wirt­schaft­lich. Da stimmt die Mischung. (…) Für sein Sommerprogramm konn­te das Theater Sponsoren gewin­nen, (…) was zeigt, es gibt doch noch Begeisterungsfähigkeit für Kultur. (…) Ohne die Freundeskreise jedoch wäre Vieles gar nicht mög­lich. Ein ganz wich­ti­ges Pfund ist die Muthesius Kunsthochschule, die sich öff­net und in die Stadt strahlt.

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Seit dem KulturDialog wird mehr mit­ein­an­der gere­det. (…) Damals war das alles sehr abs­trakt, was da bespro­chen wur­de, aber es gibt jetzt ers­te Punkte wie die Vernetzung, neue Förderwege; wirk­lich beein­druckt hat mich der Bereich Museumszertifizierung, denn er hilft den Kleinen auf aktu­el­len Stand zu kom­men.

Andreas Schmidt, Kulturredakteur NDR I Welle Nord Landesfunkhaus Kiel

Neumünster hat kul­tu­rell eine gan­ze Menge auf die Beine gestellt in den letz­ten Jahren. (…)Es gibt dort so etwas wie eine loka­le kul­tu­rel­le Identität. Jetzt zum Hamburger Rand: Man ist sehr stark Richtung Großstadt gepolt. (…) Die kul­tu­rel­le Eigenständigkeit beginnt erst nörd­lich einer Linie über Itzehoe, Neumünster, Eutin bis Lübeck. (…)

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Insgesamt hat man das Gefühl, Kulturmacher und Kulturpolitik zie­hen wie­der an einem Strang.

 

Ein über Jahrzehnte andau­ern­der Investitionsstau bei den gro­ßen Konzertsälen in Lübeck und Kiel zeigt jetzt dra­ma­ti­sche Auswirkungen. Darüber infor­mier­ten Jürgen Feldhoff und Konrad Bockemühl beim Thema „kul­tu­rel­le Leuchttürme”. Während der Saal der Musik- und Kongresshalle Lübeck für Veranstaltungen gesperrt ist und Konzerte nur in der Rotunde statt­fin­den, ist der Betrieb im maro­den Konzertsaal des Kieler Schlosses noch bis 2017 gesi­chert. Die Kosten für die Renovierung des Lübecker Saals wer­den auf 8 Mio. Euro geschätzt, davon trägt die Stadt 4 Mio., das Land betei­ligt sich mit 2 Mio. und 1 Mio. kommt von der Possehl Stiftung — „ohne die Lübeck mitt­ler­wei­le aus­se­he wie ein Trümmerfeld“ (Feldhoff). Insgesamt rech­net die Stadt mit einem Investitionsvolumen für die gesam­te Halle in Höhe von 22 Mio. zuzüg­lich der Einnahmeverluste, die sich ab Herbst erhö­hen, wenn auch die Rotunde gesperrt wird. Die Kosten in Kiel sei­en noch nicht abzu­schät­zen.

Große Summen steckt das Land bereits in den Neubau eines Zentralmagazins unweit von Schloss Gottorf für die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen sowie einen wei­te­ren Neubau für das 2013 in Molfsee ange­sie­del­te Landesmuseum für Volkskunde.

Anfang Februar erhielt der Entwurf eines Bibliotheksgesetzes Zustimmung im Kabinett. Kritiker hal­ten es für büro­kra­ti­sche Symbolpolitik. In der Runde kam des­halb die Frage auf, ob Kultur im Kanon der Pflichten von Kommunen wei­ter­hin als frei­wil­li­ge Aufgabe bestehen soll­te, wenn es dem Land nicht mög­lich ist, etwas zu sichern oder zu regeln, ohne dafür die Kosten tra­gen zu müs­sen. So dass es wie beim Bibliotheksgesetz zu Formulierungen greift, die den Kommunen über­lässt wie sie damit umge­hen wol­len. Martin Schulte plä­dier­te dafür, Bürger ent­schei­den zu las­sen, und erin­ner­te an die Wirkungsmacht von Unterstützerkreisen, die sich zuver­läs­sig für den Erhalt ihrer Kulturinstitutionen stark mach­ten – wie der Verein aus 3.200 Mitgliedern für das Schleswig-Holstein Musik-Festival. Als Ursache für Kürzungen und ekla­tan­te Fehlentscheidungen in Kulturfragen benann­te man in der Runde ein Kompetenzdefizit bei Kommunalpolitikern.

Am Schluss wür­dig­te die Runde das ehren­amt­li­che Engagement sowie die Förderung der Kultur durch pri­va­te und öffent­li­che Stiftungen und das Engagement pri­va­ter Unternehmer als ganz ent­schei­den­den Faktor für die kul­tu­rel­le Vielfalt im Land.

Anmerkung:

Die Wiedergabe der Zitate erfolg­te nach star­ken Kürzungen, wobei dar­auf geach­tet wur­den, den Inhalt der Rede kor­rekt wie­der­zu­ge­ben. Den gesam­ten Wortlaut kann man nach­hö­ren in der Fernsehsendung, die der Offene Kanal Kiel in weni­gen Tagen sen­den wird.

 

Links:

Eckpunkte der Kulturbilanz 2011, ver­öf­fent­licht vom Landeskulturverband

Rolf Teucher will Verlässlichkeit bei der Kulturförderung vom 6. Sept. 2013 / landesblog

Das Wunder von Kiel – Schleswig-Holstein im Kulturdialog vom 12. April 2014 / landesblog

Bildungsstätten erste Kulturknoten Schleswig-Holsteins vom 5. Feb. 2015 / landesblog

panama
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das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 30 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews - www.panama-sh.com.

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