EuGH-Urteil: Landtag diskutiert Vorratsdatenspeicherung

Von | 9. April 2014
Kritik an der Vorratsdatenspeicherung vor dem Reichstag

Kritik an der Vorratsdatenspeicherung vor dem Reichstag | CC-BY

Es gibt da einen poli­ti­schen Reflex. Immer wie­der, wenn ein Verfassungsgericht ein Gesetz kas­siert, kann man ihn beob­ach­ten: Diejenigen, die da gera­de eine dicke Klatsche bekom­men haben, wer­de sagen „Wir dan­ken dem Gericht, dass es end­lich Rechtsklarheit geschaf­fen hat.” Gestern hat sich der Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum ers­ten Mal als euro­päi­sches Verfassungsgericht betä­tigt und fest­ge­stellt, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung rechts­wid­rig ist. Und da war der Reflex! Die CDU-Fraktion fei­er­te „Endlich gibt es Rechtssicherheit.” Doch auch SPD-Innenminister Andreas Breitner freu­te sich: „Für die Vorratsdatenspeicherung bleibt der Weg frei.” Heute gab es nun eine Aktuelle Stunde im Landtag zu dem Urteil.

Eigentlich ist die Frage für Schleswig-Holstein geklärt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW steht: „Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hoch­pro­ble­ma­ti­scher Eingriff in die Grundrechte. Deshalb wer­den wir uns auf Europa- und Bundesebene im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung ein­set­zen.” Und gemein­sam mit den Stimmen der Piratenpartei ist noch ein­mal ein gleich lau­ten­der Beschluss gefasst wor­den.

Und so blieb auch in der Aktuellen Stunde klar: CDU und SPD-Innenminister freu­en sich dar­über, dass der EuGH end­lich klar gesagt hat, wie eine rechts­kon­for­me Vorratsdatenspeicherung aus­se­hen soll. Die Fraktionen der SPD, Grünen, SSW, FDP und Piratenpartei haben das Urteil als kla­re Absage an die mas­sen­haf­te Sammlung von Kommunikationsdaten unbe­schol­te­ner Bürgerinnen und Bürger begrüßt.

„Der Weg ist also frei”

So tat es zum Beispiel der Piraten-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer — Dr. Axel Bernstein von der CDU beschied ihm dafür, Patrick Breyer haben sich damit ein­mal mehr um einen Platz in der Arbeitsgruppe „Selektive Wahrnehmung” bewor­ben und beharr­te dar­auf, dass das EuGH nur die Vorratsdatenspeicherung in der Form der bis­he­ri­gen Richtline, nicht aber der Vorratsdatenspeicherung an sich eine Absage erteilt habe: „Der EuGH hat mit sei­nem Urteil klar gestellt, dass gegen die Vorratsdatenspeicherung an sich kei­ne Bedenken bestehen. Entscheidend ist die Ausgestaltung. Hier hat das Gericht kla­re Richtlinien defi­niert, die nun in einem ent­spre­chen­den Bundesgesetz umge­setzt wer­den müs­sen. Diese Vorgaben ent­spre­chen im Übrigen auch dem, was CDU, CSU und SPD auf Bundesebene ver­ab­re­det haben.” Der Weg sei also frei.

Der SPD-Abgeordnete Dr. Kai Dolgner wies dar­auf hin, dass die der EuGH zwar aner­kannt hat, dass es einen Wunsch gibt, Vorratsdaten zur Verbrechensbekämpfung zu nut­zen. Dass das aber nur gin­ge, wenn bestimm­te Kriterien erfüllt wer­den könn­ten, um den Grundrechtseingriff nicht zu pau­schal und zu tief zu fas­sen. Dr. Dolgner bezwei­fel­te, dass zum Beispiel die Kriterien zum Schutz von Geheimnisträgern über­haupt erfüll­bar sei­en: „Haben alle unzäh­li­gen Diensteanbieter zukünf­tig Filterlisten, die die Speicherung von IP-Adressen, Telefonverbindungsdaten etc. ver­hin­dern, sobald nur ein Kommunikationsteilnehmer Geistlicher, Anwalt, Abgeordneter, Sucht- oder Schwangerschaftskonfliktberater ist? Wer erstellt, pflegt und vor allem schützt die­se Listen vor dem unbe­fug­ten Zugriff Dritter?”

Verstimmt über die Presse-Äußerungen des Innenministers zeig­te sich der Grüne Abgeordnete Rasmus Andresen. Der droh­te auch ande­re Bürgerrechtsthemen aus dem Koalitionsvertrag wie­der neu zu ver­han­deln, wenn Innenminister Breitner nicht den Willen des Landtages aner­ken­ne und sei­nen Kampf für die Vorratsdatenspeicherung auf­ge­ben.

„Ein klarer Sieg des Rechtsstaates”

Für die FDP-Fraktion sprach Wolfgang Kubicki sich dafür aus, das Thema Vorratsdatenspeicherung ein für alle mal zu begra­ben: „Die Richtlinie der Europäischen Kommission ist nicht ein­ge­schränkt gül­tig, son­dern sie ist ins­ge­samt ungül­tig. Mit ande­ren Worten: Auf die­ser Grundlage kann man kei­ne natio­na­le Regelung ins Werk set­zen. Die Vorratsdatenspeicherung ist damit Geschichte.” Er setz­te sich für das FDP-Konzept eines „Quick Freeze” als Ersatz ein. Dann wer­den nicht pau­schal alle Daten gespei­chert — die Polizei bean­tragt dann im kon­kre­ten Verdachtsfall, dass ab sofort die Telekommunikationsfirmen alle zu dem Fall gehö­ri­gen Daten spei­chern.

Innenminister Breitner beton­te noch ein­mal die Aussagen in sei­ner Pressemitteilung ist stell­te sich auf die Linie der CDU: „Mit sei­ner Entscheidung hat der EuGH die recht­li­che Seite eines ver­fas­sungs­fes­ten und grund­rechts­kon­for­men Regelungskorridors aus­ge­leuch­tet. Dank die­ser Vorgaben ken­nen wir jetzt die Bedingungen für eine rechts­si­che­re Regelung.”

Im Anschluss an die Aktuelle Stunde for­der­te der Piraten-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer Ministerpräsident Albig auf, sei­nem Innenminister die Verantwortung für das Thema Vorratsdatenspeicherung zu ent­zie­hen: „Herr Innenminister, wenn sich der von Ihnen unter­zeich­ne­te Koalitionsvertrag gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung aus­spricht, wenn der Landtag sie mit ver­fas­sungs­än­dern­der Mehrheit ablehnt, wenn zwei Drittel der Bevölkerung sie nicht wol­len, wenn das Bundesverfassungsgericht das deut­sche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kippt und der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie — was braucht es noch, um Sie zur Einsicht zu bewe­gen? Warten Sie dar­auf, dass auch noch der Seegerichtshof in Hamburg oder das Amtsgericht Rendsburg so ent­schei­det? Dieser Innenminister ist offen­sicht­lich aus­sichts­lo­ser Fall. Da hilft nur eins: Herr Ministerpräsident Albig, machen Sie Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung zur Chefsache! Entziehen Sie Ihrem Innenminister die Zuständigkeit dafür und neh­men Sie selbst das Ruder in die Hand!”

Klar ist nach der Debatte: Die Vorratsdatenspeicherung ist damit nicht so tot, wie ihre Gegner gehofft haben. Ihre Befürworter haben aber auch kein ein­deu­ti­ges Mandat zur Einführung bekom­men. Das Gericht hat sich inso­fern zurück­ge­hal­ten und Platz für Politik gelas­sen. Wer aber zwi­schen den Zeilen lesen kann, wird erken­nen, dass da fak­tisch kein „Regelungskorridor” bleibt. Wenn es denn tat­säch­lich Probleme bei der Strafverfolgung gibt, muss die Politik sie anders lösen.

3 Gedanken zu “EuGH-Urteil: Landtag diskutiert Vorratsdatenspeicherung”:

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