Was ist neu in der Landesverfassung?

Von | 26. Juli 2014
Justitia

Justitia | Foto: dierk schaefer - CC BY 2.0

Während der mög­li­che „Gottesbezug” in der Landesverfassung recht emo­tio­nal im Landtag dis­ku­tiert wur­de, sind die meis­ten Änderungen unum­strit­ten. Der Landtag hat­te im April 2013 einen Sonderausschuss damit beauf­tragt, die Verfassungsreform vor­zu­be­rei­ten. Anfang Juli leg­te der Ausschuss sei­nen Bericht vor. Ein kur­zer Überblick.

Bevor der Sonderausschuss ein­ge­rich­tet wur­de, waren ver­schie­de­ne Anträge zu Verfassungsänderungen gestellt wor­den. So for­der­te die CDU die „Verbesserung der Kooperation zwi­schen Schleswig-Holstein und Hamburg” und eine „Bürgernahe Verwaltung”. Von der Fraktion der Piratenpartei stam­men ver­schie­de­ne Vorschläge „zur Stärkung der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Rechte des Landtags und des Volkes”.

Unter dem Vorsitz des Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) arbei­te­ten in dem Sonderausschuss jeweils ein Abgeordneter der Fraktionen in zwan­zig Sitzungen und einer Klausurtagung einen umfang­rei­chen Ideenkatalog aus. Unterstützt wur­de der Ausschuss dabei von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, Prof. Dr. Ute Sacksofsky und Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.

Generell wird die Nummerierung der Verfassungsartikel auf­ge­räumt. Die alten Artikel mit dem Zusatz a, b, c wer­den neu ein­ge­ord­net. Der alte Artikel 2a wird zum Beispiel 3 und die fol­gen­den Artikel wer­den ent­spre­chend ver­scho­ben. Insofern sieht die Verfassung dann aus wie neu.

Die Änderungen im Überblick:

  1. Es wird eine Präambel geben. Schleswig-Holsteins Landesverfassung war bis­lang die ein­zi­ge ohne Präambel. Der Sonderausschuss sah dar­in die Chance beson­ders her­vor­zu­he­ben­de Beweggründe des Verfassunggebers auf­zu­neh­men, die den vor­recht­li­chen Hintergrund der Verfassung wider­spie­geln.
  2. Im Anschluss defi­nie­ren die Artikel 1 – 4 den for­ma­len Aufbau des Bundeslandes. Außer der Nummerierung ändert sich hier nichts.
  3. Danach wer­den ver­schie­de­ne beson­de­re Schutzrechte defi­niert: Nationale Minderheiten, pfle­ge­be­dürf­ti­ge Menschen, Gleichstellung, Minderjährige, die natür­li­chen Grundlagen, Kultur und der neue Artikel 7 sieht die Inklusion von behin­der­ten und nicht-behin­der­ten Menschen vor.
  4. Beim Schulwesen wird die expli­zi­te Erwähnung der Gemeinschaftsschule gestri­chen. Stattdessen wur­den die däni­schen Schulen auf­ge­nom­men und die Verpflichtung frie­si­schen und platt­deut­schen Sprachunterricht zu för­dern.
  5. Der Artikel 14 wird neu ein­ge­fügt. Er behan­delt „Digitale Basisdienste, Zugang zu Behörden und Gerichten”: Das Land ver­pflich­tet sich, den Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu zen­tra­len Dienste für die elek­tro­ni­sche Abwicklung von Verwaltungsabläufen bereit­zu­stel­len und stellt die elek­tro­ni­sche Korrespondenz mit Behörde mit der per­sön­li­chen und schrift­li­chen gleich. Und unmit­tel­bar nach Verkündung müs­sen Gesetze und Rechtsverordnungen auch elek­tro­nisch ver­öf­fent­licht wer­den. Sprich: eGovernment wird Staatsziel.
  6. Ein wei­te­res „digi­ta­les” Staatsziel ist der Artikel 15 „Digitale Privatsphäre”: „Das Land gewähr­leis­tet im Rahmen sei­ner Kompetenzen auch den Schutz der digi­ta­len Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger.” Wer hofft, dass Innenminister Andreas Breitner (SPD) dann auf­hört, für die Vorratsdatenspeicherung zu wer­ben, soll­te nicht all­zu ent­täuscht sein, wenn er wei­ter­hin von sei­ner Meinungsfreiheit Gebrauch macht. Gleichzeitig ist ein Staatsziel kein Grundrecht — es ist damit nicht ein­klag­bar.
    In die­sem Zug wur­de auch neu gere­gelt, dass die öffent­li­chen Petitionen auch vom Petitionsausschuss öffent­lich behan­delt wer­den kön­nen.
  7. Als neu­er Artikel 30 kön­nen auf Verlangen des Landtages Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geführt wer­den.
  8. Die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide wer­den gesenkt: Für ein Volksbegehren benö­tig­te man bis­her die Unterstützung von 5 % der Stimmberechtigten (ca. 112.000) — jetzt nun noch 80.000. Bei einem Volksentscheid muss die Mehrheit nicht mehr min­des­tens 25 % der Stimmberechtigten ent­spre­chen, son­dern nur noch 15 %. Mit ihrer Forderung eines obli­ga­to­ri­schen Verfassungsreferendums konn­te sich die Piratenpartei jedoch nicht durch­set­zen —  es gibt also kei­ne Volksabstimmung über die neue Landesverfassung.
  9. Der alte Artikel 45 zur Verwaltungsorganisation wird um einen Absatz zur Bürgernähe ergänzt: „Die Organisation der Verwaltung und die Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren ori­en­tie­ren sich an den Grundsätzen der Bürgernähe, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.” Auch hier ging es in der Diskussion im Sonderausschuss um eGovernment — aber auch um die Verwendung von mehr Leichter Sprache. Gleichzeitig wird durch den Hinweis auf „Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit” klar gemacht, dass das prak­ti­sche Grenzen hat.
  10. Der neue Artikel 53 Regelt das Thema Transparenz: „Die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände stel­len amt­li­che Informationen zur Verfügung, soweit nicht ent­ge­gen­ste­hen­de öffent­li­che oder schutz­wür­di­ge pri­va­te Interessen über­wie­gen. Das Nähere regelt ein Gesetz.” — Da war­tet dann ein Transparenzgesetz dar­auf, geschrie­ben zu wer­den.
  11. Die Deckungsnachweispflicht aus dem alten Artikel 54 wird kon­kre­ti­siert. Der besag­te bis­her „Beschließt der Landtag Maßnahmen, die Kosten ver­ur­sa­chen, so ist gleich­zei­tig für die nöti­ge Deckung zu sor­gen.” Der Landtag kann dazu jetzt Änderungen am Haushalt bean­tra­gen.

Und am Ende wird dann noch die Nummerierung in den ansons­ten unbe­rühr­ten Artikel aktua­li­siert:

In den nach­ste­hend auf­ge­führ­ten Artikeln wer­den fol­gen­de Angaben ersetzt:
In Artikel 24, 25, 26 und 28 jeweils die Zahl „23“ durch die Zahl „29“; in Artikel 25 die Zahl „41“ durch die Zahl „48“; in Artikel 26 die Zahl „11“ durch die Zahl „17“; in Artikel 38 die Zahl „14“ durch die Zahl „20“; in Artikel 43 die Zahl „13“ durch die Zahl „19“; in Artikel 47 die Zahl „42“ durch die Zahl „49“; in Artikel 49 jeweils die Zahl „41“ durch die Zahl „48“; in Artikel 51 die Zahl „46“ durch die Zahl „54“; in Artikel 58 die Zahl „53“ durch die Zahl „61“; in Artikel 63 die Zahl „56“ durch die Zahl „ 64“; in Artikel 67 jeweils die Zahl „53“ durch die Zahl „61“ sowie die Angabe „59 a“ durch die Zahl „67“; in Artikel 68 die Zahl „44“ durch die Zahl „51“.

Die Diskussion ist jetzt erst ein­mal wie­der in den Innen- und Rechtsausschuss ver­wie­sen wor­den. Wir müs­sen also noch ein wenig Geduld haben. Da der Entwurf aber von allen Fraktionen getra­gen wur­de, wird die Verfassung wohl ziem­lich genau in die­ser Form kom­men. Wer sich noch mehr für die ein­zel­nen Punkte inter­es­siert soll­te sich den Bericht des Sonderausschusses anschau­en. Dort wer­den die ein­zel­nen Punkte aus­führ­lich erklärt.

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2 Gedanken zu “Was ist neu in der Landesverfassung?”:

  1. Aufmerksamer Leser

    Falsche Verlinkung bei „ver­schie­de Anträge der Piraten…

    Reply

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